Kinderkommission

Jugendliche berichten über Erfahrungen und Projekte zur Beteiligung

Die jungen Leute in Deutschland wollen mitmachen, möchten von der Politik ernst genommen werden und brauchen in ihrem Wohnumfeld echte Gelegenheiten, um eigene kind- und jugendgerechte Lebensorte zu gestalten, sagten die jugendlichen Sachverständigen im öffentlichen Expertengespräch der Kinderkommission (Kiko) des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 5. Juli 2023, zum Thema „Freizeit, Kultur, Stadtplanung“. Die sechsköpfige Kinderkommission ist ein Unterausschuss des Familienausschusses.

Um Erfahrungen und Projekte junger Menschen aus ganz Deutschland kennenzulernen, hatte die Kiko Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projektes „Lückenschluss“ des Bildungswerks für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e.V. eingeladen. Junge Lebenswelten sind breiter und vielfältiger als die meist von den Erwachsenen wahrgenommenen Kontexte Familie, Kita, Schule und Ausbildung, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Emilia Fester (Bündnis 90/Die Grünen). Die Jugendlichen vom Projekt „Lückenschluss“ hätten an die Politik den Auftrag formuliert, Teilhabemöglichkeiten zu schaffen, um in der von den Erwachsenen geprägten Welt Orte zu schaffen, wie sie sie sich wünschen.

Erfahrungsberichte von Jugendlichen

Paula Ebbers von Gruppe Kassel des Projekts berichtete von ihrem Kampf für einen Skatepark in Kassel als neuem attraktivem Treffpunkt für junge Leute. Durch zu viel Bürokratie müsse man sich dabei tummeln. Leon Gaubatz und Robin Haas von der Gruppe aus Pirmasens wies auf die Mobilitätsprobleme vieler Kinder und Jugendlicher im ländlichen Raum hin. Gebe es keine Busverbindung oder einen Bringedienst der Eltern, blieben die Kinder in der Schule oder zu Hause hängen. Die Schülervertretungen und das Thema der Stadtgestaltung, ja der Gestaltung eigener Treffpunkte über die Schule hinaus, seien wichtige Orte, um Demokratie zu erlernen.

Maryam Barry und Julius van der Burg aus dem Märkischen Kreis stellten die Ergebnisse einer eigenen Umfrage zu dem Thema vor, wie Jugendliche ihre Zeit verbringen: Knapp 64 Prozent verbrächten diese zu Hause, häufig in den sozialen Medien. Gerne auch in Sportvereinen. Wenig allerdings im Jugendzentrum. Ein harter Ganztags-Schultag, fehlende Verkehrsverbindungen, einseitige Angebote, unzureichende Öffnungszeiten und baufällige Einrichtungen bremsen die Kinder in ihrer Freizeitgestaltung aus, so das Ergebnis der Umfrage. Junge Initiativen würden häufig mit Schwierigkeiten durch die Stadtverwaltung konfrontiert. Die Jugendlichen fühlten sich nicht gehört und nicht verstanden.

Sahra Eckert und Ezéquiel Joél Luis Rosell Parra aus Cottbus erklärten: Wir tun mehr als nur darauf zu warten erwachsen zu werden. Sie wollen in ihrem Stadtteil einen selbst gestalteten und verwalteten Jugendtreff schaffen und haben dem Bürgermeister ihre Projektskizze geschickt. Es soll ein toleranter Ort werden, der den diversen Interessen der Jugendlichen gerecht werde, an dem man Lust habe sich mit Freunden zu treffen. Wenn die Kommunalpolitik die Interessen der jungen Menschen ignoriere und sich einer Mitbestimmung verweigere führe dies zu Politikverdrossenheit. Die beiden appellierten an die Politiker, die Jugendlichen durch Jugendgremien zu beteiligen, um die Demokratie mitzugestalten.

Kommune als zentraler Ort der Partizipation

Anna Lydia Will, Projektleiterin „Lückenschluss“, Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e.V., sagte: „Wir schließen eine Lücke und und setzen die vom Bund geforderte Partizipation in der Kommune um. Das ist der zentrale Ort.“ Eine „Engagementkrise“, wie sie durch die Pandemie verstärkt worden sei, habe es bereits vorher gegeben. Kinder und Jugendliche verbrächten immer mehr Zeit im Privaten, in den sozialen Medien. Was aber mache lebenswerte Orte, Treffpunkte aus? Sie sollten jugendgerecht und selbst gestaltet sein, forderte die Projektleiterin. Dazu müsse die Politik ihnen die Mittel und die Räume geben. „Mit jeder Kommune muss um die Beteiligung gerungen werden.“ Wenn man wolle, dass Jugendliche an der Demokratie teilhaben, müsse man ihnen anhand von Projekten die Erfahrung der Selbstermächtigung geben, die Erfahrung, etwas bewirken zu können. Dabei profitierten die Jugendlichen bei „Lückenschluss“ von der Erfahrungen anderer, tauschten sich deutschlandweit aus.

Um jungen Menschen ihren Platz in der Demokratie zu geben, müssten diese ernst genommen werden, müsse sich der Duktus im Umgang mit ihnen ändern. Die Schülervertretung sei momentan der einzige Ort, an dem sich Kinder und Jugendliche ernst genommen fühlten. Die Gestaltung des kommunalen Umfelds, über den Schulhof hinaus, gehöre aber auch dazu, ja sei der zentrale Ort für junges Engagement und für erste Demokratieerfahrungen. Will appellierte an die Politik, „Gesellschaft muss die Jugend als als Motor der Veränderung begreifen“. Man dürfe diese Chance nicht verschenken, sondern müsse die jungen Leute „gesellschaftlich wirksam werden lassen“. (ll/05.07.2023)