Expertinnen: Frauenfußball entwickelt sich sehr positiv
Zeit:
Mittwoch, 5. Juli 2023,
14
bis 15.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.300
Der Frauenfußball hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt. Diversität und „Equal Pay“ seien im Fußballgeschäft jedoch weiterhin nicht gegeben, machten die zu einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses am Mittwoch, 5. Juli 2023, geladenen Expertinnen deutlich. Nur vier von 150 Führungspositionen in den Vereinen der 1. und der 2. Bundesliga seien mit Frauen besetzt, kritisierte Jana Bernhard, Geschäftsführerin der gemeinnützigen FUSSBALL KANN MEHR GmbH. In den Aufsichtsräten liege der Frauenanteil bei zehn Prozent. „Das ist weit weg von der durch Politik und Wirtschaft angestrebten 30-Prozent-Quote oder gar der Parität“, sagte Bernard. Damit sei der Fußball im Jahr 2023 eine Branche, „die sich von allen gesellschaftlichen Entwicklungen abgekoppelt hat“. Auch andere Diversitätsdimensionen seien im Fußball weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Ihre Organisation habe es sich zur Aufgabe gemacht, den Frauenanteil im Männerfußball zu erhöhen und damit die Zukunftsfähigkeit des Fußballs zu sichern, sagte Bernhard.
Vermarktung der Medienrechte für die Frauen-Bundesliga
Im Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gebe es vier Frauen, sagte Sabine Mammitzsch, DFB-Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball. Der angestrebte Frauenanteil von 30 Prozent sei damit knapp geschafft. Weiteres Potenzial gebe es. „Das ist aber ein langwieriger Prozess, den wir in vielen Bereichen angestoßen haben“, sagte Mammitzsch. Sehr positiv zu bewerten seien die enorm gestiegene Sichtbarkeit des Frauenfußballs und damit verbundene höhere Vermarktungserlöse. „Wir konnten die kontinuierliche Reichweite um 60 Prozent erhöhen“, sagte sie. Der Zuschauerschnitt bei den Frauen-Bundesligaspielen sei um 200 Prozent gestiegen. Das Auftreten der Frauen-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in England im Sommer 2022 habe große positive Resonanz in Deutschland gefunden. 17,9 Millionen Zuschauer hätten das Endspiel verfolgt.
Von einem Quantensprung sprach die DFB-Vizepräsidentin mit Blick auf die Vermarktung der Medienrechte für die Frauen-Bundesliga. 5,17 Millionen gebe es jeweils in den kommenden vier Jahren. Das Unternehmen Google Pixel sei als Hauptsponsor und Namensgeber der Bundesliga gewonnen worden. Mit Blick auf die Fußballweltmeisterschaft der Frauen im Jahr 2027 bestätigte Mammitzsch das Interesses des DFB, sich um die Ausrichtung zu bewerben. Entschieden werde über die Vergabe im Jahr 2024, sagte die DFB-Vertreterin und erbat sich die Unterstützung durch die Politik.
Probleme bei der Sport-Infrastruktur
Felicia Mutterer von der FC Viktoria 1889 Berlin Frauen-Fußball GmbH stellte den Weg des aus dem Verein FC Viktoria Berlin ausgründeten Frauenfußballteams vor. „Wir wollen das Team in die 1. Bundesliga führen und gleichzeitig eine erfolgreiche Marke etablieren, die deutschlandweiten und internationalen Vorbildcharakter hat“, sagte Mutterer. Auf diese Weise solle das Projekt eine nachhaltige und soziale Bewegung mit gesellschaftlichem Einfluss anstoßen, der den Fußball in Deutschland und darüber hinaus „nachhaltig mitgestaltet und verändert“. Weil mit Sichtbarkeit und Vorbildern alles anfange, wolle der FC Viktoria Berlin dafür ein Treiber sein und junge Mädchen und Frauen inspirieren und ermächtigen.
Gebremst werde das Engagement derzeit allerdings durch Probleme bei der Sport-Infrastruktur, sagte sie. Da es keine vereinseigenen Plätze gebe, trainiere und spiele das Team auf öffentlichen Sportstätten. Der Mangel an Sport-Infrastruktur gefährde im Übrigen nicht nur den sportlichen Erfolg, sondern Gesundheit und Gleichberechtigung, „denn bislang geht die Verteilungsfrage bei den Sportstätten vor allem zu Lasten von Mädchen und Frauen“, sagte Mutterer.
Kommerzieller Wert des Frauenfußballs
Die ehemalige Profi-Fußballspielerin und jetzige TV-Fußballexpertin Tabea Kemme verwies auf die schneller als in anderen Sportarten wachsende Fan-Basis. Auch das wirtschaftlich Potenzial sei riesig. „Der kommerzielle Wert des Frauenfußballs kann sich in der nächsten Dekade versechsfachen“, sagte Kemme. Das Sportsponsoring sei hier die am schnellsten wachsende Einnahmequelle. Der Frauenfußball habe außerdem einen besonderen Benefit für die Gesellschaft, weil er mit Inspiration, Empowerment und Familienfreundlichkeit assoziiert werde. „In den Stadien gibt es keine Gewalt, keinen Rassismus und keine Homophobie“, sagte die ehemalige Profi-Fußballspielerin. Fairplay sei an der Tagesordnung.
Für die weitere positive Entwicklung des Frauenfußballs sei auch die Frage der Bezahlung, „also des Equal Pay“, entscheidend. Kemme nannte es inakzeptabel, dass „ Fußballerinnen immer noch mit niedrigeren Gehältern und weniger Unterstützung konfrontiert werden als ihre männlichen Kollegen“. Diese Ungleichheit müsse dringend angegangen werden. „Der Frauenfußball braucht dieselbe Wertschätzung und Anerkennung wie der Männerfußball“, sagte sie. (hau/06.07.2023)