Entwurf will schnellere Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich
Der Bundestag hat am Donnerstag, 22. Juni 2023, erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021 / 1187 über die Straffung von Maßnahmen zur rascheren Verwirklichung des transeuropäischen Verkehrsnetzes (20/6879) beraten. Im Anschluss an die Aussprache wurde die Vorlage zur federführenden Beratung in den Verkehrsausschuss überwiesen.
Verkehrsminister: Fokus liegt auf der Schiene
Planungszeiten von sieben Jahren bei Radwegen und 20 Jahren bei Schienentrassen könne sich ein führender Standort wie Deutschland nicht leisten, sagte Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) zu Beginn der Debatte. Deshalb habe die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem ein großer Schritt zu schnelleren Genehmigungsverfahren gegangen werde.
Dazu soll laut Wissing ausgewählten Schienen- und Straßenbauprojekten ein überragendes öffentliches Interesse attestiert werden. Bei Abwägungsentscheidungen im Laufe des Genehmigungsverfahrens erhielten diese Infrastrukturprojekte so ein stärkeres Gewicht als bisher. Bei Straßenprojekten müsse es sich um Engpassbeseitigungen handeln, zudem sollen marode Brücken schneller ersetzt werden. Der besondere Fokus des Gesetzes, so der Minister, liege aber auf der Schiene. Die für den Deutschlandtakt benötigten Projekte wolle er gesetzlich verankern.
Union nennt Ampel-Entwurf einen „Papiertiger“
Felix Schreiner (CDU/CSU) zeigte sich enttäuscht von dem nach „monatelangem Streit in der Ampelkoalition“ vorgelegten Gesetzentwurf. „Wir haben ein Gesetz erwartet, mit dem die schnellere Umsetzung von Verkehrsinfrastrukturprojekten wirklich vorangebracht wird.“ Vorgelegt worden sei aber lediglich „ein Papiertiger, der nie zum Fliegen kommen kann“, sagte Schreiner. In Deutschland gebe es kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.
Die mit dem Gesetz geplanten Maßnahmen könnten nicht ihre Wirkung entfalten. „Sie haben es nicht geschafft, die Systematik des LNG-Beschleunigungsgesetzes auf den Gesetzentwurf zu übertragen, weil sie von Grün und Rot wieder einmal ausgebremst wurden“, sagte der Unionsabgeordnete an Minister Wissing gewandt.
SPD: Wir verlieren zu viel Zeit
Detlef Müller (SPD) verwies auf die insgesamt vier Planungs- und Beschleunigungsgesetze der vergangenen Legislaturperiode. Dennoch, so konstatierte er, dauerten Infrastrukturvorhaben in Deutschland immer noch zu lange. „Insbesondere auf dem Weg zum Planfeststellungsbeschluss verlieren wir viel zu viel Zeit“, sagte Müller. „Diese Zeit haben wir nicht und dürfen wir uns auch nicht nehmen, wenn wir unsere klimapolitischen Ziele im Verkehrssektor erreichen wollen.“
Daher brauche es die Deutschland-Geschwindigkeit auch im Verkehrsbereich. Die meisten der betroffenen Maßnahmen beträfen die Schiene und dabei die Umsetzung des Deutschlandtakts. Müller warnte vor einem Sankt-Florian-Prinzip. Grundsätzlich für die Verkehrswende zu sein und auch den Deutschlandtakt zu wollen, aber dann zu sagen: „Nicht bei mir“, helfe nicht und setze die Zukunftsfähigkeit Deutschlands aufs Spiel.
AfD: Infrastruktur ist in erbärmlichem Zustand
Dr. Dirk Spaniel (AfD) sagte mit Blick auf seine beiden Vorredner, die Infrastruktur in Deutschland sei in einem erbärmlichen Zustand. Verantwortlich dafür seien Union und SPD, die die Regierung in den letzten beiden Legislaturperioden gestellt hätten. „Das ist keine politische Ehrlichkeit“, urteilte er. Den Bundesverkehrsminister lobte der AfD-Abgeordneten dafür, die SPD weiter getrieben zu haben „als es die Union in den letzten Jahren geschafft hat“.
Kritik übte Spaniel an der „willkürlichen Projektauswahl“. Nur für wenige Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan 2030 solle das überragende öffentliche Interesse gelten. Wie schnellere Planung möglich ist, sei bekannt. Bei den Projekten der Deutschen Einheit sei dies gelungen, wie auch bei dem LNG-Gesetz. Wer diese Maßnahmen nicht flächendeckend anwendet, wolle gar keinen Ausbau und keine Modernisierung der Straßeninfrastruktur, sagte Spaniel.
Grüne: Klimaschutzlücke im Verkehr ist enorm
Es gelte zu entscheiden und zu priorisieren, sagte Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen). „Wer gleichzeitig ganz viel beschleunigen will, der beschleunigt am Ende nichts“, so Gelbhaar. Daher müsse auch bei dem Gesetz noch priorisiert werden. Das Motto müsse lauten: nicht verzetteln, sondern nachschärfen. „Wir müssen die Projekte beschleunigen, die dem Schutz unserer Lebensgrundlage dienen“, betonte der Grünenabgeordnete. Klima, Umwelt und Natur gehörten dazu. „Die Klimaschutzlücke im Verkehr ist enorm“, sagte er.
Mehr Tempo brauche es beispielsweise bei der Elektrifizierung der Bahn. Schnell und massiv ausgebaut werden müsse auch die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.
