Der Bundestag hat am Freitag, 17. November 2023, den Gesetzentwurf der Bundesregierung für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze (20/8654) in der vom Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen geänderten Fassung (20/9344) angenommen. Dafür stimmten SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, dagegen die CDU/CSU, die AfD und die Linksfraktion. Zur Abstimmung lag auch ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit vor (20/9369).
Einführung einer flächendeckenden Wärmeplanung
Mit dem Gesetzentwurf werden die rechtlichen Grundlagen für die verbindliche Einführung einer flächendeckenden Wärmeplanung schaffen. Er ergänzt die im September beschlossene Novelle des Gebäudeenergiegesetzes („Heizungsgesetz“) und tritt wie diese am 1. Januar 2024 in Kraft. Ziel ist es, die Versorgung mit Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme auf Treibhausgasneutralität umzustellen, damit die Klimaschutzziele der Bundesregierung bis 2045 erreicht werden können.
Konkret werden die Bundesländer verpflichtet, auf ihrem Gebiet eine Wärmeplanung durchzuführen. Bis 2030 soll die Hälfte der leitungsgebundenen Wärme klimaneutral erzeugt werden. Den Betreibern bestehender Wärmenetze wird vorgegeben, die Wärmenetze bis 2030 mindestens zu 30 Prozent und bis 2040 zu 80 Prozent mit Wärme zu speisen, die aus erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme hergestellt wurde. Für neue Wärmenetze wird ein entsprechender Anteil von 65 Prozent verlangt.
SPD: Koalition beweist Handlungsfähigkeit
In der Aussprache sagte Bernhard Daldrup (SPD), mit diesem Gesetz beweise die Koalition ihre Handlungsfähigkeit. Gebraucht werde Tempo und Effizienz in der Klimapolitik, die Bürger erhielten nun Klarheit für ihre Entscheidung zur Wärmeversorgung der eigenen vier Wände.
Daldrup betonte, dies sei ein „schlankes Gesetz“, das bei den erneuerbaren Energien technologieoffen sei. An die Union gerichtet sagte der SPD-Abgeordnete, man könne nicht Zeitdruck beklagen und mehr Tempo verlangen. „Wir helfen mit Milliardenbeträgen aus dem Klima- und Transformationsfonds“, so Daldrup.
CDU/CSU: Die Verunsicherung wird bleiben
Demgegenüber argumentierte der CDU-Abgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak, bei diesem Gesetz handele es sich nicht um „seriöse Arbeit“. Es sei ein strategischer Fehler der Koalition gewesen, das Heizungsgesetz vor der Wärmeplanung zu bringen, diese Reihenfolge sei falsch. Die Wärmeplanung sei zenraler Bezugspuinkt für die Rechtspflichten aus dem Heizungsgesetz.
Gesetzliche Unklarheiten werden aus Sicht Luczaks durch das Gesetz nicht aufgelöst, die Fristen für die Kommunen seien viel zu kurz. Die Verunsicherung bei den Menschen werde bleiben. Es handele sich um ein handwerklich schlechtes Gesetz, so Luczak.
FDP: Gesetz ist ein Meilenstein
Von einem „Meilenstein“ sprach hingegen Daniel Föst (FDP). Das Heizungsgesetz gelte für Bestandsbauten erst nach Vorliegen der Wärmeplanung, sagte er an die Adresse Luczaks. Lediglich für Neubauten gelte es bereits ab 2024.
Man habe im Gegensatz zur Union Vertrauen in die kommunale Ebene, fügte Föst hinzu. Die Union baue einen Popanz auf und zeige Misstrauen gegenüber den Bürgermeistern.
Grüne: Planungssicherheit und Verlässlichkeit
Für Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen) schafft das Gesetz Planungssicherheit und Verlässlichkeit für Industrie, Handwerk und Kommunen. Beim Heizungstausch gebe es eine Förderung von bis zu 70 Prozent. Geschwindigkeit lohne sich auch bei der Gebäudesanierung, da die Zuschüsse für Fenstertausch und die Dämmung von Wänden und Dach erhöht würden.
Mit dem Gesetz werde Planungs- und Investitionssicherheit für die Kommunen geschaffen. Wichtig sei, dass die Klimaverpflichtungen eingehalten und die Kommunen nicht überfordert werden. In großen Städten gebe es bis Sommer 2026 Klarheit über die Wärmeplanung, in kleineren Kommunen bis Sommer 2028, sagte Verlinden. Den Wärmenetzbetreibern werde vorgegeben, erneuerbare Energien in das Netz zu integrieren und Abwärme zu verwenden. „Wir haben das richtige Fundament gelegt“, so die Abgeordnete.
AfD: Weg in die Knechtschaft
Nach Ansicht von Carolin Bachmann (AfD) haben die Kommunen weder das Geld noch das Personal für die Wärmeplanung. Mit dem Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, werde die Koalition scheitern, prognostizierte sie. Ein Ausweg wäre aus ihrer Sicht die Rückkehr zur Kernenergie.
Mit diesem Wärmeplanungsgesetz zeige die Regierung ihr „planwirtschaftliches Antlitz“, betonte Bachmann und sprach vom „Weg in die ökosozialistische Knechtschaft“.
