Auswärtiges

Antrag zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern abgelehnt

Die CDU/CSU-Fraktion fordert „eine echte Zeitenwende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik“. Der entsprechende Antrag (20/10379) wurde am Donnerstag, 22. Februar 2024, im Bundestag debattiert, danach folgte auf Antrag der Union die namentliche Abstimmung. Das Ergebnis fiel deutlich aus: 182 Abgeordnete stimmten für die Vorlage, 479 Abgeordnete stimmten dagegen, bei fünf Enthaltungen.

Die Union forderte in ihrem Antrag eine Verschärfung des „Sanktionsregimes gegen Russland“. Zudem sollten russische Vermögenswerte, vor allem staatliche Devisenreserven im Ausland, im Rahmen des rechtlich Möglichen der Ukraine zugutekommen. Die dritte Forderung lautet: „unverzügliche Lieferung“ von in Deutschland verfügbaren Waffensystemen, vor allem Marschflugkörper Taurus, an die Ukraine. Vor allem dieser Punkt ist hochumstritten. Während es vor allem in der SPD Warnungen vor einer Eskalation des Konflikts durch eine Taurus-Lieferung gibt, werben Vertreter von CDU/CSU und mehrere Politiker von Grünen und FDP schon lange für die Bereitstellung des Waffensystems.

Union: Teile der Regierung bremsen weiter

Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Friedrich Merz (CDU/CSU), warb noch einmal für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Der nun seit zwei Jahren andauernde Krieg in der Ukraine habe „Tod und Zerstörung nach Europa gebracht“. Verantwortlich sei einzig der russische Präsident Wladimir Putin, der sich „weder an Vereinbarungen noch an internationale Abkommen hält“. Merz erinnerte an das Budapester Memorandum von 1994. Damals hatte die Ukraine auf ihre Atomwaffen verzichtet, und im Gegenzug hatte Russland der Ukraine Sicherheitsgarantien gegeben. „Doch Russland hat die Ukraine trotzdem überfallen“, sagte Merz. 

Zehn Jahre nach Annektion der Krim durch Russland und zwei Jahre nach dem Überfall auf die Ukraine „ist Russland unter Putin zur größten Gefahr für die Freiheit und den Frieden auf dem europäischen Kontinent nach dem zweiten Weltkrieg geworden“. Vor diesem Hintergrund sei die Bilanz der Ampelregierung und vor allem die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „zu wenig“. Scholz habe am 27. Februar 2022 eine „Zeitenwende“ in der Außen- und Sicherheitspolitik angekündigt. Das sei richtig gewesen, doch nun gelte es, die „Analysen endlich umzusetzen“. Leider würden Teile der Regierung weiter bremsen, vor allem was die Waffenlieferungen an die Ukraine betreffe.

SPD: Koalition hat Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht

Direkt darauf antwortete Ralf Stegner (SPD). Er widersprach der Kritik von Merz, die Bundesregierung setze die Zeitenwende nicht um. „Wir haben das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht“, sagte Stegner. 

Auch mit Auslaufen des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens für die Bundeswehr werde Deutschland nach 2027 das derzeit gültige Nato-Ziel erreichen und dauerhaft jährlich mindestens zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung investieren. Die Vorgängerregierungen hätten das „16 Jahre lang nichtgeschafft“, erinnerte Stegner.

FDP hebt Unterstützungsleistungen hervor

Dafür bekam er Unterstützung von Ulrich Lechte (FDP), auch er erinnerte die Union daran, dass CDU und CSU 16 Jahre lang den Verteidigungsminister gestellt hätten. „Die Folgen davon muss die Bundeswehr nun ausbaden“, sagte Lechte. Der Unionsantrag sei aus mehreren Gründen nicht zustimmungswürdig.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine habe Deutschland rund 28 Milliarden Euro Unterstützung an die Ukraine geschickt, davon alleine 18 Milliarden Euro für Militärgüter. Weitere 7,1 Milliarden Euro für Militärhilfen habe die Bundesregierung der Ukraine gerade erst zugesagt. Diese Beispiele machten deutliche, dass die „Zeitenwende nicht bloß angekündigt wurde, sondern dass wir das Vorhaben umsetzen“, sagte der Liberale.

Grüne: Ampel arbeitet an neuen Sicherheitsstrategien

Deborah Düring (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte den Unionsantrag stark. Eine Reflexion über Fehler, wie etwa den Bau der Gaspipeline North-Stream II, „hätte in dieser Diskussion gutgetan“. Doch leider zeige der Antrag, dass „Sie nicht aus ihren Fehlern lernen“, sagte Düring. Die Ampelregierung hingegen arbeite längst an neuen Sicherheitsstrategien, modernisiere die Bundeswehr und beziehe westliche Partner ein. 

Der Unionsantrag nenne auch nicht, woher das Geld für noch mehr Militärausgaben herkommen solle. Sicherheit bedeute „nicht nur militärische Hilfen“, sondern auch, dass Infrastruktur funktioniere, dass alle Menschen Zugang zu Nahrung und medizinischer Versorgunghätten, dass die Sicherheit des Menschen in den Fokus gestellt werde.

