Kontroverse Debatte zur Zukunft der deutschen Autoindustrie
Der Bundestag hat am Freitag, 1. Dezember 2023, erstmals einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Der Bundesminister für Digitales und Verkehr muss sein Versprechen einlösen – Kein Verbot des klimaneutralen Verbrennungsmotors“ (20/9322) beraten. Im Anschluss an die rund 80-minütige Aussprache wurde der Antrag zur weiteren Beratung an den federführenden Verkehrsausschuss überwiesen.
Die Unionsfraktion fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag unter anderem auf, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass bis Juni 2024 ein verbindliches Regelwerk geschaffen wird, das die Neuzulassung von ausschließlich mit klimafreundlichen Kraftstoffen betriebenen Fahrzeugen auch über das Jahr 2035 hinaus zulässt und diese somit vom Neuzulassungsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ausnimmt. Auch sollen klimafreundliche Kraftstoffe im Rahmen der CO₂-Flottengrenzwerte angerechnet werden können, sodass Neufahrzeuge (Pkw, Nutzfahrzeuge und Lkw) mit Verbrennungsmotoren zukünftig etwa mit E-Fuels CO₂-neutral genutzt werden können.
Union: Es geht um 900.000 Arbeitsplätze
Die Zukunft des klimaneutralen Verbrenners ist aus Sicht von Thomas Bareiß (CDU/CSU) „eine der wichtigsten industriepolitischen Weichenstellungen unserer Zeit“. Es gehe um 900.000 gute und hochbezahlte Arbeitsplätze in der exportstarken Automobilbranche.
Arbeitsplätze und die Zukunft der Branche seien aber massiv gefährdet, „weil diese Regierung nicht in die Gänge kommt“. Es gehe bei dem Thema aber auch um die Glaubwürdigkeit von Politik, und im Speziellen um die des Ministers Volker Wissing, sagte er bei der Debatte. Wissing habe sich schließlich noch im März vor dem Hintergrund einer zustimmenden Erklärung der EU-Kommission als Retter des Verbrenners und als Kämpfer für die Technologieoffenheit feiern lassen. Neun Monate nach diesen Versprechungen sei aber immer noch nichts Konkretes zu sehen, sagte Bareiß. Auf einen „verzweifelten Brief des Ministers“ nach Brüssel habe es bislang noch keine Antwort gegeben.
AfD: Autoindustrie steht am Abgrund
Dr. Dirk Spaniel (AfD) sieht die Autoindustrie in Deutschland am Abgrund stehen, wenn selbst VW sich dazu bekenne, nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Zurückzuführen sei dies auf das Versagen der Bundesregierung. „Ihre Politik der Subvention von Elektromobilität kommt offensichtlich bei den Herstellern nicht an“, sagte er. Die Menschen kauften in Deutschland keine E-Autos, weil diese „als Erstfahrzeug unpraktikabel und nicht nutzbar sind“.
Die AfD, so Spaniel, habe sich schon vor fünf Jahren dafür stark gemacht, dass E-Fuels auf die CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden. Der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe sich jedoch auf der europäischen Ebene nicht dafür eingesetzt.
SPD: CO2-Komponente bei der Dienstwagenbesteuerung
Isabel Cademartori (SPD) sieht den Erfolg der E-Mobilität als entscheidend für die deutschen Volkswirtschaft an. Für das Ziel, bis 2030 15 Millionen vollelektrische Pkw auf die Straßen zu bringen, sei unter anderem eine CO2-Komponente bei der Dienstwagenbesteuerung ein Vorschlag. Das sei eine Diskussionsgrundlage darüber, wie Investitionen in Technologie finanziert werden. Es sollten diejenigen bezahlen, die CO2 emittieren, teure Dienstwagen fahren und wirtschaftliche die Stärke haben, diese Investitionen zu tragen. E-Fuels bewertete Cademartori als in der Herstellung viel zu teuer. Sie müssten massiv subventioniert werden, was angesichts des von der Union erstrittenen Verfassungsgerichtsurteils schwer sei. Ob die Priorisierung, „soziale Kürzungen, um Porschefahrern die E-Fuels zu subventionierten“, bei der Bevölkerung gut ankommt, glaube sie nicht.
