Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie beraten
Die von der Bundesregierung vorgelegte Unterrichtung „Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie“ (20/7910) stand am Freitag, 22. September 2023, auf der Tagesordnung des Bundestages. Nach der Debatte im Plenum überwiesen die Abgeordneten die Vorlage an die Ausschüsse. Bei den weiteren Beratungen übernimmt der Ausschuss für Kilmaschutz und Energie die Federführung.
Minister: Wasserstoffstrategie gibt wirtschaftspolitischen Impuls
Eingangs der Debatte hob Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hervor, dass die Ampelkoalition mit der Fortschreibung der Wasserstoffstrategie etwas fortsetze, was die Vorgängerregierung 2020 aufs Gleis gesetzt habe – nämlich die Entwicklung eines neuen Marktes, den es bisher nur in Ansätzen gebe. Eines Marktes zudem für einen Energieträger, den es in nennenswerter Menge noch gar nicht gebe. Aber: „Der Zug hat den Bahnhof verlassen“, sagte Habeck. Überall werde investiert, werde entwickelt und angestoßen: Das Ambitionsniveau werde verdoppelt – statt wie bisher fünf, sollen bis 2030 zehn Gigawatt produziert werden.
Der Minister kündigte zudem an, dass die Regierung noch dieses Jahr zusätzlich eine Importstrategie für Wasserstoff vorlegen werde. Und er gab seiner Erwartung Ausdruck, dass die Wasserstoffstrategie, die als ein Beitrag zum Klimaschutz starte, als ein „großer wirtschaftspolitischer Impuls“ für die deutsche Wirtschaft Industrie enden werde.
Union will keine Beschränkung auf grünen Wasserstoff
Für die Union stellte Andreas Jung fest, beim Wasserstoff verfolge man ein gemeinsames Ziel. Aber eine „Fortschreibung“ reiche nicht. CDU/CSU gebe es in der Strategie zu viele Ankündigungen und zu wenig Konkretes. Die Zeit dränge. Eile sei geboten, man müsse jetzt schnell vorankommen.
Jung sagte: Ja, das Ziel sei grüner Wasserstoff, aber es brauche jetzt erst einmal „alle Farben des Regenbogen“. Es gibt verschiedene Herstellungs- oder Gewinnungsmethoden. Als farbloses Gas hat Wasserstoff an sich keine Farbe; die Aufteilung in grünen, blauen, türkisen oder grauen Wasserstoff dient dazu, die Herstellungsarten und das Maß an Klimaneutralität des so erzeugten Wasserstoffs zu unterscheiden. Jung plädierte dafür, alle Potenziale zu nutzen
SPD sieht Vereinigung von Nachhaltigkeit mit Wertschöpfungspotenzialen
Andreas Rimkus von der SPD sagte, die Koalition habe sich zur Aufgabe gemacht, bei der Transformation der Gesellschaft mutig voranzugehen.
Mit dem Umbau zur Wasserstoffwirtschaft mache man das Energiesystem infrastrukturell fit für die Wirtschaft der Zukunft. So vereinige man Nachhaltigkeit mit Wertschöpfungspotenzialen und verhindere Abhängigkeiten wie die von russischem Öl und Gas in der Zeit bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine.
AfD spricht von „teurer Fake-Industrie“
Dr. Rainer Kraft (AfD) nannte die Fortschreibung der Wasserstoffstrategie eines Landes der Dichter und Denker unwürdig – die Koalition halte sich statt an die Wissenschaft lieber an Wünsche und Träume. Deutschland gebe „Unsummen für Luftschlösser“ wie die Energiewende aus.
Die Wasserstoffwirtschaft nannte er eine „teure Fake-Industrie“, die verschleiern solle, dass man mit Wind und Sonne allein kein Land betreiben könne.
Ministerin propagiert Wandel zur Wasserstoffrepublik
Forschungs- und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) konterte die Kritik der Union, dass alles schneller gehen müsse mit dem Hinweis, dass man von der Vorgängerregierung ein Land übernommen habe, das abhängig war von fossilen Energien.
Die Wende zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen Produktion sei noch ein weiter Weg. Zumal der Energiehunger in Zukunft noch wachsen werde. Da sei der Umstieg auf erneuerbare Energien das eine – aber es brauche auch die Produktion neuer Energien: Dafür brauche es den Wandel zur Wasserstoffrepublik.
FDP verweist auf Anstrengungen bei Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung
Michael Kruse (FDP) lobte die Anstrengungen in Sachen Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung beim Wasserstoffhochlauf, die Entbürokratisierung und das strukturierte Beteiligungsverfahren „wie bei LNG“.
Zudem bringe man schon die nächsten Gesetze auf den Weg: „Wir sorgen dafür, dass Wasserstoff auch genutzt werden kann“, sagte Kruse. Das helfe der Wirtschaft, den Verbrauchern, dem Klima – das helfe allen.
Grüne: Hoffnungsträger für Regionen im Wandel
Felix Banaszak (Bündnis 90/Die Grünen) richtete den Blick nach vorne: Wasserstoff sei nicht nur ein Energieträger, sagte Banaszak, sondern auch ein Hoffnungsträger.
Ein Hoffnungsträger für Regionen im Wandel. Ein Hoffnungsträger, der eine Perspektive dafür biete, dass aus einer traditionellen, fossilen Produktion eine neue Idee von einer Produktion in Einklang mit den planetarischen Grenzen entstehen könne.
