Anträge zur betrieblichen Mitbestimmung erstmals debattiert
Über Betriebsräte und die Möglichkeiten der Betrieblichen Mitbestimmung hat der Bundestag am Donnerstag, den 27. April 2023, debattiert. Grundlage hierfür waren drei Anträge der Fraktion Die Linke. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlagen mit den Titeln „Zukunft, mitbestimmt – Betriebliche Mitbestimmung braucht Betriebsräte“ (20/5587), „Zukunft mitbestimmt – Transformation braucht starke betriebliche Mitbestimmung“ (20/5406) und „Zukunft, mitbestimmt – Demokratie braucht starke betriebliche Mitbestimmung“ (20/5405) zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales.
Linke: Mehr Spielräume für Betriebsräte
Mehr Betriebsräte, bessere Bedingungen für deren Arbeit und ihre Mitglieder sowie mehr Mitbestimmungsrecht forderte Susanne Ferschl (Die Linke). Betriebsräte bräuchten „mehr Spielräume“ bei ihrer Arbeit. Nur noch sieben Prozent der Unternehmen in Deutschland hätten Betriebsräte.
Dabei würden diese vor allem bei der derzeitigen „Transformation der Arbeitswelt“ eine wichtige Rolle spielen. Ob bei der Digitalisierung oder bei Anpassungen an den Klimaschutz, damit Transformationen in einem Unternehmen fair abliefen, brauche es Betriebsräte, die durch festgeschriebene Mitbestimmungsrechte „auf Augenhöhe“ mit den Arbeitsgebern verhandeln könnten, sagte Ferschl.
SPD: Mitbestimmungsdebatte aktuell wie eh und je
Jan Dieren (SPD) betonte, dass es viele Bereiche wie Klimagerechtigkeit, Inklusion oder Gleichberechtigung gebe, bei denen Betriebsräte durch ihre Mitbestimmung wichtige Entscheidungen treffen könnten. Hätten Betriebsräte bei den Entscheidungen zu Kaufhausschließungen oder dem Verkauf von Betrieben mit am Tisch gesessen, wären die Entscheidungen demokratischer und besser gewesen, sagte Dieren.
Am 1. Mai werden laut Dieren wieder zahlreiche Menschen auf die Straße gehen für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und ein Recht auf Demokratie. Auch das Thema Mitbestimmung sei ein zentrales bei den Demonstrationen zum 1. Mai.
Union: Menschen bei Veränderungen mitnehmen
Dr. Ottilie Klein (CDU/CSU) betonte, dass die „Idee vom Miteinander“ seit ihrer Gründung eine zentrale Säule der Unionspartei sei. Die betriebliche Mitbestimmung habe im Laufe der Zeit nichts an ihrer Bedeutung verloren. Dort, wo Räte existieren, seien die Arbeitsbedingungen besser.
In der Zeit von Umbrüchen sei es von „fundamentaler Bedeutung“, die Menschen auf dem Weg der Veränderung mitzunehmen, sagte Klein. Von einer Mitbestimmung würden letztendlich beide Seiten profitieren – die Arbeitgeber und Beschäftigten.
Grüne: Klimaschutz und Digitalisierung mitgestalten
Für Grünenabgeordnete Beate Müller-Gemmeke sei die betriebliche Mitbestimmung zentral, damit Beschäftigte „ihre Arbeitswelt aktiv mitgestalten“ könnten. Diese „gelebte Partizipation“ führe zu einer höheren Arbeitszufriedenheit. Müller-Gemmeke forderte, dass Betriebsräte insbesondere beim Thema Klimaschutz und der Verbesserung der Klimabilanz eines Unternehmens ein Mitbestimmungsrecht erhalten sollten.
Immer noch gebe es Unternehmen in Deutschland, die verhindern würden, dass sich ein Betriebsrat bilde oder effektiv arbeiten könne. Es sei kein Geheimnis, dass die Grünen bei dem Thema „Betriebliche Mitbestimmung“ weiter gehen wollen als die Ampelkoalition insgesamt, fügte Müller-Gemmeke an.
AfD: Klimaziele interessieren die Arbeitnehmer nicht
Betriebsräte sollten die Interessen ihrer Kollegen vertreten und keine Klimaziele, forderte der AfD-Abgeordnete Jürgen Pohl. Er behauptete, dass für Arbeitnehmer der Erhalt des Betriebes und die Zukunftsfähigkeit eines Standortes entscheidend seien, nicht aber Klimaziele.
Mit Blick auf die Betriebsratsarbeit forderte Pohl, dass überall dort, wo keine Tarifbindung bestehe, Betriebsräte über „verbindliche Tarifvereinbarungen“ entscheiden sollten.
FDP: Unternehmerische Verantwortung liegt nicht bei Betriebsrat
Betriebsräte seien wichtige Ansprechpartner für Arbeitgeber, sagte Pascal Kober (FDP). Die unternehmerische Verantwortung liege allerdings nicht in den Händen des Betriebsrats. Die Anträge der Linken kritisierte Kober dafür, dass die geforderten Ausweitungen weit über betriebliche Mitbestimmung hinaus gehen würden.
