Baerbock: China ist immer mehr ein systemischer Rivale
China ist Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale, erklärte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch, 19. April 2023, in der Regierungsbefragung des Bundestages. Der Aspekt „systemischer Rivale“ nehme „leider“ immer stärker zu: „Es war zum Teil mehr als schockierend.“
Die Ministerin, die gerade von einem Besuch Chinas, Südkoreas und des G7-Außenministertreffens in Japan zurückgekehrt war, fügte hinzu, dass man an China nicht vorbeikomme. China sei Deutschlands größter Handelspartner. Man wolle dort zusammenarbeiten, wo dies möglich sei, aber zugleich keine Fehler wiederholen. Daher komme es darauf an, sich nicht von China zu entkoppeln, aber „unsere Risiken zu minimieren“. Sie habe in China, Südkorea und Japan dafür geworben, für die „internationale Ordnung einzutreten“.
Stark-Watzinger: Mut zu Neuanfängen
Ne
ben der Außenministerin stellte sich auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger (FDP) den Fragen der Abgeordneten. Sie hob vor allem auf das Startchancenprogramm der Bundesregierung ab, weil „die Chancen in unserem Land noch nicht gerecht verteilt“ sind.
Die Digitalisierung ist nach Darstellung der Ministerin da, digitale Kompetenzzentren seien auf den Weg gebracht worden. Auch mit der Grundlagenforschung gehe die Regierung voran. Stark-Watzinger: „Das Land braucht Mut zu Neuanfängen.“
Frieden, Stabilität und regelbasierte Ordnung
Annalena Baerbock entgegnete dem CDU-Abgeordneten Jürgen Hardt, in der Straße von Taiwan dürfe es zu keiner militärischen Eskalation kommen: „Unsere Ziele sind Frieden, Stabilität und eine regelbasierte Ordnung.“ Auf den Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Peking angesprochen, sagte Baerbock, zur gleichen Zeit sei eine französische Fregatte durch die Straße von Taiwan gefahren. Macron habe unterstrichen, dass es eine gemeinsame europäische Linie gebe.
Der CDU-Abgeordnete Peter Beyer sprach den parallelen Besuch des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva in China an. Baerbock sagte, Brasilien sei für Deutschland ein Schlüsselpartner, mit dem es auch unterschiedliche Haltungen gebe. Beim Freihandel und Waldschutz sei man näher zusammen als bei der Einschätzung des russischen Angriffskriegs. Brasilien habe aber in der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die entsprechende Resolution gestimmt.
Keine weitere militärische Eskalation
Der Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen, die Lulas Initiative für eine Verhandlungslösung ansprach, sagte die Ministerin, sie habe deutlich gemacht, „dass wir jederzeit über Frieden sprechen wollen“. Ihr Besuch habe dazu gedient, dass es zu keiner weiteren militärischen Eskalation kommt.
Dem SPD-Abgeordneten Andreas Larem antwortete Baerbock zum G7-Treffen in Japan, im Kommuniqué habe man eine deutliche Sprache gefunden. Die Unterstützung für die Ukraine gehe weiter, solange sie gebraucht werde. Die Haltung Japans habe sie mit Blick auf die Sanktionen nicht als zögerlich wahrgenommen. Japan, Südkorea und viele Länder unterstützten die Sanktionen trotz eigener Einbußen. Bei der Sanktionsüberwachung arbeite man eng zusammen.
Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) interessierte sich für die Ukraine-Gespräche in Peking. Dazu sagte die Ministerin, wichtig sei, dass China Bezug genommen habe zu einer möglichen nuklearen Option Moskaus. Sie habe China auch darauf hingewiesen, dass eine militärische Unterstützung für Russland einen Bruch des Völkerrechts darstellen würde. Der chinesische Außenminister habe zugesagt, dass es keine militärische Unterstützung geben werde.
Kein Ende der Sanktionen
Der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle wollte wissen, ob die Ministerin ihr Eintreten für „ständig schärfere Sanktionen“ überdenken werde angesichts einer Resolution des UN-Menschenrechtsrats gegen eine Verlängerung einseitiger Wirtschaftssanktionen. Solange der Angriffskrieg nicht beendet ist, würden auch die Sanktionen nicht beendet, entgegnete Baerbock.
Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron behauptete, das Auswärtige Amt arbeite mit illegalen Mitteln, um in gefälschten Pässen zugunsten ausreisewilliger Afghanen Visa zu erteilen. „Wir beteiligen uns an nichts, was illegal wäre“, erwiderte die Ministerin und wies die Behauptungen Bystrons zurück. Das Aufnahmeprogramm sei gestoppt worden, nachdem man Hinweise auf Fälschungen erhalten habe. Es würden nun zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen gemacht.
