Wenig Rückhalt für AfD-Gesetzentwurf zur Rüstungsbeschaffung
Die AfD-Fraktion will die Beschaffung von Ausrüstung für die Bundeswehr beschleunigen. Über einen entsprechenden Gesetzentwurf der Fraktion (20/7566) zur Novellierung des erst vor einem Jahr vom Bundestag verabschiedeten Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetzes hat der Bundestag am Donnerstag, 6. Juli 2023, in erster Lesung beraten und anschließend zur weiteren Beratung in den federführenden Wirtschaftsausschuss überwiesen. Alle anderen Fraktionen kündigten bereits an, den Gesetzentwurf ablehnen zu wollen.
AfD: Versorgungslücken sind drastisch
Prof. Dr. Malte Kaufmann (AfD) hielt der Regierungskoalition vor, dass das am 7. Juni vergangenen Jahres beschlossene Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz nicht dazu beigetragen habe, die „drastischen Versorgungslücken“ bei der Bundeswehr zu schließen. So sei der Nachholbedarf der Bundeswehr bei den Munitionsbeschaffungen nach Aussage von Brigadegeneral Christian Freuding gegenüber der Zeitung „Die Welt“ so groß, dass sie sich auch „in Jahrzehnten“ damit auseinandersetzen werde, führte Kaufmann aus.
Die Koalition schaffe es zwar innerhalb von wenigen Wochen den Bau eines LNG-Terminals in einem Naturschutzgebiet zu beschließen, sie sei aber nicht fähig, die Bundeswehr angemessen auszurüsten.
Vorrangrolle für deutsche Industrie
Der Gesetzentwurf der AfD sieht vor, dass die im Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz vorgenommenen Einschränkungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und der Vergabeverordnung „Verteidigung und Sicherheit“ vom 12. Juli 2012 punktuell verstärkt, zeitlich unbefristet und nicht nur bei Europäischen Rüstungskooperationen, sondern auch bei nationalen Beschaffungsvorhaben gelten soll. Zudem soll der deutschen wehrtechnischen Industrie unter Berufung auf europäisches Recht eine eindeutige Vorrangrolle bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen zugesprochen werden. Bei der Abwägung von Rechtsgütern soll die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr „als höchstwertiges Schutzorgan zur Bewahrung der nationalen Souveränität Deutschlands und das Leben und die Unversehrtheit ihrer Soldaten im Einsatz“ vorbehaltlos an erster Stelle stehen.
SPD: Vorschlag der AfD ist verfassungswidrig
Der SPD-Parlamentarier Wolfgang Hellmich hielt der AfD vor, ihr Gesetzentwurf atme den „Geist des Militarismus“ und sei zudem „verfassungswidrig“. So fordere die AfD, der Bundeswehr sogenannte „Reservatrechtrechte“ bei den Beschaffungen einzuräumen. Reservatrechte seien besondere Hoheitsrechte, die zuletzt in der Verfassung des Kaiserreichs unter anderem dem Königreich Bayern eingeräumt worden seien. Eine solche Forderung sei „verfassungswidrig“ und unterlaufe den Grundsatz vom Soldaten als Staatsbürger.
Weil der Gesetzentwurf verfassungswidrig sei, müsse er sich auch nicht inhaltlich mit ihm auseinandersetzen, argumentierte Hellmich.
Union fordert mehr Geld für das Verteidigungsressort
Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) hingegen führte an, auch wenn der Gesetzentwurf schlecht sei, so sei das Thema der Beschaffungen allerdings sehr wohl diskussionswürdig. Dies schulde man auch den Soldaten der Bundeswehr. Von dem Sondervermögen sei bislang so gut wie nichts in der Truppe angekommen, monierte Willsch.
Vor allem aber müsse der reguläre Verteidigungshaushalt Jahr für Jahr anwachsen. Wenn aber Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in den Haushaltsverhandlungen für das kommende Jahr zehn Milliarden Euro mehr fordere und am Ende nur 1,7 Milliarden Euro mehr erhalte, dann zeige dies, wie wenig dem Bundeskanzler das wert sei, sagte Willsch. Zudem sprach er sich für eine Förderung deutscher Rüstungsexporte aus. Nur dann ließe sich die Leistungsfähigkeit der deutschen Rüstungsindustrie erhalten.
Grüne: Europäische Beschaffungspolitik ist Flickenteppich
Chantal Kopf (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die angemessene Ausrüstung der Bundeswehr sei angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine „eine Notwendigkeit“. Deshalb habe die Regierungskoalition im vergangenen Jahr das Sondervermögen und das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht. Die Forderung der AfD nach vermehrt nationalen Beschaffungsvorhaben mache hingegen keinen Sinn. Schon jetzt gleiche die Beschaffungspolitik in Europa einem „Flickenteppich“. Bei Beschaffungen für die Bundeswehr nur auf die nationale Rüstungsindustrie zu setzen, schade zudem der Glaubwürdigkeit Deutschlands gegenüber den Verbündeten.
Mit der Forderung nach einer zeitlichen Entfristung des Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetzes wolle die AfD lediglich die nach drei Jahren vorgesehene Evaluierung umgehen, sagte Kopf.
Linke: AfD betreibt billigen Standortnationalismus
Ali Al-Dailami (Die Linke) warf der AfD „billigen Standortnationalismus“ vor. Sie sei die „Partei des Militarismus zu Diensten der Rüstungsindustrie“ und wolle die „laxen Vorschriften“ für Rüstungsexporte weiter aufweichen. Kritik übte er zugleich am Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz. Dieses „durchgedrückte Gesetz“ diene lediglich dazu, Steuergelder „zu verprassen“ ohne das Beschaffungswesen der Bundeswehr zu reformieren.
Wie schon in der Vergangenheit stiegen auch aktuell die Kosten für neue Beschaffungsvorhaben deutlich über die ursprünglich veranschlagte Höhe. Bei den drei Truppendienstbooten um etwa 1,2 Milliarden Euro, beim schweren Tarnsporthubschrauber „Chinook“ um mehrere hunderte Millionen Euro.
FDP: Großes Tempo bei der Beschaffung
Auch Reinhard Houben (FDP) hielt der AfD entgegen, sie wolle die Beschauungspolitik renationalisieren und die europäische Kooperation in der Sicherheitspolitik „über den Haufen werfen“. Dies sei „populistisch“. Die Bundesregierung habe wie keine vor ihr ein großes Tempo vorgelegt bei den Beschaffungen.
Allein in dieser Woche habe der Haushaltsausschuss die Gelder für die Beschaffung des neuen schweren Transporthubschraubers, für die neuen Flottendienstboote, für luftlandefähige Fahrzeuge und Munition für die Panzerhaubitze 2000, den Leopard-Kampfpanzer und den Schützenpanzer Puma bewilligt, führte Houben aus. Bei zukünftigen Beschaffungen werde verstärkt auf marktverfügbares Gerät zurückgegriffen und nicht mehr auf die „eierlegende Wollmilchsau mit Goldrand“ gesetzt. (aw/06.07.2023)