Ebenso wie Menschen das Recht hätten, einen Betriebsrat zu gründen, würde ihnen auch das Recht zustehen, keine entsprechende Organisation zu gründen, sagte Kober. Dass 2019 beispielsweise nur vier Urteile wegen Behinderung einer Betriebsratsgründung gefällt wurden, spricht laut Kober dafür, dass nicht alle Arbeitnehmer vorhätten, einen Rat zu gründen.
Erster Antrag der Linken
Mit ihrem ersten Antrag (20/5587) will die Linksfraktion Betriebsratsneugründungen und die Bedingungen für bestehende Gremien erleichtern. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vorzulegen. In diesem solle unter anderem festgelegt werden, dass Arbeitgeber, sofern es in ihrem Betrieb keinen Betriebsrat gibt, auch wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, verpflichtet werden, auf jährlichen Versammlungen über die Rechte der Arbeitnehmer aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu informieren.
Den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften solle die Möglichkeit gegeben werden, diese Versammlungen zu leiten, und den Beschäftigten solle ermöglicht werden, ohne Beisein des Arbeitgebers einen Wahlvorstand zu wählen. Außerdem müsse die Behinderung von erstmaligen Betriebsratswahlen verhindert werden, indem drei Arbeitnehmer im Betrieb in Ausnahmefällen von einem Arbeitsgericht direkt einen Betriebsrat mit einer verkürzten Amtszeit von sechs Monaten einsetzen lassen können. Betriebsratsmitglieder mit sachgrundlos befristeten Verträgen sollte ein Rechtsanspruch auf Entfristung gegeben werden, ähnlich wie dies Auszubildenden zusteht, verlangt die Fraktion weiter.
Zweiter Antrag der Linken
In ihrem zweiten Antrag (20/5406) verlangt Die Linke mehr betriebliche Mitbestimmungsrechte bei der Transformation der Wirtschaft im Zuge von Digitalisierung und Klimawandel. „Die neue Wirtschaftsweise und Arbeitswelt wird nur demokratisch, sozial und ökologisch sein, wenn die Beschäftigten an diesem Umbauprozess aktiv beteiligt sind. Transformation muss mitbestimmt sein“, heißt es dazu in dem Antrag.
Die Bundesregierung müsse deshalb einen Gesetzentwurf zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vorlegen, der eine Ausweitung der zwingenden Mitbestimmungsrechte einschließlich der Initiativrechte des Betriebsrates beinhaltet, fordert die Fraktion. Dazu gehörten unter anderem die Verankerung eines zwingenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates bei Maßnahmen und Regelungen, die zu höheren Umwelt- oder Klimabelastungen führen können, und ein Initiativrecht bei Maßnahmen und Regelungen, die Umwelt- oder Klimabelastungen des Unternehmens verringern, sowie ein Vetorecht bei unternehmerischen Maßnahmen, die eine Gefahr für die natürlichen Lebensgrundlagen darstellen.
Auch die Weiterentwicklung zu einem zwingenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei allen Maßnahmen, die der Sicherung und Förderung der Beschäftigung und der Gleichstellung dienen, gehörten dazu, schreibt die Fraktion.
Dritter Antrag der Linken
In ihrem dritten Antrag (20/5405) fordert Die Linke eine starke betriebliche Mitbestimmung. Sie begründet dies damit, dass es ihrer Ansicht nach eine Möglichkeit sei, gegen ein „weitverbreitetes Ohnmachtserleben“ vorzugehen und die Demokratie am Arbeitsplatz zu stärken. „Betriebliche Mitbestimmung macht Selbstwirksamkeit und demokratische Prozesse erlebbar, das wiederum stärkt das Vertrauen in die Demokratie insgesamt. Gleichzeitig ist die innerbetriebliche Demokratie auszubauen: Denn erstens sind Betriebsräte nur so stark wie die Belegschaft, die hinter ihnen steht. Zweitens ist jeder und jede einzelne Beschäftigte von der Transformation betroffen und muss sich daher beteiligen können“, schreiben die Abgeordneten.
Sie verlangen unter anderem eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, die den Ausbau der innerbetrieblichen Demokratie und der vertieften Beteiligung der Belegschaft an der Arbeit des Betriebsrats beinhalten soll. Unter anderem sollten bereits 15 Prozent der Belegschaft vom Betriebsrat verlangen können, eine Betriebsversammlung einzuberufen und die auf Wunsch der Belegschaft einberufenen Versammlungen während der Arbeitszeit stattfinden zu lassen.
Der Betriebsrat solle das Recht erhalten, sachkundige Beschäftigte als nichtstimmberechtigte Mitglieder in Ausschüsse zu bestellen, so die Fraktion. Einem Quorum von 50 Prozent der Belegschaft solle das Recht gegeben werden, gegenüber dem Betriebsrat die Einleitung von vorzeitigen Neuwahlen einzufordern. (des/vom/che/27.04.2023)