Linke sorgt sich um unzureichende Speicherkapazitäten
Ralph Lenkert (Die Linke) erinnerte daran, dass er schon vor Jahren seine Ideen für ein alternatives Energiesystem in den Bundestag eingebracht habe. Er freue sich, so der Linken-Abgeordnete, dass das Parlament sich nun mit diesen Ideen befasse: „Wir Linken haben einen langen Atem, irgendwann kommt es auch bei Ihnen an“, sagte Lenkert.
Ihm geht es vor allem um das Thema der Speicherung von Energie. Da die Sonne nicht immer scheine und der Wind nicht immer wehe brauche es Speicher. Eine Aufgabe, die Wasserstoff übernehmen könnte.
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Wesentliches Ziel der Fortschreibung ist es laut Regierung, den Markthochlauf von Wasserstoff durch „konkrete und nachgeschärfte Maßnahmen“ weiter zu beschleunigen. Mit der Fortschreibung greift die Bundesregierung nach eigenem Bekunden zum einen die in der 2020 erstmalig aufgelegten Strategie enthaltene Evaluationsverpflichtung auf, zum anderen entsprechende Pläne aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, die ein „ambitioniertes Update“ der Strategie vorsehen. Zudem kündigt die Bundesregierung in der Strategie eine weitere Strategie zum Wasserstoffimport an.
Mit dem avisierten beschleunigten Markthochlauf von Wasserstoff soll laut Strategie zur „Transformation Deutschlands zur klimaneutralen Volkswirtschaft 2045“ beigetragen werden. Die Nutzung von Wasserstoff und seiner Derivate soll laut Strategie insbesondere für die bis 2030 anstehende Transformation in der Energiewirtschaft, im Verkehrssektor und in der Industrie eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung einnehmen. Aufgrund oftmals langjähriger Investitionszyklen müssten bereits heute und in dieser Legislaturperiode „die Weichen für richtungsweisende Investitionsentscheidungen gestellt werden“, schreibt die Bundesregierung. Mit der Fortschreibung sollen danach „verlässliche Leitplanken für private Investitionen in nachhaltige, insbesondere wirtschaftliche, ökologische und soziale Erzeugung, Transport und Nutzung von Wasserstoff, dessen Derivate und Wasserstoffanwendungstechnologien etabliert werden“.
Zielbild 2030
In dem Papier identifiziert die Bundesregierung vier Handlungsfelder der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie. Sie unterlegt diese jeweils mit kurzfristigen (2023) und mittelfristigen Maßnahmen (2024 / 2025) sowie einem „Zielbild 2030“. Alle der Maßnahmen stünden „jedoch unter dem Vorbehalt der Finanzierung und sind daher nur umsetzbar, soweit sie im jeweiligen Einzelplan beziehungsweise Sondervermögen im Rahmen der geltenden Haushalts- und Finanzplanung finanziert beziehungsweise gegenfinanziert werden können“.
Im ersten Handlungsfeld „Verfügbarkeit von ausreichend Wasserstoff sicherstellen“ gibt die Bundesregierung unter anderem als Ziel aus, die inländischen Elektrolysekapazitäten für die Erzeugung von grünem Wasserstoff bis 2030 auf mindestens zehn Gigawatt auszubauen. Das ist eine Verdoppelung der bisherigen Zielmarke. Da die heimischen Erzeugungspotenziale für Wasserstoff begrenzt seien, werde der größte Teil des Bedarfs dauerhaft über Importe von Wasserstoff und seinen Derivaten gedeckt werden müssen, heißt es in der Strategie indes weiter. Dazu will die Bundesregierung noch in diesem Jahr eine Importstrategie veröffentlichen. Sie solle einen Fokus auf „nachhaltige, an den Zielen der Agenda 2030 ausgerichteten Produktions- und Transportoptionen und die erforderliche Importinfrastruktur, sowohl für Schiffstransporte als auch für Pipelinetransporte, zum Beispiel von Wasserstoff aus Norwegen“, setzen.
Als zweites Handlungsfeld wird der „Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffinfrastruktur“ benannt. Kurzfristig soll laut Strategie unter anderem das Energiewirtschaftsrecht geändert werden, „um die Rechtsgrundlage für ein erstes Wasserstoff-Kernnetz zu schaffen“. Ferner will sich die Bundesregierung auf EU-Ebene „für die zeitnahe Schaffung klarer Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung der europäischen Wasserstoffinfrastruktur“ einsetzen.
Wasserstoffanwendungen etablieren
Das dritte Handlungsfeld wird in der Strategie mit „Wasserstoffanwendungen etablieren“ betitelt. Wie die Bundesregierung dazu ausführt, gebe es grundsätzlich eine Vielzahl unterschiedlicher Anwendungsmöglichkeiten für Wasserstoff und dessen Derivate. „Ob vermehrt Wasserstoff zur Anwendung kommt, hängt insbesondere von seiner ausreichenden Verfügbarkeit sowie der preislichen Attraktivität gegenüber Alternativoptionen ab“. Umrissen werden in dem Handlungsfeld Maßnahmen in den Bereichen Industrie, Verkehr, Strom und Wärme im Gebäudesektor.
Das vierte Handlungsfeld benennt die Strategie mit „Wirkungsvolle Rahmenbedingungen schaffen“. Darunter fallen Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für die Wasserstoffinfrastruktur, aber auch die Etablierung von Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierung sowie die Stärkung von Forschung, Innovation und der Ausbildung von Fachkräften. (mis/scr/hau/22.09.2023)