Wissenschaftszeitvertragsgesetz und finanzielle Bildung
Nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz erkundigte sich Nicole Gohlke (Die Linke) bei der Bildungs- und Forschungsministerin. Stark-Watzinger erklärte, es gehe ihr um die Schaffung eines attraktiven Wissenschaftssystems, das Gesetz sei dabei ein Baustein. Sie begrüße es, dass der Wissenschaftsrat dazu einen Prozess angestoßen habe. Sie habe Eckpunkte vorgelegt, unter anderem mit „Vorfahrt für die Qualifizierungsbefristung“.
Ria Schröder (FDP) griff die Initiative „Aufbruch finanzielle Bildung“ auf. Die Realität sei, so die Ministerin, dass viele Schüler die Schule verlassen, ohne zu wissen, was die EZB ist, und Probleme mit dem Begriff „Inflation“ hätten. Die Strategie für finanzielle Bildung beziehe sich nicht auf die Schule, sondern auf den gesamten Lebensweg. Wichtig und Grundlage für die Selbstständigkeit sei, Entscheidungen bewusst treffen zu können. In der zweiten Jahreshälfte werde man dazu mit einer Konferenz beginnen.
Startchancenprogramm und Bildungsgipfel
Von Schröder auf das Startchancenprogramm angesprochen, sagte die Ministerin, ihr sei es zu wenig, nur fünf Prozent der Fördermittel nicht nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Länder zu verteilen. Ihr gehe es darum, dort zu unterstützen, wo der Bedarf am größten sei, sie wolle weg vom „Prinzip Gießkanne“. Das Programm habe zum Ziel, die Schulen so auszustatten, dass spezielle Förderungen dort stattfinden könnten. „Da sind wir zur Zeit in der Ausgestaltung“, so Star-Watzinger zu Linken-Abgeordneten Nicole Gohlke.
Den Bildungsgipfel mit den Ländern bezeichnete Stark-Watzinger als Start in einen Prozess, an dem auch die Kommunen beteiligt werden sollen, die beispielsweise den Digitalpakt umsetzen müssten. Die Kräfte müssten besser gebündelt werden, sagte sie der CDU-Abgeordneten Nadine Schön. Die CSU-Abgeordnete Katrin Staffler wollte wissen, ob sich die Ministerin für eine verlängerte Unterstützung für Lehrkräfte einsetzen wolle. Es gebe eine große Nachfrage nach der Weiterbildung durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung, erwiderte die Ministerin.
BaföG-Reform und 200-Euro-Einmalzahlung
Staffler fragte zudem nach der angekündigten BAföG-Reform. Stark-Watzinger hielt ihr entgegen, die Union sei 16 Jahre in der Verantwortung gewesen und hätte strukturelle Reformen durchführen können. Zuletzt hätten nur noch elf Prozent der Studierenden Zugang zur BAföG-Förderung gehabt. „Wir werden auch weiter nichttriviale Dinge abarbeiten“, kündigte Stark-Watzinger an. Ziel sei es nun, Lücken zu schließen, damit das BAföG auch elternunabhängig bezogen werden könne. Sie wolle eine Trendwende beim BAföG, entgegnete sie dem CDU-Abgeordneten Thomas Jarzombek: „Wir schauen uns an, wie sich die Zahlen entwickeln.“
Dr. Lina Seitzl (SPD) bezeichnete die finanzielle Situation von Auszubildenden als angespannt. Stark-Watzinger räumte ein, sie hätte sich gewünscht, dass die 200-Euro-Einmalzahlung schneller bei den Empfänger ankommt. „Wir haben nicht die bürgerfreundliche Verwaltung angetroffen, die man uns versprochen hat“, sagte sie. Dem FDP-Abgeordneten Prof. Dr. Stephan Seiter teilte die Ministerin mit, mit Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt hätten innerhalb eines Monats 2,2 Millionen Anträge abgearbeitet und 400 Millionen Euro ausgezahlt werden können.
Post-Covid und Fraunhofer-Gesellschaft
Dr. Petra Sitte (Die Linke) fragte nach Post-Covid-Leiden unter Schülern. Die Ministerin nannte dies ein wichtiges Thema und sicherte zu: „Wir bleiben dran, wir werden weiter forschen.“ Jarzombek und Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen) sprach den vorzeitigen Rücktritt des Präsidenten des Fraunhofer-Gesellschaft Neugebauer an. Die Ministerin verwies auf Beanstandungen des Bundesrechnungshofs, die „sehr ernst“ gewesen seien und sich auf die vorherige Wahlperiode bezogen hätten.
Nicole Höchst (AfD) erkundigte sich nach der Förderung von Jungen. Dazu erklärte die Ministerin, die Programme orientierten sich nicht am Geschlecht. In den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) seien Frauen immer noch unterrepräsentiert, sodass dort besonders unterstützt werden müsse. (vom/19.04.2023)