Vor 10 Jahren: Deutscher Bundestag setzt erstmals Hauptausschuss ein
Vor 10 Jahren, am 28. November 2013, hat der Deutsche Bundestag zum ersten Mal die Einsetzung eines Hauptausschusses beschlossen. Nach der Bundestagswahl zum 18. Deutschen Bundestag am 22. September 2013 hatte die bis dahin regierende Koalition aus CDU/CSU und FDP ihre Mehrheit verloren. Die FDP war nicht wieder in den Bundestag gewählt worden und Union und SPD verhandelten über eine Regierungskoalition.
Da bis zur Regierungsbildung weder Ressortzuschnitte noch Personal der neuen Regierung bekannt waren und die Fachausschüsse des Bundestages ebenso zugeschnitten werden wie die Ressorts der Bundesregierung, sollte nach dem Willen von Union und SPD für die Zeit bis zur Konstituierung der ständigen Ausschüsse ein sogenannter Hauptausschuss eingesetzt werden (18/101), der vorübergehend alle Fachausschüsse, die normalerweise für die detaillierten Beratungen von Gesetzentwürfen und Anträgen zuständig sind, ersetzt.
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kritisierten die Einsetzung des von der Union und SPD vorgeschlagenen neuen Gremiums. Zwar waren sich alle Fraktionen darin einig, dass der Bundestag auch in der Phase der Bildung von Koalitionen und Regierungen verhandlungsfähig sein und seinen Aufgaben nachkommen können muss. In der Frage der Umsetzung aber gingen die Ansichten auseinander.
Linke: Hauptausschuss ist verfassungswidrig
Ein solches Gremium sei weder im Grundgesetz noch in der Geschäftsordnung des Bundestages vorgesehen und daher verfassungswidrig, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Dr. Petra Sitte.
Die Linke hatte stattdessen vorgeschlagen, die Ausschüsse einzusetzen, die nach dem Haushaltsgesetz und nach der Geschäftsordnung des Bundestages vorgesehen sind und weiterhin die Ausschüsse einzusetzen, die seit mindestens der dritten Legislaturperiode in genau diesem Zuschnitt existieren. Ein entsprechender Antrag der Linksfraktion auf Einsetzung von zunächst neun Ausschüssen (18/54) war bereits in der vorherigen zweiten Plenarsitzung, am 18. November 2013, ohne Aussprache abgelehnt worden.
Grüne: Hauptausschuss ist nicht ausreichend
Für Bündnis 90/Die Grünen war ein Hauptausschuss nicht ausreichend, um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicherzustellen.
Sie hatte stattdessen vorgeschlagen entsprechend der Ausschussstruktur und Ausschussgröße der vorangegangenen 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages 22 Ausschüsse einzusetzen (18/102). „Bei allem Verständnis für Basisarbeit, Basisbefragungen und Mitgliederentscheid: Ich finde, das Parlament kann nicht so lange warten. Wir wollen hier arbeiten, und wir wollen nicht länger im Stand-by-Modus sein“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann.
CDU/CSU, SPD: Hauptausschuss verbessert Handlungsfähigkeit
CDU/CSU und SDP lehnten den Antrag der Grünen als zu aufwändig ab, da vor der Regierungsbildung weder Ressortzuschnitte noch Personal der neuen Regierung bekannt seien. Der Antrag sei „jenseits jeglicher Parlamentspraxis“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion Michael Grosse-Brömer. Die Einsetzung des Hauptausschusses hingegen sei eine gute Lösung, „damit die parlamentarische Arbeit, damit die Ausschussarbeit besser als in den letzten Jahrzehnten organisiert und durchgeführt werden können“. Abschließend betonte er: „Dieser Hauptausschuss ermöglicht allen Fraktionen die effiziente Mitarbeit bei der Gesetzesvorbereitung.“
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Thomas Oppermann verwies darauf, dass die Handlungsfähigkeit des Parlaments mit der Einsetzung eines Hauptausschusses, besser als es bisher üblich war, sichergestellt wäre. Außerdem stellte er fest: „Der Hauptausschuss ist natürlich nicht grundgesetzwidrig. Das ist ein Ausschuss, in dem das Parlament jetzt für einen kurzen Zeitraum entscheidet, wie es seine Arbeit organisiert.“
Hauptausschuss konstituiert
Noch am selben Tag kam der mit den Stimmen der Union und SPD gegen die Stimmen der Linken und Bündnis 90/Die Grünen beschlossene Hauptausschuss zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU) eröffnete die erste Sitzung des Gremiums.
Dem Ausschuss gehörten je 47 ordentliche und stellvertretende Mitglieder an, 23 Abgeordnete der Unionsfraktion, 14 Mitglieder der SPD-Fraktion und jeweils fünf Parlamentarier von der Linksfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Den Vorsitz des 1. Hauptausschusses in der 18. Wahlperiode übernahm Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU/CSU) oder einer seiner Stellvertreter ohne Stimmrecht. Das Gremium war übergangsweise zuständig für die Beratung von Vorlagen, die ihm vom Bundestag überwiesen wurden. Die Tätigkeit des ersten Hauptausschusses endete mit Konstituierung der 22 ständigen Ausschüsse am 15. Januar 2014.
Einsetzung auch 2017 und 2021
Nach der Bundestagswahl 2017 hat der Bundestag am 21. November 2017 auf Antrag von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen (19/85) erneut beschlossen, für die Zeit bis zur Konstituierung der ständigen Ausschüsse einen Hauptausschuss mit je 47 ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern einzusetzen. Er ist mit der Konstituierung der 23 ständigen Ausschüsse am 31. Januar 2018 aufgelöst worden.
Auch für die Zeit nach der Bundestagswahl 2021 hat das Parlament am 11. November 2021 auf Antrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (20/26) einen Hauptausschuss mit je 31 ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern eingesetzt. Er ist mit der Konstituierung der 25 ständigen Ausschüsse am 15. Dezember 2021 aufgelöst worden. (klz/22.11.2023)