Forderung nach Untersuchungsausschuss zu Warburg/Cum-Ex beraten
Die Dimensionen sind gewaltig: 280 Millionen Euro Kapitalertragsteuer sollen der Hamburger Warburg-Bank aufgrund von Cum-Ex-Geschäften zu Unrecht erstattet worden sein; es steht der Verdacht politischer Einflussnahme im Raum. „Deswegen gibt es nur einen Weg, dieses Thema jetzt sorgfältig zu untersuchen, nämlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses“, sagte Dr. Mathias Middelberg, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, am Donnerstag, 20. April 2023, in einer Aussprache des Deutschen Bundestag über den Antrag der Union (20/6420), einen 2. Untersuchungsausschuss einzusetzen. Der Vorlage zufolge sollen dem Untersuchungsausschuss zwölf ordentliche Mitglieder angehören. Die SPD-Fraktion und die CDU/CSU-Fraktion sollen jeweils drei Mitglieder stellen, die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP jeweils zwei Mitglieder. Jeweils ein Mitglied sollen die AfD-Fraktion und die Fraktion Die Linke stellen. Der Antrag wurde vom Bundestag an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen.
Union übt heftige Kritik an Kanzler Scholz
Middelberg sagte, man hätte sich den Antrag sparen können, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz Scholz (SPD), der früher Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg gewesen war, irgendwann ehrlich Rede und Antwort gestanden hätte. Das sei leider nicht der Fall gewesen. Zugleich sei Hamburg unter Scholz das einzige Bundesland gewesen, das Cum-Ex-Gelder nicht zurückverlangt habe. Die Union wolle wissen, wer dafür verantwortlich ist.
In ihrem Antrag schreibt die Union, dass sich Scholz am 1. Juli 2020 in einer Aussage vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages konkret an ein Treffen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Miteigentümer der Warburg-Bank, Christian Olearius, am 10. November 2017 habe erinnern können. Kurz nach dem 1. Juli 2020 seien zwei weitere Treffen von Scholz und Olearius bekannt geworden sowie ein von Scholz initiiertes Telefonat mit Olarius. In weiteren Befragungen habe sich Scholz dann nicht mehr an Treffen erinnern können. Die Union schreibt von einem „rasanten und umfassenden Gedächtnisverlust des Bundeskanzlers“.
SPD wirft Union „Stimmungsmache“ vor
Die Koalitionsfraktionen bezweifelten, ob sich die Hamburger Vorgänge mit einem Untersuchungsausschuss des Bundestages aufklären lassen könnten. Michael Schrodi (SPD) erklärte, der Steuervollzug sei Aufgabe der Länder.
Seit zweieinhalb Jahren gebe es in Hamburg einen Untersuchungsausschuss. Dessen Ergebnisse seien eindeutig: An all den von Middelberg geschilderten Unterstellungen sei nichts dran. Es habe keine Verfehlungen gegeben, es sei kein Steuergeld verlorengegangen. Und dennoch wolle die CDU/CSU einen nahezu identischen Untersuchungsausschuss im Bundestag einbringen. Es gehe der Union nur um Stimmungsmache gegen Kanzler Scholz.
AfD nennt Unionsantrag „mehr als dünn“
Stephan Brandner (AfD) bezeichnete den Untersuchungsantrag der Union als „mehr als dünn“, befürwortete aber eine Untersuchung der Vorgänge um die Warburg-Bank. Scholz stehe für Ausweichen, Wegducken und für Gedächtnisverlust: „Wie kann eine solche Person Deutschland überhaupt regieren“, fragte Brandner.
Aufklärung sei notwendig, aber es gebe erheblich größere Probleme in Deutschland, wie unter anderem das Corona-Desaster, die Nordstream-Sprengung und die schrankenlose Einwanderung.
Grüne verweisen auf U-Ausschuss in Hamburg
Katharina Beck (Bündnis 90/Die Grünen) nannte es das gute Recht der Union, Transparenz herstellen und die Finanzmarktkriminalität aufklären zu wollen. Das sehe auch ihre Fraktion als wichtig an. Der erste Untersuchungsausschuss des Bundestages habe bereits wichtige Erkenntnisse geliefert und ein Bewusstsein für die Probleme geschaffen.
Doch beziehe sich der Unionsantrag nur auf Hamburg, und dort gebe es bereits einen Untersuchungsausschuss. Daher müssten in den Untersuchungsausschuss des Bundestages weitere relevante Sachverhalte aufgenommen werden, zum Beispiel die Cum-Cum-Geschäfte.