Linke für mehr Personal in den Behörden
Zu sagen, man müsse nur die Bürokratie abbauen, um schneller planen und bauen zu können, sei seiner Fraktion zu populistisch, sagte Thomas Lutze (Die Linke). Schließlich hätten die Bürger Beteiligungs- und Klagerechte. Diese sollen nun durch das Gesetz gekürzt werden. „Bei dieser Form des Bürokratieabbaus, also dem Abbau der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, machen wir nicht mit“, machte er deutlich.
Das Grundproblem der langen Verfahrensdauer müsse gleichwohl im Auge behandelt werden. Um wirksam dagegen angehen zu können, müsse dafür Sorge getragen werden, „dass in den Behörden wieder genügend Personal vorhanden ist, damit die Anträge ordnungsgemäß und zeitnah bearbeitet werden können“.
FDP will „Beschleunigungsturbo“
Das auf den Weg gebrachte Gesetz verdiene durchaus seinen Namen, befand Bernd Reuther (FDP). Für seine Fraktion wolle er mit aller Deutlichkeit sagen: „Wir wollen einen Beschleunigungsturbo, der für alle Verkehrsträger gilt.“
Im parlamentarischen Verfahren, so kündigte er an, „werden wir dieses bereits sehr gute Gesetz noch einen Tacken besser machen“.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Regierungsentwurf sieht Änderungen des Bundesfernstraßengesetzes, des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, des Bundesschienenwegeausbaugesetzes, des Bundeswasserstraßengesetzes, des Luftverkehrsgesetzes, des Wasserhaushaltsgesetzes, des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes, des Investitionsgesetzes Kohleregionen sowie des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung vor.
Die Änderungen des Bundesfernstraßengesetzes enthalten Regelungen, die die Verfahren für Ersatzneubauten bei Brückenbauwerken der Bundesfernstraßen vereinfachen und beschleunigen, für erneuerbare Energie auf Bundesautobahnen, zur Digitalisierung des Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahrens, zur Ausweitung von Duldungspflichten und einer frühzeitigeren vorzeitigen Besitzeinweisung, eine Fortschreibung der Vorhabenliste zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, Erleichterungen für den Bau von Windenergie- und Solaranlagen entlang von Bundesfernstraßen, Gebührenregelungen für anbaurechtliche Verfahren, Regelungen zur Abwicklung des Grunderwerbs sowie eine Regelung zur Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde bei ländergrenzenüberschreitenden Vorhaben.
Darüber hinaus soll die in der EU-Richtlinie 2021 / 1187 enthaltene Vierjahresfrist für Genehmigungsverfahren in deutsches Recht umgesetzt werden. Auch will die Regierung Erleichterungen für den Bau von straßenbegleitenden Radwegen an Bundesstraßen schaffen.
Fernstraßenausbau und Eisenbahn
Im Fernstraßenausbaugesetz soll festgelegt werden, dass der Bau oder die Änderung einer Bundesfernstraße, die in der neuen Anlage 2 aufgeführt ist und die mit dem Zusatz „Engpassbeseitigung“ fest disponiert ist oder für die der Bedarfsplan einen vordringlichen Bedarf mit dem Zusatz „Engpassbeseitigung“ feststellt, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt.
Die Änderungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes beinhalten Regelungen zur Digitalisierung der Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren, zur Ausweitung von Duldungspflichten und einer frühzeitigeren vorzeitigen Besitzeinweisung. Darüber hinaus kann die Planfeststellungsbehörde in bestimmten Fällen eine Entscheidung über die planfestgestellten Verkehrsanlagen vorbehaltlich des Lärmschutzes treffen. Des Weiteren soll die in der genannten EU-Richtlinie enthaltene Vierjahresfrist für Genehmigungsverfahren in deutsches Recht umgesetzt werden.
Schienenwegeausbau und Wasserstraßen
Im Bundesschienenwegeausbaugesetz will die Regierung festlegen, dass der Bau oder die Änderung eines Bundesschienenweges, der fest disponiert ist oder für den der Bedarfsplan einen vordringlichen Bedarf feststellt, im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt.
Zudem sollen die in der Anlage zu Paragraf 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes genannten Vorhaben im Ergebnis der Bewertung des potenziellen Bedarfs im Hinblick auf den für die Bedarfsfeststellung erforderlichen „räumlichen und sachlichen Umgriff“ konkretisiert sowie Anpassungen an den Projektfortschritt vorgenommen werden.
Die Änderungen des Bundeswasserstraßengesetzes beinhalten Regelungen zur Digitalisierung der Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren, zur Ausweitung von Duldungspflichten, einer frühzeitigeren vorzeitigen Besitzeinweisung sowie eine Erweiterung der Anlage 2 um Bundeswasserstraßen mit erstinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts.
Brücken-Ersatzneubau ohne Umweltverträglichkeitsprüfung
Ferner wird die in der genannten EU-Richtlinie enthaltene Vierjahresfrist für Genehmigungsverfahren im Bundeswasserstraßengesetz, im Luftverkehrsgesetz und im Wasserhaushalsgesetz umgesetzt. Die Änderungen des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes und des Investitionsgesetzes Kohleregionen betreffen Folgeänderungen sowie redaktionelle Anpassungen.
Im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung will die Regierung regeln, dass beim Ersatzneubau von Brücken der Bundesfernstraßen unter bestimmten Voraussetzungen keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist. Gleiches soll in bestimmten Fällen für straßenbegleitende Radwege an Bundesstraßen gelten. (hau/vom/22.06.2023)