Bundestag lehnt Antrag zur Stärkung der Fusionsforschung ab
Der Bundestag hat am Freitag, 23. Februar 2024, einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion zurückgewiesen, mit dem die Abgeordneten eine Stärkung der Fusionsforschung (20/6907) forderten. Gegen die Initiative stimmten die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP sowie die Gruppe Die Linke. Die AfD votierte gemeinsam mit der Union für den Antrag. Der Abstimmung zugrunde lag eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (20/10234).
Ein weiterer Antrag der Union zielt in eine ähnliche Richtung und wirbt für einen „pragmatischen, innovationsfreundlichen Rechtsrahmen für Fusionskraftwerke in Deutschland und Europa“ (20/10383). Die Vorlage wurde im Anschluss an die Debatte zur weiteren federführenden Beratung in den Forschungsausschuss überwiesen.
Abgelehnter Antrag der Union
Um die Energiewende voranzutreiben und das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, sollte die Bundesregierung aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion auf Fusionstechnologie setzen. Die Abgeordneten forderten ein klares Bekenntnis zur Fusionsenergie. Außerdem sollte die Regierung den Bau von zwei Fusionsreaktoren mit konkurrierender Technik beauftragen.
Prognosen zufolge werde der Strombedarf in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2050 auf das Zwei- bis Dreifache im Vergleich zum Jahr 2020 ansteigen, schrieben die Antragsteller. Gemessen an diesem zusätzlichen Energiebedarf könne die Fusionstechnologie zum „Gamechanger“ werden, da sie große Mengen Strom erzeugen könne und mit ihr gleichzeitig keine „direkten CO2-Emissionen, kein Langzeit-radioaktiver Müll und kein Explosionsrisiko“ einhergingen.
Neuer Antrag der Union
Die CDU/CSU-Fraktion dringt in ihrem neuen Antrag auf einen eigenständigen Rechtsrahmen für Fusionskraftwerke in Deutschland und der Europäischen Union. In der Vorlage fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, „zeitnah einen Vorschlag für einen pragmatischen, innovationsfreundlichen und eigenständigen Rechtsrahmen für Fusionskraftwerke in Deutschland mit entsprechenden untergesetzlichen Sicherheitsrichtlinien zu erarbeiten“ und den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages vorzulegen.
Dabei soll die Regierung nach dem Willen der Fraktion klarstellen, „dass Fusionskraftwerke von den Bestimmungen des Atomgesetzes dezidiert ausgenommen sind“. Zudem soll sie sich nach der parlamentarischen Befassung dem Antrag zufolge auf europäischer Ebene für einen „ebenso pragmatischen wie innovationsfreundlichen regulatorischen Rahmen“ einsetzen.
Union fordert ein klares Signal
Thomas Jarzombek (CDU/CSU) machte zu Beginn seiner Rede auf den Unterschied zwischen Kernspaltung und Kernfusion aufmerksam. „Bei der Fusionstechnik gibt es kein Risiko für eine Kettenreaktion und den gefürchteten Super-GAU sowie kein Endlagerproblem mit Atommüll“, sagte er. Fusionsenergie könne vielmehr eine Quelle für unendliche Mengen an Energie sein, die CO2-arm bis CO2-frei erzeugt würden. Sie habe wenig Flächenverbrauch und stehe auch nicht in Konkurrenz zum Natur- und Artenschutz. Deutschland, so der Unionsabgeordnete, sei gut auf dem Gebiet der Erforschung der Fusionstechnologie. Das liege auch an Programmen, „die wir in 16 Jahren Union im Forschungsministerium sehr vorangetrieben haben“. Die geplanten Investitionen in Höhe von einer Milliarden Euro in den kommenden Jahren sei exakt die Fortschreibung dieser Programme. In diesem Jahr kämen jedoch lediglich 15 Millionen Euro hinzu, bemängelte er.
Jarzombek forderte, privates Geld für die Forschung zu akquirieren. Investoren könnten sich derzeit aber nicht sicher sein, ob es in Deutschland überhaupt erlaubt ist, ein Fusionskraftwerk zu bauen. Es brauche daher ein klares Signal, wie der Gesetzgebungsprozess für eine Regulierung der Fusionskraftwerke aussieht, sagte der Unionsabgeordnete.
FDP: Nachhaltige und sichere Zukunftstechnologie
Ein Dank an die Union für deren „klares Bekenntnis zur Fusionsforschung“ gab es von Ria Schröder (FDP). Daran müsse in Zukunft gemeinsam gearbeitet werden, „auch über die Legislaturperioden hinaus“. Klar sei, dass es bei der Energieversorgung nicht weitergehen könne, wie in der Vergangenheit. „Nie wieder dürfen wir uns in die Arme von Autokraten geben, die billiges Gas versprechen“, sagte sie. Deutschland müsse sich unabhängig machen und die Energieversorgung diversifizieren. Die Dekarbonisierung, so Schröder, entscheide darüber, „wie gut wir in Zukunft auf diesem Planeten leben werden“.
