Abgeordnete zu Besuch in der Elfenbeinküste: Partnerschaft im Aufschwung
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Côte d'Ivoire, auch Elfenbeinküste genannt, sind eine Partnerschaft im Aufschwung, sagt der Bundestagsabgeordnete Dr. Karamba Diaby (SPD), Vorsitzender der Parlamentariergruppe Westafrika im Deutschen Bundestag. Die wechselseitigen Interessen sind vielfältig und eng, das westafrikanische Land ist ein Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, ein sicherheitspolitischer Anker in der von Krisen geprägten Region. Deutsche Unternehmen erhalten seit Neuestem Unterstützung durch eine Außenhandelskammer, an Deutschland interessierte Ivorer können dort Kontakt zu Firmen aufnehmen, gegenseitig möchte man den Bedarf an Fachkräften und Ausbildungsmöglichkeiten ausloten, bei der Umstellung auf erneuerbare Energieträger vorankommen und die globale Nahrungsmittelkrise lindern.
Über all diese Themen sprachen die deutschen Abgeordneten einer fünfköpfigen Delegation der Parlamentariergruppe Westafrika mit Kolleginnen und Kollegen der neu gegründeten ivorisch-deutschen Freundschaftsgruppe im Parlament von Côte d'Ivoire während einer Delegationsreise in das Land vom 26. Juni bis 1. Juli 2023. „Das Wichtigste einer solchen Delegationsreise ist der parlamentarische Erfahrungsaustausch, das Voneinander-Lernen in Parlamentsangelegenheiten“, meint Diaby. Außerdem trafen die Deutschen den Vizepräsidenten des Parlaments, den Ministerpräsidenten des Landes sowie Regierungsmitglieder und führten Gespräche mit verschiedenen nichtstaatlichen Organisationen, politischen Stiftungen, deutschen Mittlerorganisationen sowie Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft. „Die politischen Beziehungen zu Côte d'Ivoire sind sehr gut“, bewertet Diaby das Verhältnis beider Länder.
Côte d'Ivoire als Stabilitätsanker für die Region
„Wir haben Côte d'Ivoire als einen langjährigen und wichtigen Partner Deutschlands besucht.“ Das politisch und gesellschaftlich stabile Land spiele eine entscheidende Rolle für die Stabilität der gesamten westafrikanischen Region. Deutschland engagiere sich dort verstärkt, um diese Rolle zu unterstützen und zu festigen. Die dort angestoßenen Projekte, die dort vergebenen Hilfen, entfalteten eine Wirkung über das Land hinaus, in die umliegende, von Krisen gekennzeichnete Region hinein, insbesondere die Sahelzone und das Nachbarland Burkina Faso, das neben Mali als eines der instabilsten Länder in Westafrika gilt.
Um diese regionale Bedeutung der Elfenbeinküste zu unterstreichen und die Beziehungen mit Deutschland auszubauen, habe sich die Parlamentariergruppe Westafrika im Bundestag entschieden, in dieser Wahlperiode dorthin zu reisen. Dass bereits einige Monate zuvor zwei Mitglieder der Bundesregierung sowie Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestages der Elfenbeinküste einen Besuch abstatteten, unterstreicht das Interesse Deutschlands an dem Land.
Die Besichtigung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit standen bei der Delegationsreise neben den politischen Gesprächen ebenso auf der Tagesordnung wie ein Besuch des Büros der Internationalen Akademie für den Kampf gegen den Terrorismus, der „Académie Internationale de Lutte Contre le Terrorisme“, in der Hauptstadt Abidjan. Die von Côte d'Ivoire und Frankreich gemeinsam finanzierte Akademie habe sich der Terrorismus-Prävention verschrieben, indem sie Experten und Expertinnen ausbilde und die Regierung in Abidjan berate, erzählt Diaby. Hauptziel sei es, bestehende Terrornetzwerke trockenzulegen, über diese aufzuklären und vor allem der jungen Generation in Côte d'Ivoire und den Nachbarländern Perspektiven zu bieten, damit diese nicht als williges Nachwuchsreservoir der Terroristen fungierten.
