Petitionen zu LNG-Terminals vor Rügen und „Balkonkraftwerken“ erörtert
Der Petitionsausschuss hat in seiner öffentlichen Sitzung am Montag, 8. Mai 2023, zwei Petitionen beraten, die im Zusammenhang mit der Energieerzeugung stehen. Zunächst ging es um die Forderung, die geplanten LNG-Terminals vor der Küste Rügens nicht in das LNG-Beschleunigungsgesetz aufzunehmen. Im Anschluss diskutierte der Ausschuss über Vereinfachungen für Balkonsolaranlagen.
Beschleunigtes Verfahren für LNG-Terminal vor Rügen
Ein Verzicht auf die Aufnahme des vor der Küste Rügens geplanten Flüssiggas-Terminals in das LNG-Beschleunigungsgesetz ist aus Sicht des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen), nicht möglich. Auf das beschleunigte Verfahren könne nicht verzichtet werden, „wenn man das Ziel hat, im Winter tatsächlich im Ostseeraum auch Gas zur Verfügung stellen zu wollen“, sagte Wenzel.
Einen solchen Verzicht forderte indes Marvin Müller, Gemeindevertretungsmitglied des Ostseebades Binz. In seiner Petition (ID 146339), die knapp 95.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hat, verweist er auf die Pläne der Bundesregierung und des Unternehmens RWE, direkt vor der Küste Rügens, in direkter Nachbarschaft zum Biosphärenreservat Südost-Rügen das größte Off-Shore LNG-Terminal Europas entstehen zu lassen. Mit der Ausweitung des Geltungsbereiches, der Verlegung einer weiteren über 38 Kilometer langen Pipeline durch den Greifswalder Bodden sowie mit der Errichtung und dem Betrieb der beiden geplanten Off-Shore LNG-Terminals seien erhebliche Störungen und massive Eingriffe in eines der sensibelsten Öko- und Tourismussysteme Europas verbunden, schreibt der Petent. Das Projekt werde eine dauerhafte Beschädigung des Ökosystems und der Lebensgrundlagen der Menschen auf Rügen zur Folge haben, warnt er. „Die Belastungen wären gewaltig und vordringlich gegen die Verpflichtungen von Umwelt- und Naturschutz gerichtet.“
Petent: Rügen muss mit am Tisch sitzen
Die Situation vor Ort sei sehr angespannt, sagte Müller während der Sitzung. Durch das Vorgehen der Bundesregierung, bei dem die Menschen vor Ort außer Acht gelassen worden seien, sei sehr viel Porzellan zerschlagen worden. „Wir brauchen mehr Zeit, um gemeinsam zu einer Abwägung zu gelangen“, sagte der Petent. Bei allem, was künftig geplant oder umgesetzt wird, müsse Rügen am Tisch sitzen, forderte er. Die Menschen in Rügen seien offen für die benötigte Transformation. Senke man aber bei Genehmigungsverfahren Fristen ab, „werden auch die Fristen für eine gesellschaftliche Debatte abgesenkt“. Bei der Beschleunigung dürften die Menschen nicht abgehängt werden, sondern müssten mitgenommen werden, betonte Müller.
„Die Frage, ob es diese Terminals für die Energieversorgung tatsächlich braucht, oder es nur um Überkapazitäten geht, bewegt die Menschen auf der Insel“, so der Gemeindevertreter von Binz. Es sei nicht nachvollziehbar, in einer derart sensiblen Region ein derartiges Projekt umzusetzen, „obwohl es keinen Beleg für eine Gasmangellage gibt“.
Gas-Versorgung der östlichen Bundesländer
Allein mit Terminals in Bereich der Nordsee könne die Gas-Versorgung der östlichen Bundesländer nicht gewährleistet werden, sagte Staatssekretär Wenzel. Zu bedenken sei außerdem, dass es noch fünf europäische Länder ohne eigene Häfen gebe, die im Zweifel auch über die Terminals an der Küste versorgt werden könnten. „Wir können über die Leitung sogar den Osten der Ukraine versorgen“, sagte Wenzel. Es gehe darum, die Versorgungssicherheit des Landes sicherzustellen, „und sich nicht erpressbar zu machen“. Gleichzeitig sei es Ziel der Bundesregierung, zu verhindern, das andere europäische Länder von Russland unter Druck gesetzt werden, die teilweise noch erhebliche Mengen Gas aus Russland beziehen.
