Eilantrag gegen Gebäudeenergiegesetz erfolgreich
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat dem Deutschen Bundestag aufgegeben, die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes nicht mehr in der laufenden letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause abschließend zu beraten. Der Antrag des Berliner CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat in der Sache Erfolg, teilte das Gericht am Mittwochabend, 5. Juli 2023, mit. Heilmann sieht sich durch das Gesetzgebungsverfahren in seinen Rechten als Mitglied des Deutschen Bundestages verletzt.
Der Erlass der einstweiligen Anordnung hat laut Gericht zur Folge, dass der Gesetzentwurf in der laufenden Sitzungswoche nicht in zweiter und dritter Lesung beraten und beschlossen werden kann. Damit werde aber nicht zugleich über den weitergehenden Feststellungsantrag in der Hauptsache entschieden. Vor allem werde keine erst dort zu prüfende Verletzung der Abgeordnetenrechte Heilmanns festgestellt.
Chronologie des Gesetzgebungsverfahrens
Die erste Lesung des ursprünglichen Regierungsentwurfs zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), zur Änderung der Heizkostenverordnung und zur Änderung der Kehr- und Überprüfungsordnung (20/6875) hatte im Bundestag am 15. Juni stattgefunden. Am 21. Juni beschäftigten sich Sachverständige in einer ersten Anhörung des federführenden Ausschusses für Klimaschutz und Energie mit dem Vorhaben.
Die Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP legten dem Bundestag am Freitag, 30. Juni, eine „Formulierungshilfe“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz für einen Änderungsantrag zum Regierungsentwurf vor Sie enthält eine 94-seitige Synopse des Gesetzentwurfs der Bundesregierung und der Änderungsvorschläge sowie einen 14-seitigen Begründungsteil.
Diese Änderungsvorschläge waren am Montag, 3. Juli, Gegenstand einer zweiten Sachverständigen-Anhörung des Klimaschutzausschusses, der dem Gesetzentwurf am Mittwoch, 5. Juli, in geänderter Fassung zustimmte, nachdem die Koalitionsfraktionen am Dienstagnachmittag, 4. Juli, einen Änderungsantrag vorgelegt hatten. Die zweite und dritte Lesung im Plenum sollte am Freitag, 7. Juli, ab 9 Uhr stattfinden.
„Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung überwiegen“
Wie der Zweite Senat ausführt, erscheint der Hauptsacheantrag des Abgeordneten im Organstreitverfahren „mit Blick auf das Recht des Antragstellers auf gleichberechtigte Teilhabe“ an der parlamentarischen Willensbildung aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes „weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet“. Die Grundgesetz-Vorschrift besagt, dass die Abgeordneten „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind.
Die vom Bundesverfassungsgericht vorzunehmende Folgenabwägung führe zu dem Ergebnis, so der Senat, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen. Unter den „besonderen Umständen des Einzelfalls“ überwiege das Interesse an der Vermeidung einer „irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers“ aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautonomie des Deutschen Bundestages, der die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens lediglich verzögere.
Der Parlamentsmehrheit sei grundsätzlich vorbehalten, die Prioritäten und Abläufe bei der Bearbeitung von Gesetzgebungsverfahren zu bestimmen, stellt das Gericht fest. Auch wenn ihr dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, spreche einiges dafür, dass die Verfahrensautonomie die Parlamentsmehrheit nicht davon entbinde, den durch Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes garantierten Status der Gleichheit der Abgeordneten zu beachten. Das Abgeordnetenrecht werde verletzt, wenn es bei der Gestaltung von Gesetzgebungsverfahren „ohne sachlichen Grund gänzlich oder in substantiellem Umfang missachtet wird“. Die Entscheidung im Senat sei mit fünf gegen zwei Stimmen ergangen.
„Rechte als Abgeordneter massiv verletzt“
Heilmann hatte am 29. Juni 2023 beim Bundesverfassungsgericht die Feststellung beantragt, dass das Gesetzgebungsverfahren zur GEG-Novelle massiv seine Rechte als Abgeordneter auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung verletzt. Gleichzeitig beantragte er eine einstweilige Anordnung, die dem Bundestag untersagen sollte, das GEG abschließend zu beraten und darüber abzustimmen, ohne dass der maßgebliche Gesetzentwurf nicht mindestens 14 Tage vorher den Abgeordneten schriftlich zugegangen ist.
Heilmann begründete seinen Schritt mit den „massiven Mängeln des Gesetzes selbst und unzulässigen Fristverkürzungen“: „Die parlamentarisch maximal verkürzten Beratungen zur Novelle des GEG erlauben es nicht, die konzeptionellen Schwächen dieses Gesetzespakets aufzuzeigen und zu ändern.“
„Extrem kurze Beratungszeit“
Es sei unabdingbar, so Heilmann, im Wege der einstweiligen Verfügung sofort sicherzustellen, dass das Parlament genug Zeit bekommt, ordnungsgemäß über das Gesetz beraten zu können. Der Bundestag und er als Mitglied des zuständigen Ausschusses für Klimaschutz und Energie hätten das Recht und die Pflicht, eine „ordnungsgemäße Behandlung des sogenannten Heizungsgesetzes“ durchzusetzen.
Sowohl seine Rechte aus seinem Abgeordnetenstatus als auch die verfassungsrechtlich verankerten Grundsätze der Öffentlichkeit des demokratischen Parlamentarismus und die grundlegenden Regeln des Gesetzgebungsverfahrens würden durch das Vorgehen der Regierung und der Ampelfraktionen „schwer beschädigt“. Das jedem Abgeordneten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes zustehende Beratungs- und Erörterungsrecht sowie das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung werde durch die „extrem kurze Beratungszeit“ beschnitten.
Bundestag soll Stellung nehmen
Der Rechtsausschuss hat dem Bundestag am 5. Juli mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von CDU/CSU und AfD empfohlen, in dem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen: 2 BvE 4 / 23) Stellung zu nehmen sowie die Bundestagspräsidentin zu bitten, eine Prozessbevollmächtigte oder einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen.
In der Beschlussempfehlung des Ausschusses (20/7595) heißt es, zu dem Antrag Heilmanns habe das Bundesverfassungsgericht noch keine Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt. (vom/05.07.2023)