Linke begrüßt Forderung nach U-Ausschuss
Christian Görke (Die Linke) begrüßte den Unionsantrag: „Wir als Linke kaufen dem Kanzler seine Erinnerungslücken nicht ab.“ Görke forderte die SPD auf, die 45.000 Euro Parteispenden von der Warburg-Bank zurückzahlen. Scholz habe sich dreimal mit Olearis getroffen, als schon längst gegen den Banker ermittelt worden sei.
An die Union gewandt sagte Görke, auch deren Weste sei alles andere als weiß. Das müsse auch untersucht werden.
FDP bezeichnet Antrag als „Theater“
Markus Herbrand (FDP) sagte, Aufklärung sei nötig, aber zwei Ausschüsse in der gleichen Sache müsse es nicht geben. Der Antrag sei Theater, „und das auch noch im falschen Schauspielhaus“.
Es handele sich um Hamburger Themen, und daher sei schleierhaft, wie ein Untersuchungsausschuss des Bundestages Erkenntnisse aus dem Hamburger Rathaus gewinnen könne.
Untersuchungsauftrag
Der Ausschuss soll die Anwendung von Bundesrecht bei den Rückforderungen unberechtigter Kapitalertragsteuererstattungen der Warburg-Bank im Zuständigkeitsbereich der Finanzverwaltung Hamburg seit dem 1. Januar 2011 aufklären. Untersucht werden soll unter anderem, welche Prüfungen und Entscheidungen es im Zusammenhang mit den zu Unrecht erhaltenen Kapitalertragsteuererstattungen aus Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank gab. Ermittelt werden soll, welche Stellen in Hamburg und im Bund die politische Verantwortung dafür tragen. Nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion wirft das Agieren der Freien und Hansestadt Hamburg unter der Verantwortung des damaligen Ersten Bürgermeisters, des späteren Bundesfinanzministers und jetzigen Bundeskanzlers Olaf Scholz im Zusammenhang mit der Warburg-Steueraffäre schwerwiegende Fragen auf.
Daher soll der Untersuchungsausschuss der Frage nachgehen, ob Hamburg im Jahr 2016 das einzige der 16 Bundesländer war, welches die Rückforderungen von zu Unrecht erhaltenen Kapitalertragsteuererstattungen aus Cum-Ex-Geschäften verjähren lassen wollte und was die Gründe dafür waren. Geklärt werden soll, ob Hamburg 2017 erst durch das Bundesministerium der Finanzen zu einer Geltendmachung veranlasst worden und aus welchem Anlass das Ministerium tätig geworden war. Geklärt werden soll auch, welche Kontakte es zwischen Vertretern der Warburg-Bank und dem damaligen Bürgermeister Scholz, dem damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) sowie weiteren Bediensteten der Freien und Hansestadt Hamburg gegeben hat. Kontakte des damaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs (SPD) und des früheren Innensenators Alfons Pawelczyk (SPD) im Zusammenhang mit dem Steuerfall Warburg sollen ebenfalls untersucht werden. Auch soll der Ausschuss der Frage nachgehen, ob es Spenden und Zuwendungen an die die Hamburger Regierung tragenden Parteien von der Warburg-Bank, von mit ihr verbundenen Unternehmen oder von Gesellschaftern der Bank gab.
Zur Rolle des heutigen Bundeskanzlers heißt es in dem Antrag, dass sich Scholz am 1. Juli 2020 in einer Aussage vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages konkret an ein Treffen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Miteigentümer der Warburg-Bank, Christian Olearius, am 10. November 2017 habe erinnern können. Das sei auch im Protokoll der Sitzung so festgehalten. Kurz nach dem 1. Juli 2020 seien zwei weitere Treffen von Scholz und Olearius bekannt geworden sowie ein von Scholz initiiertes Telefonat mit Olarius. In einer weiteren Befragungen am 9. September 2020 im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages sowie am 30. April 2021 im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft habe Scholz dann jedoch erklärt, dass er sich nicht an die Treffen erinnere. Nach Ansicht der Unionsfraktion wirft dieser „rasante und umfassende Gedächtnisverlust des Bundeskanzlers“ die Frage auf, ob es um einen „tatsächlichen oder taktischen Erinnerungsverlust“ gehe und ob Scholz der Öffentlichkeit, den Abgeordneten des Bundestages und denen der Hamburger Bürgerschaft die Wahrheit gesagt habe. (hle/ste/20.04.2023)