China-Strategie der Bundesregierung im Parlament beraten
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat vor einer wachsenden Gefahr von Konflikten mit China gewarnt. „China verändert sich als Partner, als Wettbewerber und zunehmend als systemischer Rivale“, sagte Baerbock am Donnerstag, 28. September 2023, im Bundestag in der Debatte über die China-Strategie der Bundesregierung (20/7770). Mit der Strategie gebe die Bundesregierung den Beziehungen zur Volksrepublik erstmals einen festen Rahmen, sagte Baerbock. „Wir wollen überall dort kooperieren, wo das möglich ist – aber auf Grundlage fairer Regeln.“
Union wirft Koalition „ideologische Scheuklappen“ vor
Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) nannte den Aufstieg Chinas die „zentrale epochale Herausforderung des 21. Jahrhunderts“. Das Land verfolge unter Präsident Xi Jinping das Ziel einer sinozentrischen Weltordnung und „stellt sich damit in einen Gegensatz mit uns, die wir eine werte- und regelbasierte Weltordnung verteidigen und gestalten wollen“.
Der Koalition warf Wadephul „ideologische Scheuklappen“ vor. Das gelte für die Suche nach „schwierigen“ aber „notwendigen“ Partnern wie Saudi-Arabien genauso wie für ein Handelsabkommen mit Südamerika. „Die chinapolitische Zeitenwende der Bundesregierung – sie steht aus.“
SPD für Dialog und „kritische Partnerschaft“ mit China
Michael Müller (SPD) sprach von der Sorge einer zunehmenden Konfrontation Chinas und der USA. Es gehe dabei nicht allein um das Thema Taiwan und die Halbleiter, sondern um einen Machtanspruch im Indopazifik, um Handelswege, Ressourcen und die Machtverteilung in diesem geopolitischen Raum für die nächsten hundert Jahre.
Es brauche Formate, die das Risiko einer Eskalation „vermindern und im besten Falle verhindern“, sagte Müller. Die China-Strategie sei eine gute Grundlage, um Interessen und Ziele formulieren, „aber weiterhin mit China im Dialog und einer kritischen Partnerschaft zu bleiben“.
AfD warnt vor neuer Abgrenzung
Petr Bystron (AfD) sprach von einer Kehrtwende: Das Papier breche mit der Kontinuität der deutschen Außenpolitik der Nachkriegszeit, es gehe nicht um Weiterentwicklung der Beziehungen mit dem wichtigsten Handelspartner, sondern um neue Abgrenzung.
„Sie bauen eine neue chinesische Mauer, statt die Seidenstraße weiter auszubauen.“ Die Bundesregierung folge damit blind den Vereinigten Staaten, denen China zu mächtig geworden sei.
FDP will Abbau von Verflechtungen in kritischen Bereichen
Ulrich Lechte (FDP) kritisierte, dass China mit militärischen Drohgebärden im Indopazifik eine Vormachtstellung beanspruche. „Nach der bitteren Erfahrung mit Russland, welches die langjährige Freundschaft und wirtschaftliche Partnerschaft mit dem Angriff auf die Ukraine mit Füßen getreten hat, müssen wir bei unserem bisherigen Freund und Partner China leider nun umso mehr auf der Hut sein.“
Es gehe dabei nicht um „Entkopplung“ von China, sondern um den Abbau von Verflechtungen in kritischen Bereichen, etwa um das Entfernen von Huawei-Komponenten in der kritischen Infrastruktur.
Linke: Kooperation schafft Sicherheit
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) nannte den China-Kurs der Bundesregierung „ein Spiel mit dem Feuer“. Diese sehe in China einen Rivalen und eine Gefahr, dabei müsse es darum gehen, China weiter als Partner zu sehen, und dort, wo es nötig ist, als Partner zurückgewinnen. „Kooperation schafft Sicherheit, Wirtschaftskrieg schafft Unsicherheit.“
Nach dem ersten Standbein der deutschen Wirtschaft, „billigem Gas aus Russland“, solle nun auch das zweite Standbein, der Handel mit China, wegfallen. „Ersatzbeine gibt es aber weit und breit nicht.“
China-Strategie der Bundesregierung
Die als Unterrichtung vorliegende Strategie wurde im Anschluss an die Debatte zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen, die Federführung übernimmt der Auswärtige Ausschuss. Wie es in dem Papier heißt, will die Bundesregierung die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit China „fairer, nachhaltiger und reziproker“ gestalten, in der Volksrepublik sieht sie einen „Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen“. „China ist Deutschlands größter einzelner Handelspartner, wobei Abhängigkeiten Chinas von Europa stetig abnehmen, während Deutschlands Abhängigkeiten von China in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen haben.“
Die systemische Rivalität zeige sich darin, dass Deutschland und China in wichtigen Bereichen unterschiedliche Vorstellungen über die Prinzipien der internationalen Ordnung hätten. Mit Sorge betrachte die Bundesregierung Bestrebungen Chinas, die internationale Ordnung entlang der Interessen seines Einparteiensystems zu beeinflussen und dabei auch Grundfesten der regelbasierten Ordnung, wie etwa die Stellung der Menschenrechte, zu relativieren. Chinas Entscheidung, das Verhältnis zu Russland auszubauen, sei für Deutschland von unmittelbarer sicherheitspolitischer Bedeutung. Im Indo-Pazifik beanspruche die Volksrepublik immer offensiver eine regionale Vormachtstellung und stelle dabei völkerrechtliche Grundsätze infrage.
Systemische Rivalität mit China bedeute nicht, dass keine Zusammenarbeit möglich sei. „Im Gegenteil: Die Bundesregierung sucht die Zusammenarbeit, zu fairen Bedingungen.“ Eine Minderung von Risiken (De-Risking) sei dringend geboten, „eine Entkopplung unserer Volkswirtschaften (De-Coupling) lehnen wir hingegen ab“. (ahe/28.09.2023)