Diaby fordert „fairen“ Bananen-Preis
Beim Besuch einer Kakao-Kooperative und einer Bananenplantage, die mit deutscher Unterstützung nach den Regeln des „Fair Trade“ arbeiten, nahm die Delegation in Gesprächen mit Produzenten, Arbeitern und Vertretern von Gewerkschaften die Themen nachhaltiger Anbau, Ernährungssicherheit, Wertschöpfung, faire Löhne und Arbeitsbedingungen in den Blick. „Wir haben uns sämtliche Arbeitsschritte des Bananenanbaus und -handels von der Blüte über die digitale Kennzeichnung der Früchte bis zur Verschiffung im Hafen angeschaut“, berichtet Diaby. 80 händische Arbeitsschritte seien nötig, bis die Früchte bei uns im Supermarkt lägen. Dort würden sie allerdings meist zu einem erschütternd niedrigen Preis verkauft. „Dass diese Bananen das Kilo für nur 79 Cent angeboten werden, ist ein Problem.“ Ein Kilo Äpfel aus Deutschland koste oft das Vielfache. Von dem, was normale Plantagenarbeiter in Côte d'Ivoire davon als Lohn bekommen, könnten sie ihre Familie nicht ernähren, gibt Diaby zu bedenken.
Wir sollten als Konsumenten auf Früchte setzen, die unter fairen Bedingungen hergestellt wurden, bei deren Produktion die Mindeststandards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO eingehalten werden, die ohne Kinderarbeit und ohne die Ausbeutung von Frauen auskommt, und bei der auskömmliche Löhne gezahlt werden, wirbt der SPD-Außen- und Entwicklungspolitiker. „Wir müssen uns da ehrlich machen und sagen, wir sind bereit mehr für Bananen auszugeben, damit die Bauern in den Anbauländern ein auskömmliches Leben führen können.“ Der Besuch auf den Plantagen, die zwei der wichtigsten Exportprodukte der Elfenbeinküste herstellen, habe die Delegation nachdenklich gestimmt.
Es sei Teil der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, Produkte und Produktionsbedingungen so zu fördern, dass diese es Produzenten und Bauern vor Ort ermöglichten, von ihrem Erwerb zu leben, und mit der Produktion die Versorgung des Landes zu sichern. Man unterstütze die Bauern überdies bei der Schaffung neuer Konservierungsmethoden sowie beim Anbau von Pflanzen, die dem Wandel der klimatischen Bedingungen trotzen. Nach Jahrzehnten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit fragten die Ivorer heute aber auch: Warum exportieren wir lediglich Rohstoffe und Vorprodukte? Eine Teilhabe an der gesamten Wertschöpfungskette heiße beispielsweise, den Kakao statt erst in Europa direkt am Ort seiner Entstehung auch zum Endprodukt hin zu veredeln. Es würden vor Ort Industriearbeitsplätze entstehen, Côte d'Ivoire könnte selbst Fertigprodukte exportieren und höhere Erlöse erzielen.
Deutsches Know-how bei der Energiewende gefragt
Ein weiterer Schwerpunkt der Delegationsreise waren die Anstrengungen von Côte d'Ivoire, mit deutscher Entwicklungshilfe bei der Umstellung auf erneuerbare Energieträger voranzukommen. „Côte d'Ivoire importiert immer noch dreckiges Öl und Gas. Und das ist sehr teuer“, sagt Diaby. „Wir unterstützen unser Partnerland daher bei der Energiegewinnung aus Wasser, Wind und Sonne.“ Alle drei Energiequellen seien reichlich vorhanden. Man trage auf diese Weise zur Energiesicherheit, wirtschaftlichen Entwicklung und zum Klimaschutz bei. Deutsche Technik und deutsches Know-how seien dazu gefragt. Deutsche Firmen sorgten für den Aufbau der entsprechenden Anlagen.
Die Delegation besuchte ein Vorhaben zur beruflichen Bildung im Bereich erneuerbarer Energie und Energieeffizienz an der Universität Houphouët-Boigny, das von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gefördert wird. Ziel sei es, mehr einheimisches Fachwissen und Managementkompetenzen auf dem Markt zu schaffen. Côte d'Ivoire will seine Stromerzeugung bis 2030 deutlich ausbauen und davon 42 Prozent aus erneuerbaren Energien gewinnen. Schwerpunkte einer neuen Klima- und Entwicklungspartnerschaft zwischen der Elfenbeinküste und dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit sollen die Bereiche Klima und Energie sowie Biodiversitäts- und Waldschutz werden.
