Oppositionsantrag zur Arbeitszeiterfassung überwiesen
Der Bundestag hat am Freitag, 26. Mai 2023, erstmals über einen Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Arbeitszeiterfassung bürokratiearm ausgestalten – Mehr flexibles Arbeiten ermöglichen“ (20/6909) beraten. Im Anschluss an die Aussprache haben die Abgeordneten die Vorlage zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen. Demanch sollen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten erfassen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits im Mai 2019. Auch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt bestätigte in einem Grundsatzurteil, dass die gesamten geleisteten Arbeitsstunden künftig systematisch dokumentiert werden müssten. Wie genau dies aussehen solle, das obliege dem Gesetzgeber, so das Gericht. Da ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium zu wenig Flexibilität ermögliche und zu bürokratisch sei, hat die CDU/CSU-Fraktion ein flexibles und modernes Arbeitszeitrecht gefordert.
Union: Wollen Arbeitnehmer den Rücken stärken
Vertrauensarbeitszeiten sollten überall dort ermöglicht werden, wo sie praktikabel sind, sagte Hermann Gröhe (CDU/CSU). Es sei an der Zeit für moderne Arbeitszeitmodelle. Während die Union somit laut Gröhe „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Rücken stärken“ will, entmündigt der Entwurf des Bundesarbeitsministeriums die Beschäftigten: „Mit ihrem Vorschlag ist Vertrauensarbeitszeit tot“.
Obwohl das Bundesarbeitsgericht die EuGH-Entscheidung so interpretiert habe, dass eine Regelung zur Arbeitszeiterfassung erfolge müsse, sei bislang nichts Konkretes geschehen, kritisierte Gröhe.
SPD: Unterschiedlichen Arbeitswirklichkeiten gerecht werden
Kaweh Mansoori (SPD) warnte davor, Arbeitsrecht und Arbeitszeiterfassung zu vermischen. Die geltenden Regelungen zur Arbeitszeit enthielten bereits ein paar Spielräume. So könne die Arbeitszeit für einen gewissen Zeitraum von acht auf zehn Stunden am Tag erhöht werden, wenn ein entsprechender Ausgleich vorgesehen sei und auch bei Ruhezeiten könnten bestimmte Ausnahmen greifen.
Bei Regelungen zur Arbeitszeit müssten die unterschiedlichen Arbeitswirklichkeiten von Menschen berücksichtigt werden. So bräuchten Menschen, die schwere körperliche Arbeit leisteten und eine gefährliche Tätigkeit ausübten, die vorgeschriebenen Ruhezeiten. Mansoori kündigte an, dass die Ampel-Koalition zeitnah einen Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung vorlegen werde.
AfD: EuGH-Urteil ist übergriffig
Als „übergriffig“ bezeichnete Jürgen Pohl (AfD) das Verhalten des Europäischen Gerichtshofs, Deutschland durch das Urteil zur Arbeitszeiterfassung vorzuschreiben, wie geleistete Arbeitsstunden hierzulande dokumentiert werden sollten.
Insgesamt begrüße die AfD „jede Stärkung des Arbeitnehmerrechts“. Durch eine geregelte Arbeitszeiterfassung wird laut Pohl die Zahl von unbezahlten Überstunden eingedämmt, eine Umgehung des Mindestlohns vermieden und der Gesundheitsschutz gestärkt.
Grüne: Arbeitszeit muss gut ins Leben der Menschen passen
Dass es bei der Frage nach mehr Flexibilität um die Bedürfnisse der Beschäftigten und nicht um die der Unternehmen gehen müsse, betonte Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen). Die Menschen würden „echte Zeitsouveränität“ fordern; dass Arbeitszeit gut ins Leben passe.
Drei Aspekte seien dabei besonders entscheidend. Zum einen sei das Arbeitszeitgesetz wichtig für „Arbeits- und Gesundheitsschutz“. Zu viel Überstunden und ständige Erreichbarkeit führten zu gesundheitlichen Problemen. Außerdem braucht es neue Arbeitszeitmodelle, die zu den Beschäftigten passen und speziell Frauen sollen laut Müller-Gemmeke mehr Mitspracherecht bei der Arbeitszeitgestaltung erhalten.
Linke: Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz
Die Union spiele sich durch ihren Antrag als „Retter der Vertrauensarbeitszeit“ auf, sagte Susanne Ferschl (Die Linke). Dabei gehe es der Fraktion vielmehr darum, „Freiräume für die Arbeitgeber zu schaffen“. Es brauche keine Experimente bei der Arbeitszeitgestaltung. Diese werde aus gutem Grund bereits seit Jahrzehnten durch das Arbeitszeitrecht geschützt. „Hände weg vom acht Stunden Tag und von den Ruhezeiten“ sagte Ferschl in Richtung der Abgeordneten.
Was allerdings geregelt werde müsse, sei die Arbeitszeiterfassung. Dies und nicht mehr sei es auch, was der EuGH gefordert habe. Auch die Rede vom „Bürokratiemonster“ ist in Ferschls Augen überzogen: Moderne Zeiterfassungssysteme seien kostengünstig, effizient und kaum mit bürokratischem Mehraufwand verbunden.
FDP: Auf Vertrauen statt Kontrolle setzen
FDP-Politiker Pascal Kober räumte ein, dass die Definition von Vertrauensarbeitszeit im Referentenentwurf diskussionswürdig sei. Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten sollten „auf Vertrauen und nicht auf Kontrolle beruhen“ sagte er. Dies bilde der Entwurf noch nicht ab. Auch über die Gestaltungsspielräume, die der EuGH und das Bundesarbeitsgericht dem Gesetzgeber zugesprochen hätten, gebe es Klärungsbedarf. Wann, wie und durch wen die Arbeitszeit erfasst werden solle, seien offene Fragen.
Die Koalition will laut Kober auch die Arbeitszeitflexibilisierung angehen. Viele Menschen hätten den Wunsch, ihre Wochenarbeitsstunden flexibler zu verteilen. Dem dürfe der Gesetzgeber „keine unüberwindlichen Hürden entgegenstellen.“
Antrag der CDU/CSU
Ein neues Gesetz zur Arbeitszeiterfassung muss flexible Modelle zur Arbeitszeiterfassung enthalten und Vertrauensarbeitszeit zulassen. Außerdem soll es dem Arbeitgeber obliegen, wie dieser die Arbeitszeit erfasse - ob beispielsweise in elektronischer Form oder anderweitig. Aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Mai 2019 müssen EU-Mitgliedstaaten Arbeitgeber dazu verpflichten, die geleistete Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter zu erfassen. Sowohl das Urteil des EuGHs als auch ein daran anschließender Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes würden dem Gesetzgeber Spielräume bei der Ausgestaltung eines entsprechenden Arbeitszeiterfassungsgesetzes einräumen.
Die Union kritisiert daher in ihrem Antrag, dass ein im April 2023 bekannt gewordener Entwurf zur Arbeitszeiterfassung aus dem Bundesarbeitsministerium „ausgesprochen unausgewogen sei“, das Ende für die selbstbestimmte Vertrauensarbeitszeit bedeuten und „sowohl die Beschäftigten als auch die Arbeitgeber mit überflüssiger Bürokratie gängeln“ würde. (des/26.05.2023)