AfD für eine europäische Sicherheitsarchitektur 

Nach Meinung von Matthias Moosdorf (AfD) „können die Europäer nichts ohne die USA“. Der Krieg in der Ukraine zeige das in diesen Tagen deutlich, „dort spielen die USA die Hauptrolle“, sagte Moosdorf. Aus diesem Grund sei es derzeit unvorstellbar, an einem „gemeinsamen Haus Europa zu arbeiten“. Dabei sollten die EU-Staaten „selbstbestimmt handeln können“. 

Moosdorf warb für „eine eigene europäische Sicherheitsarchitektur jenseits der USA“, langfristig solle der Kontinent „auf die Unterstützung der USA in Sicherheitsfragen verzichten können“. Das gelte auch für die atomare Verteidigung des Kontinents, derzeit seien bis auf Großbritannien und Frankreich alle Länder in Europa „in dieser Frage komplett auf die USA angewiesen“.

Gruppe Die Linke: Diplomatische Lösungen suchen

Gregor Gysi (Gruppe Die Linke) nannte den Unionsantrag „eine Zeitenwende zu massiver Aufrüstung“. CDU/CSU forderten, anstatt zwei Prozent vier Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben, das hieße, Deutschland werde nicht 80 Milliarden Euro pro Jahr für die Bundeswehr ausgeben, sondern 160 Milliarden Euro pro Jahr. „Wollen Sie einen Zustand erreichen, bei dem für den sozialen Ausgleich überhaupt keine Mittel mehr zur Verfügung stehen?“, fragte Gysi. 

Er plädierte dafür, statt immer mehr Geld in Rüstungsprojekte zu stecken, sich „zu besinnen und diplomatische Lösungen zu suchen“. Es brauche eine „neue Friedensordnung in Europa, die in Zukunft Kriege mit Russland ausschließt“, sagte der Linken-Politiker.

Gruppe BSW kritisiert Eskalationsbereitschaft

Die schärfste Kritik kam von Sevim Dagdelen (Gruppe BSW), sie nannte den Unionsantrag eine Kriegserklärung an Russland. CDU/CSU setzten „auf Eskalation“ und wollten „die Schwelle einer direkten Kriegsbeteiligung Deutschlands überschreiten“.

Die Union strebe den „Einstieg in eine Kriegswirtschaft mit fast 200 Milliarden Euro pro Jahr an“, das wäre „das Ende des Sozialstaates in Deutschland“. Wie Gysi forderte auch Dagdelen „Friedensverhandlungen und die Rückkehr zur Diplomatie“.

Antrag der Union

Die Unionsfraktion setzt sich dafür ein, die Ukraine durch unverzügliche Lieferung von erbetenen und in Deutschland verfügbaren Waffensystemen, darunter den Marschflugkörper Taurus, sowie Munitionssorten im Kampf gegen Russland zu unterstützen. Das geht aus einem entsprechenden Antrag (20/10379) hervor. Darin schreiben die Abgeordneten, Russland sei mit seiner militaristischen und revanchistischen Außenpolitik eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit in ganz Europa und der Welt. Trotz dieser Bedrohungslage sei Deutschland von einem strategischen Paradigmenwechsel weit entfernt und die vom Bundeskanzler in seiner Rede vom 27. Februar 2022 ausgerufene „Zeitenwende“ über das Stadium der Ankündigung nicht hinausgekommen.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, „Russland als existentielle Bedrohung anzuerkennen, der Bevölkerung transparent die daraus abgeleiteten Herausforderungen zu erläutern und dadurch ein Bedrohungsbewusstsein zu schaffen“. Zu den Forderungen zählen unter anderem die Vorlage einer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie, die Schaffung eines Nationalen Sicherheitsrates, mehr Befugnisse für die Nachrichtendienste und weitere Vorkehrungen zur Sicherung von kritischer Infrastruktur und zur Aufrechterhaltung der Kommunikation staatlicher Stellen im Krisenfall. Außerdem solle der Verteidigungshaushalt stufenweise fortgeschrieben werden, damit Deutschland auch nach Ausschöpfung des Sondervermögens die Nato-2-Prozent-Zusage einhält. Die Finanzierung aller sicherheits- und verteidigungsrelevanten Bereiche soll nur unter Einhaltung der Schuldenbremse erfolgen, die Prioritäten im Bundeshaushalt sollen insgesamt neu geordnet werden.

Die Abgeordneten plädieren des Weiteren dafür, Verteidigung als gesamtstaatliche Aufgabe zu betrachten und „die Gesellschaft insgesamt wehrhafter zu machen und die Bürgerinnen und Bürger zur notwendigen Übernahme von mehr Eigenverantwortung zu unterstützen, beispielsweise durch Schulungen und Handreichungen im Bereich der Eigenvorsorge und Selbsthilfe“. Eine weitere Forderung zielt auf einer Verschärfung des Sanktionsregimes gegen Russland. Die Bundesregierung soll sich unter anderem dafür stark machen, dass russische Vermögenswerte, vor allem russische staatliche Devisenreserven im Ausland, im Rahmen des rechtlich Möglichen der Ukraine zugutekommen. (nki/ahe/22.02.2024)