Grüne: E-Fuels effizient einsetzen
Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von purer Verschwendung. Mit der gleichen Menge an Energie, die für ein E-Fuel-Auto benötigt werde, könnten sieben E-Autos fahren, sagte er. Gegen einen Hochlauf der synthetischen Kraftstoffe hat er gleichwohl nichts.
Sie müssten aber dort eingesetzt werden, wo sie effizient sind: in Flugzeugen und Schiffen. Auch Gelbhaar warf der Union vor, auf der einen Seite für E-Fuels Fördergelder zu verlangen, sich aber auf der anderen Seite dagegen zu wehren, „finanzielle Spielräume im Haushalt zu schaffen“. Die Fördergelder für die E-Fuels-Strategie seien im Klima- und Transformationsfonds enthalten gewesen, sagte er.
Linke: Autokonzerne bauen die falschen Fahrzeuge
Wenn VW jetzt mit Stellenabbau drohe, so Bernd Riexinger (Die Linke), liege das an der Schwäche des Konzerns im Bereich der E-Autos. Die deutschen Autokonzerne bauten die falschen Fahrzeuge, sagte er. Sie seien zu teuer und zu groß und damit am Geldbeutel und Bedarf der meisten Menschen vorbei.
„Halbe Panzer auf den Straßen der Innenstädte, mit denen die meisten nicht einmal in ihre Garagen kommen, sind weder klimagerecht noch praktisch und auch nicht zukunftsgerecht“, befand er.
FDP: Wissing wird sein Versprechen einlösen
Bernd Reuther (FDP) versuchte, den Minister aus der Schusslinie zu nehmen. Selbstverständlich werde Wissing sein Versprechen einlösen, sagte er. Die FDP setze auf Technologieoffenheit. Das Ausspielen von Antriebsformen gegeneinander bringe nichts.
Der Union empfahl er, sich an die Präsidentin der EU-Kommission zu wenden und sie zu bitten, sich dafür einzusetzen. Ursula von der Leyen sei schließlich Mitglied der CDU. Reuther erinnerte auch daran, dass seine Fraktion zu dem Thema in der vergangenen Legislaturperiode Anträge gestellt habe, die aber von der Union abgelehnt worden seien. Als aktuellen Gamechanger bezeichnete der FDP-Abgeordnete das Thema Dienstwagenbesteuerung. Wenn die Unternehmen ihre großen Dienstwagenflotten komplett umstellen, werde Elektromobilität vorangetrieben.
Antrag der CDU/CSU
Mit ihrem Antrag wollen die Abgeordneten der Union zudem, dass bei der Bewertung der CO₂-Bilanz von Fahrzeugen der gesamte Lebenszyklus eines Fahrzeuges in den Blick genommen wird und dass statt einer „die CO₂-Bilanz-verschleiernden Tank-to-Wheel-Betrachtung“ eine alle Einflussfaktoren berücksichtigende „Cradle-to-Grave-Betrachtung“ herangezogen wird.
Darüber hinaus solle eine Quote von 70 Prozent Emissionsminderung bei klimafreundlichen Kraftstoffen im Vergleich zu konventionellen Benzin- oder Dieselkraftstoffen erreicht werden. Das Ziel „guter und bezahlbarer Mobilität“ müsse zur obersten Maxime in der europäischen und nationalen Gesetzgebung im Bereich der klimafreundlichen Individualmobilität werden.
„Alternativen zur Elektromobilität anerkennen“
Ferner tritt die Fraktion für einen technologieoffenen Ansatz mit gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle klimafreundlichen Antriebssystemen ein. Klimafreundliche Alternativen zur batteriebetriebenen Elektromobilität, etwa Wasserstoffverbrenner und klimafreundliche Kraftstoffe, sollten nach dem Willen der Abgeordneten gleichermaßen anerkannt werden.
Die Regierung solle eine Strategie zur Förderung eines Kraftstoff-Markthochlaufs erarbeiten und für Rechtssicherheit, nachvollziehbare Investitionsbedingungen und faire Regulierungen sorgen. Schließlich solle die Umstellung von fossilen Kraftstoffen hin zu klimafreundlichen Kraftstoffen deutlich beschleunigt werden, verlangt die Fraktion. (hau/vom/ste/01.12.2023)