Petitionen zu Freiwilligendienste und Pandemievertrag
Die durch den Sparkurs der Bundesregierung bedingte geplante Kürzung der Haushaltsmittel für Freiwilligendienste soll laut der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Ekin Deligöz, so gut wie möglich aufgefangen werden. „Wir bedauern die Kürzungen zutiefst“, sagte sie während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag, 18. September 2023.
Gleichwohl bleibe es dabei, dass die Freiwilligendienste in der Priorität des Ministeriums „sehr weit oben stehen“. Die aus dem Kreis der Abgeordneten geäußerte Zahl von 30.000 wegfallenden Plätzen in den Freiwilligendiensten als Folge der Kürzung wollte Deligöz nicht bestätigen. Wie die Zahlen genau aussehen, werde man erst im November sagen können.
Freiwilligendienste attraktiver machen
Massive Kritik an den geplanten Kürzungen gab es von der 19-jährigen Marie Sophie Elisa Beimen aus Schwerte (Nordrhein-Westfalen), deren öffentliche Petition (ID 150963) Grundlage der Sitzung war. Die Petentin hatte sich in ihrer Eingabe, die aus dem Mai dieses Jahres stammt, als die Kürzungspläne noch nicht bekannt waren, für eine Stärkung der Freiwilligendienste ausgesprochen und ein deutlich höheres Taschengeld, angelehnt an den BAföG-Höchstsatz, sowie einen Inflationsausgleich gefordert. Als Zeichen der Wertschätzung für das Engagement der jungen Leute sprach sie sich außerdem für die kostenlose Bereitstellung eines Deutschlandtickets und Freifahrten im Fernverkehr aus.
Die Teilnahme an einem Freiwilligendienst sei zu oft vom finanziellen Hintergrund der Person abhängig, heißt es in der Petition. „Gerade junge Menschen aus einkommensschwachen Familien können, trotz Interesse, keinen Freiwilligendienst leisten“, schrieb Beimen.
„Jeder vierte Platz wird wegfallen“
Vor den Abgeordneten sagte die Petentin, die Kürzungen führten zum Abbau von Einsatzstellen für Freiwillige. Auch sei mit der Einschränkung bei der für die Freiwilligen besonders wichtigen pädagogischen Betreuung zu rechnen. „Der Freiwilligendienst wird dadurch noch unattraktiver als er aktuell ist“, sagte sie. Angesichts der ohnehin schon vorhandenen Zugangsbarrieren seien die Kürzungen „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“. Immer wieder, so die Petentin, werde von der Politik gefordert, dass sich junge Menschen mehr engagieren sollen. Dafür brauche es gute Rahmenbedingungen sowie einen Ausbau des Angebots, statt ein Wegstreichen und Einsparen.
Die die Petentin begleitende Sprecherin des Bundesarbeitskreises FSJ, Kristin Napieralla, warnte angesichts der Kürzungen vor gravierenden Folgen für die Einsatzstellen und die Träger der Freiwilligendienste. „Jeder vierte Platz wird wegfallen“, sagte sie. Zwar werde keine Einsatzstelle zusammenbrechen, weil kein Freiwilliger da ist. „Spaziergänge mit älteren Leuten im Park, Ausflüge am Nachmittag ins Seniorenkino, das Zeitnehmen fürs Vorlesen – all diese Dinge werden wegfallen, wenn keine Freiwilligen vor Ort da sind“, sagte Napieralla.
Staatssekretärin versichert Unterstützung
Trotz der Einsparungen wolle das BMFSFJ die Freiwilligendienste unterstützen, betonte die Staatssekretärin und kündigte entsprechende gesetzliche Maßnahmen an. So soll es ihrer Aussage nach Verbesserungen bei den Teilzeitmöglichkeiten geben. Die Taschengeld-Höchstgrenze soll erhöht werden – von derzeit 438 Euro auf 584 Euro. Schon erfolgt seien Änderungen beim Bürgergeld. Jugendliche bis zu 25 Jahren könnten inzwischen 520 Euro hinzuverdienen.
Deligöz machte zudem deutlich, dass die Teilnahme der Freiwilligen an Weiterbildungsmaßnahmen kostenlos bleiben soll – ebenso wie die Fahrt hin und zurück. „Von Seiten des Familienministeriums werden die Freiwilligen auch weiterhin die bestmögliche Unterstützung bekommen“, sagte die Staatssekretärin.