Überkapazitäten wolle die Bundesregierung nicht, so der Staatssekretär. Man wolle nur die nötige Sicherheit schaffen für Fälle, in denen gezielt Infrastrukturen angegriffen und zerstört würden. „Wir haben daher einen Sicherheitspuffer eingeplant“, sagte Wenzel. Die Bundesregierung prüfe alle möglichen Alternativen für den Standort der Terminals im Ostseeraum, betonte er. Die Sorgen und Bedenken der Anwohner würden dabei sehr ernst genommen. Nicht mehr vorgeschlagen werde der Standort Sellin.
Skeptisch äußerte er sich zu Off-Shore-Anlagen weit vor der Küste, mit denen es in Europa noch keine Erfahrungen gebe und die daher nicht prioritär betrachtet würden. „Wir wollen am Ende mit der Landesregierung zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen“, sagte der Regierungsvertreter. Ob das feste Terminal zum Winter bereit sein wird, vermochte Wenzel nicht zu sagen. „Wir hätten uns eine Entscheidung vor Ostern erhofft“, sagte er. Nun komme man in eine „zeitliche Verdrückung“. Aber selbst wenn das Terminal erst im Verlaufe des Winters fertig werde, „würde das sehr helfen“.
Erleichterungen bei der Installation von „Balkonkraftwerken“
Die Bundesregierung stimmt mit den in einer Petition erhobenen Forderungen zur Erleichterung der Installation von Balkonsolaranlagen weitgehend überein. Das machte der Parlamentarische Staatssekretär Stefan Wenzel vor dem Petitionsausschuss deutlich.
Unter Verweis auf die am 5. Mai beim zweiten PV-Gipfel im Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte PV-Strategie, sagte Wenzel: „Wir wollen die Anmeldeverfahren vereinfachen, den Schuko-Stecker ganz normal nutzen sowie für die Privilegierung in Miethäusern und Eigentumsgemeinschaften sorgen.“ Zudem solle die installierte Leistung erhöht und eine schnelle Inbetriebnahme ermöglicht werden. „Übergangsweise“, so Wenzel, sollen auch rücklaufende Zähler zugelassen werden. Der entsprechende Gesetzentwurf werde nun erstellt und „unverzüglich“ dem Bundestag zugeleitet, kündigte der Staatssekretär an.
Petent: Verbraucher von unnötiger Bürokratie entlasten
In der der Sitzung zugrundeliegenden Petition von Andreas Schmitz (ID 146290), die mehr als 100.000 Mal mitgezeichnet wurde, werden Änderungen durch den Bundesgesetzgeber verlangt, „um die Installation von Balkonsolaranlagen für möglichst viele Personen zu erleichtern, ihnen die Möglichkeit zu geben, von der Energiewende zu profitieren, und sie von unnötiger Bürokratie zu entlasten“. Balkonkraftwerke seien eine einfache und risikolose Möglichkeit, „um saubere und unabhängige Energieerzeugung zu fördern“, schreibt der Petent. Durch private Initiative getragen, könnten sie Millionen von Haushalten dazu bewegen, dezentrale Erzeugungsanlagen zu installieren und ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten sowie gleichzeitig Geld zu sparen.
Schmitz forderte die Änderung mehrerer Gesetze und Verordnungen. So solle beispielsweise die Nationale Verordnung zum Nachweis von elektrotechnischen Eigenschaften von Energieanlagen (NELEV) mit dem Ziel geändert werden, eine Ausnahmeregelung für Anlagen bis 0,8kW Nettoleistung bezüglich der Pflicht zur Anmeldung beziehungsweise des Nachweises beim Netzbetreiber einzuführen. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) muss aus Sicht des Petenten ebenfalls geändert werden, um die Nutzung von Photovoltaik zur Eigenversorgung in die „privilegierten Maßnahmen“ des Paragraf 20 Absatz 2 WEG aufzunehmen.
Änderungen im Wohneigentumsgesetz
Als „vertrauensbildende Maßnahme für die erneuerbaren Energien“ bezeichnete der Petent die Erleichterungen bei Mini-PV-Anlagen. „Sie können den härtesten Klimawandel-Skeptiker damit überzeugen, wenn er sieht, dass sich sein Zähler nicht mehr dreht“, sagte er. Das Ganze schaffe ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, weil damit den hohen Strompreisen etwas entgegengesetzt werden könne. Auf die Frage, was denn angesichts der von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen nun noch offenbleibe, verwies Schmitz auf die geforderten Änderungen im Wohneigentumsgesetz. Hier seien die Formulierungen aktuell sehr schwammig.
Wirtschaftsstaatssekretär Wenzel verwies dazu auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums der Justiz. Dort sei zugesagt worden, die entsprechenden Änderungen gesetzlich umzusetzen, sagte er. (hau/08.05.2023)