Côte d’Ivoire wirbt um Direktinvestitionen
Die Ivorer schätzten die Partnerschaft mit Deutschland und Programme im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit seien erfolgreich, weiß Diaby. Es gebe zahlreiche Projekte, betreut durch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, mit Finanzierungen der KfW-Bank. „Aber die Ivorer möchten die Partnerschaft ausbauen: hin zu einen Transfer von Wissen und Technologie. Der Aufruf, dass sich deutsche Unternehmen dort ansiedeln und eine Produktion vor Ort aufbauen, ist da. Sie sagen: Bildet unsere jungen Menschen aus, kommt mit eurem dualen Ausbildungssystem, macht aus der Menge an jungen Leuten Fachkräfte.“ Deutschland habe in Westafrika ein sehr gutes Image, deutsche Qualität werde geschätzt und die Elfenbeinküste müsse dringend in seine Infrastruktur investieren. Angebot treffe also auf Nachfrage.
Côte d'Ivoire sei ein sehr junges Land, 60 Prozent der Bevölkerung seien unter 25, die nach einer Perspektive suchen, erklärt Diaby den Wunsch der dortigen Politiker nach deutschen Direktinvestitionen und der Anwendung des Dualen Systems. Viele ivorische Unternehmen gerade auf dem Land suchten händeringend Fachkräfte, ähnlich wie in Deutschland. Für den Bereich der beruflichen Bildung seien die ivorischen Unternehmen sehr sensibilisiert.
Diaby: Fingerspitzengefühl bei Fachkräfte-Anwerbung
Andererseits sei Deutschland ein Sehnsuchtsort für zahlreiche junge Leute aus dem westafrikanischen Land. Nirgends in Afrika lernten so viele Menschen Deutsch – mehr als 200.000 ivorische Schülerinnen und Schüler lernten Deutsch als zweite Fremdsprache, 40.000 besuchten Kurse des Goethe-Instituts, und seien so gut informiert über Deutschland wie in Côte d'Ivoire. Einen Anknüpfungspunkt biete das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz. „Natürlich werben wir dafür.“ Die deutsche Wirtschaft suche schließlich ebenfalls Fachkräfte. Da müsse man mit Fingerspitzengefühl herangehen, je nach Branche abwägen, beschreibt Diaby den Zielkonflikt zwischen der deutschen Fachkräfteanwerbung und dem Bedarf an Arbeitskräften, die vor Ort Aufbauarbeit leisteten. Es müsse letztlich ein Geben und Nehmen sein, von dem beide Seiten profitierten. „Wir dürfen dort nicht einfach qualifizierte Arbeitskräfte abziehen. Es würde unseren Entwicklungszielen zuwiderlaufen.“
Diabys Rezept gegen den überall zu beobachtenden „Brain drain“ ist „Brain Circulation“: Als Energieberater ausgebildete Ivorer arbeiten für ein paar Jahre bei Unternehmen in Deutschland, helfen hierzulande den Fachkräftemangel lindern, und kehren dann mit dem zwischen Flensburg und Garmisch erworbenen Wissen zurück in ihre Heimat und könnten ihrem Land auf diese Weise viel gezielter helfen. Noch seien in Côte d'Ivoire nur eine Handvoll deutscher Unternehmen präsent. Aber das ändere sich gerade. „Politik und Wirtschaft beider Länder haben die Bedeutung beider Volkswirtschaften füreinander erkannt“ und bauten die Beziehungen und ihr Engagement aus. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, mit Hilfe der KfW-Bank, mit Unterstützung der GIZ, würden Projekte angeschoben.
AHK als Eingangstor für deutsche Unternehmen
Als neues Element der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern komme nun die deutsche Außenhandelskammer (AHK) in Abidjan hinzu, als Eingangstor und Hilfestellung für deutsche Unternehmen, die in Côte d'Ivoire Fuß fassen und sich an der Partnerschaft beteiligen wollten. Zur Eröffnung war die Delegation eingeladen. Die AHK bringe Unternehmen und Arbeitskräfte zusammen, arbeite daran mit, den Bedarf an Fachkräften in beiden Ländern zu decken. An Deutschland interessierte Ivorer könnten dort Kontakt zu Firmen aufnehmen, gegenseitig loteten Deutschland und Côte d’Ivoire den Bedarf an Fachkräften und Ausbildung aus, beschreibt Diaby die Bemühungen von Wirtschaft und Politik.
Die Parlamentariergruppe Westafrika im Deutschen Bundestag ist für 16 Länder zuständig: Benin, Burkina Faso, Côte d'Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Togo, Tschad. Ihr gehören 20 Abgeordnete an. Mitglieder der Delegation waren Dr. Karamba Diaby (SPD, Vorsitz, Leitung), Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Christoph Hoffmann (FDP), Alexander Throm (CDU/CSU) und Jessica Tatti (Die Linke). (ll/07.08.2023)