Linke zweifelt am Erfolg des Gesetzes
Ralph Lenkert (Die Linke) nannte es mehr als fraglich, ob dieses Gesetz angesichts der Geldknappheit der Kommunen und des Mangels an Fachpersonal klappt. Ohne Wärmeplanung bleibe für Hausbesitzer und Mieter nicht abschätzbar, welche Heizart für sie künftig sinnvoll ist. Dort, wo Wärmenetze verfügbar seien, müssten diese erste Wahl sein.
Nur in Einfamilienhaussiedlungen am Ortsrand, wo kein Gasnetz liegt und Wärmenetze unrentabel sind, könne man sofort entscheiden und die Förderung inklusive Springer-Bonus beim Einbau einer Wärmepumpe kassieren. Alle anderen müssten unverschuldet warten und erhielten eine geringere Förderung. „Das ist ungerecht“, so Lenkert.
Wärmepläne in Städten und Gemeinden
Ergebnis der Wärmeplanung sind Wärmepläne, die in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern bis Ende Juni 2026 und in kleineren Städten und Gemeinden bis Ende Juni 2028 erstellt werden müssen. Für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern können die Länder ein vereinfachtes Verfahren vorsehen. Auch können mehrere Gemeinden eine gemeinsame Wärmeplanung vornehmen. Bis Ende 2044 muss jedes Wärmenetz vollständig mit Wärme aus erneuerbaren Energien, aus unvermeidbarer Abwärme oder aus einer Kombination daraus gespeist werden.
Zu den vom Bauausschuss vorgenommenen Änderungen zählt die Modifikation und Ergänzung mehrerer Regelungen im Wärmeplanungsgesetz. Unter anderem wird der Anteil der Biomasse an der jährlich erzeugten Wärmemenge in Wärmenetzen von mehr als 50 Kilometern Länge ab 2045 auf maximal 15 Prozent begrenzt. Gestrichen wurde die Vorgabe, dass der Biomasse-Anteil bei einer Netzlänge von 20 bis 50 Kilometern auf 25 Prozent begrenzt werden soll.
Privilegierung von Biomasse im Außenbereich
Der Gesetzentwurf enthält auch Änderungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und des Baugesetzbuches. So soll die energetische Nutzung von Biomasse im baulichen Außenbereich planungsrechtlich erleichtert werden. Dazu erhält der Paragraf 246d des Baugesetzbuches Sonderregelungen, die bis Ende 2028 befristet sind.
Privilegiert werden sollen Vorhaben, die der Aufbereitung von Biogas zu Biomethan dienen oder die mit bestimmten Vorgaben als Blockheizkraftwerk Strom oder Wärme erzeugen. Die Befristung bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende ein Antrag eingegangen sein muss.
Gesetzesänderung nach Bundesverwaltungsgericht-Urteil
Zum zweiten wird der Paragraf 13b im Baugesetzbuch gestrichen und durch einen neuen Paragrafen 215a ersetzt. Nach Paragraf 13b konnten Außenbereichsflächen unter bestimmten Voraussetzungen im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung überplant werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 18. Juli 2023 einen solchen Bebauungsplan für unwirksam erklärt und dies mit der Unvereinbarkeit mit EU-Recht begründet.
Paragraf 215a soll es nun ermöglichen, nach 13b begonnene Planverfahren geordnet zu Ende zu führen und abgeschlossene Pläne, die an einem beachtlichen Fehler leiden und unwirksam sind, im ergänzenden Verfahren in Kraft zu setzen. Schließlich sollen Naturerfahrungsräume künftig nicht nur in Bebauungsplänen, sondern bereits in Flächennutzungsplänen festgesetzt werden können.
Entschließungsanträge der Unionsfraktion abgelehnt
Der Bundestag lehnte zwei Entschließungsanträge der Unionsfraktion ab. Im ersten (20/9350), bei dem sich die AfD-Fraktion enthielt, wurde die Regierung unter anderem aufgefordert, das Heizungsgesetz zurückzunehmen und mit einem „umsetzbaren, technologieoffenen Wärmeplanungsgesetz“ neu vorzulegen. Dabei sollte sie sich an den Interessen und Möglichkeiten der Kommunen und den Besonderheiten ländlicher Räume zu orientieren.
Im zweiten Entschließungsantrag (20/9351), den alle anderen Fraktionen ablehnten, wurde verlangt, den Paragrafen 13b unter Beachtung von EU-Recht zu reaktivieren und die schnelle, unbürokratische Aufstellung von Bebauungsplänen am Ortsrand zu ermöglichen.
AfD-Antrag abgelehnt
Ebenfalls gegen die Stimmen der Antragsteller lehnte der Ausschuss einen Antrag der AfD-Fraktion (20/8742) ab, eine „sichere, lückenlose und bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten“. Dazu sei die Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken sowie eine Belieferung durch Pipeline-Gas, inklusive der Nord-Stream-Pipeline, nötig.
Zudem solle die Pflicht für alle Kommunen, eine Wärmeplanung aufzustellen, aufgehoben werden und „der Anschlusszwang für Fernwärmenetze“ beendet werden. Das Wärmeplanungsgesetz solle im Bundestag nicht weiter vorangetrieben werden. Auch sei auf die Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes hinzuwirken, heißt es in dem Antrag. (vom/17.11.2023)