Keine Grundrechtseinschränkung durch WHO-Pandemievertrag
Im Anschluss ging es um eine Petition, in der die Ablehnung des Pandemievertrages mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verlangt wird. Durch den „Pandemievertrag“ der WHO werden weder die Grundrechte noch die Menschenrechte eingeschränkt. Das machte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Sabine Dittmar (SPD) während der Sitzung des Petitionsausschusses deutlich.
Einen Verlust der Grundrechte befürchtet indes die Petentin Susanne Wilschrey, deren öffentliche Eingabe (ID 150793) bei der Sitzung beraten wurde. Wilschrey fordert, dem Pandemievertrag mit der WHO nicht zuzustimmen, da dieser mit erheblichen Einschränkungen und dem Verlust der Grundrechte einhergehe. „Diese Macht gehört nicht in die Hände einer Institution, die sich über Pharmaindustrie und Privatiers, sowie Geschäftsleute finanziert“, schreibt die Petentin. Aus ihrer Sicht besteht ein Interessenkonflikt. „Der WHO die Macht zu geben, weltweit Menschenrechte zu verletzen, widerspricht jeder Verfassung“, heißt es in ihrer Petition.
Die WHO sei nicht vertrauenswürdig, so die Petentin im Verlaufe der Sitzung. Während der Corona-Pandemie habe die WHO ausschließlich auf den RNA-Impfstoff gesetzt, obwohl dieser vor seinem Einsatz nicht ausreichend getestet worden sei. Es sei zudem nicht hinnehmbar, wenn dem WHO-Generaldirektor die Möglichkeit eingeräumt werde, eine Pandemie „willkürlich“ auszurufen. „Er kann sagen: Es ist eine Pandemie unterwegs. Ihr bleibt jetzt alle zu Hause“, so die Petentin.
Ausrufung einer gesundheitlichen Notlage
Ob der WHO-Generaldirektor künftig eine Pandemie ausrufen kann, werde derzeit noch diskutiert, sagte BMG-Staatssekretärin Dittmar. Aktuell könne er eine „gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite“ ausrufen, was an sehr strenge Kriterien gebunden sei. Selbst wenn aber eine Pandemie ausgerufen werde, liege es in der Entscheidung der einzelnen Länder, „wie mit der Problematik umgegangen wird“. Die Ausrufung führe nicht zu Grundrechtseingriffen, bestätigte ein Ministeriumsvertreter. Die WHO-Vorschläge müssten nicht verbindlich umgesetzt werden. Ziel des Vertrages, den die 194 WHO-Mitgliedstaaten derzeit miteinander verhandeln, sei es, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten zu aktivieren, ohne Maßnahmen für einzelne Staaten vorzuschreiben, so der BMG-Vertreter.
Was den Einfluss privater Geldgeber auf die WHO angeht, so verwies Dittmar darauf, dass nur ein Bruchteil der zur Verfügung gestellten Gelder von privater Seite kämen. 90 Prozent des Etats brächten die Mitgliedsstaaten oder von ihnen getragene internationale Organisationen auf. Die Zulassung von Impfstoffen habe zudem nicht mit dem aktuell verhandelten Vertrag zu tun. Ohnehin sei die WHO nicht für die Zulassung von Impfstoffen zuständig, so die Gesundheits-Staatssekretärin. Bei dem Vertrag gehe es um Prävention, um die weltweit gerechte Verteilung von Medizinprodukten und um eine verbesserte Kooperation zwischen den Staaten. Ein Eingriff in die Souveränität der Staaten sei damit nicht verbunden, sagte sie.
Zum Verhandlungsstand äußerte sich der bei der Sitzung anwesende BMG-Vertreter. Aktuell gebe es noch keinen Textentwurf, sagte er. „Wir sind noch in einem Vorstadium der Diskussion mit allen 194 Mitgliedstaaten.“ Ein erster Entwurfstext solle im Oktober vorliegen. Abgeschlossen werden sollen die Verhandlungen den Planungen nach im Mai 2024. Ob dies aber realistisch ist, könne bezweifelt werden, so der Ministeriumsvertreter. Die Verhandlungen nannte er hochpolarisierend. So gehe es den Ländern des globalen Südens voranging um einen unkomplizierten Zugang zu Impfstoffen während beispielsweise für Deutschland die Prävention im Vordergrund stehe. Große Debatten gebe es zudem um eine eventuelle Aufweichung des Patentschutzes. Ein abschließendes Votum zu beiden Petitionen wird der Ausschuss in einer seiner späteren Sitzungen fällen. (hau/18.09.2023)