Bei der Neuaufstellung der Energieversorgung müsse auch ein Blick in die Zukunft gewagt werden. Ihre Fraktion sei überzeugt davon, dass Fusion als CO2-neutrale und unerschöpfliche Energiequelle einen wichtigen Beitrag für Resilienz und den Wohlstand von morgen leisten könne, sagte die FDP-Abgeordnete. Der Wettlauf um das erste Fusionskraftwerk habe längst begonnen. Es gehe nicht mehr darum, ob das Ziel erreicht wird, sondern wann und von wem. „Wir wollen die Technologieführerschaft bei dieser nachhaltigen und sicheren Zukunftstechnologie bei uns in Deutschland“, betonte Schröder.
SPD setzt auf erneuerbare Energien
Holger Mann (SPD) stellte Einigkeit unter allen Fraktionen fest, dass es Unterstützung für die Grundlagenforschung zur Fusionstechnologie brauche. Das Ergebnis der langjährigen Förderung durch die Bundesregierung sei„, dass wir in der Forschung zur Trägheitsfusion international Spitze sind“. Darum, so Mann, gehe es der Union aber nicht. Sie wolle vor der nächsten Bundestagswahl etwas in die Auslage zur Energiepolitik legen. „Das Kind soll heißen: Wir lösen alle Energieprobleme durch Kernfusion.“ Das Problem bei der Sache sei aber: „Der Vater heißt Autosuggestion und die Mutter Bilanzfälschung“, sagte der SPD-Abgeordnete.
Auch die Berufsoptimisten in der Branche gingen davon aus, dass es mindestens zehn Jahre zusätzlich eine Milliarde Euro bräuchte, um frühestens in 20 Jahren einen ersten Fusionsreaktor bauen zu können, der Strom liefere. Die Union überhöhe jede wissenschaftlich erwartbare Entwicklung und setze auf eine Energieerzeugung der Vergangenheit, sagte Mann. Die Zukunft der Energieversorgung seien aber die erneuerbaren Energien.
Grüne: Kernfusion ist keine Allzweckwaffe
Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen) sah das ebenfalls so. Die Kernfusion werde kurz- und mittelfristig keinen Beitrag zur Energiewende leisten können, befand sie. „Sie ist keine Allzweckwaffe gegen die Klimakrise.“ Die gute Nachricht aber sei: „Schon heute haben wir, Dank Spitzenforschung hierzulande, Technologien, die uns jetzt sicher, nachhaltig und bezahlbar mit Energie versorgen können“, sagte Stahr.
Daher müssten die erneuerbaren Energien weiterhin massiv ausgebaut und weiterentwickelt werden. Die Wärmewende müsse genauso wie die Verkehrswende vorangetrieben und zudem bessere Energiespeicher entwickelt werden. „Das ist der Weg zur Klimaneutralität. Dafür kämpfen wir Bündnisgrüne tagtäglich in der Koalition“, sagte sie. Gleichzeitig brauche es einen differenzierten Blick auf die Möglichkeiten der Kernfusion. Die Forschung dürfe nicht vernachlässigt werden, forderte Stahr. Auch weil sie möglicherweise Durchbrüche in anderen Bereichen wie etwa bei Supraleitern oder in der Lasertechnologie ermöglichen könnte.
AfD: Regierung fährt nur auf Sicht
„Zu wenig, zu zaghaft, zu spät“, sagte Prof. Dr. Michael Kaufmann (AfD) mit Blick auf den Antrag der Union. 16 Jahre hätten CDU und CSU Zeit gehabt, visionär und vorausschauend zu agieren und der Fusionsforschung den gebührenden Stellenwert einzuräumen. Erst in der Opposition und nachdem der weltweite Wettbewerb um die Technologieführerschaft eine rasante Dynamik entfaltet habe, entdecke die Union, „dass Deutschland einen Zahn zulegen und sich besser aufstellen muss“.
Die Bundesregierung, so Kaufmann weiter, mache den gleichen Fehler wie einst die Union und halte das Thema für nicht sonderlich relevant, „weil es einen langen Zeithorizont hat“. Die Regierung fahre stets nur auf Sicht und wurschtle sich irgendwie durch. Für wirklich zukunftssichere Themen sei daher kein Geld mehr da.
Gruppe Die Linke: Keine schnelle Lösung
Dr. Petra Sitte (Gruppe Die Linke) stellte klar, dass sie sich nicht zu den Gegnern der Fusionsforschung zähle. Fusionsenergie könne aber zur Bewältigung des Klimawandels aktuell nichts beitragen. Erst nach 2045 sei mit einem Prototyp für einen Fusionsreaktor zu rechnen.
Daher, so Sitte, müssten Ressourcen und Mittel auf eine erfolgreiche Energiewende zur Erreichung der Klimaziele konzentriert werden. Die Union hingegen wolle die Fusionsforschung zu Lasten dieser Ziele stärken. (des/hau/ste/27.02.2024)