Kontroverse Debatte über die Sportpolitik der Bundesregierung
Der Bundestag hat am Donnerstag, 30. März 2023, erstmals über den 15. Sportbericht beraten, den die Bundesregierung als Unterrichtung (20/5900) vorgelegt hat. Nach der Aussprache wurde der Bericht zur weiteren Beratung an den federführenden Sportausschuss überwiesen.
Ministerin will Deutschland wieder in Bewegung bringen
Zum Auftakt der Debatte sprach die für den Sport zuständige Ministerin für Inneres und Heimat, Nancy Faeser (SPD). Die vergangenen Jahre mit der Coronakrise und dem Krieg in der Ukraine, der die Energiepreise explodieren ließ, seien für den Sport sehr herausfordernd gewesen. Eingeschränkter Trainingsbetrieb, Schließungen von Sportanlagen, Saisonabbrüche, die Vereine hätten Mitglieder, ehrenamtlich Engagierte und Einnahmen verloren; vor allem Kinder hätten sich zu wenig bewegt, kurzum: Die Krisen hätten Spuren hinterlassen. Um Deutschland wieder in Bewegung zu bringen, solle der Breitensport mit gezielten Hilfen unterstützt werden. Als Beispiel nannte sie die Stärkung des Ehrenamts, Vereinsgutscheine und Einstiegsangebote. Dafür unterstütze der Bund das Programm „Restart Germany - Sport bewegt Deutschland“ mit insgesamt 25 Millionen Euro.
„Wir haben viel zu tun, und wir haben viel vor“, sagte Faeser. Mehr Medaillen bei Olympischen Spielen, mehr Sportgroßereignisse in Deutschland selbst, mehr Schutz und Sicherheit vor jeglicher Form von Diskriminierung im Sport, wozu zum Beispiel ein unabhängiges Zentrum für „Safe Sport“ gehört. Was auch dazu gehöre, sei die Integration aus der Ukraine geflüchteter Athleten. Die Entscheidung des IOC, Russlands Sportler wieder zuzulassen, nannte einen Schlag ins Gesicht aller ukrainischen Athletinnen und Athleten.
Union: Viele Ankündigungen, wenige Taten
Stephan Mayer (CDU/CSU) erinnerte daran, dass es der Sportbericht den Zeitraum 2018 bis 2021 umfasse. Ja - das seien goldene Jahre gewesen: noch nie sei so viel Geld in den Spitzensport investiert worden, noch nie der Aufwuchs im Haushalt so hoch gewesen, und noch nie seien so viele Projekte angestoßen worden wie in dieser Legislaturperiode – als Schwarz-Rot regierte.
Für die Sportpolitik der aktuellen Ampelkoalition aber sehe es „sehr mau“ aus, sagte Mayer: Das Auftreten der Ministerin in Katar bei der Fußball-WM 2022 habe dem Bild Deutschlands im Ausland nicht geholfen; die Ministerin werfe mit vielen neuen Begriffen um sich, aber tatsächlich sei nichts voran gebracht worden; 25 Millionen Euro für das Restart-Programm seien ein Tropfen auf dem heißen Stein – einzelne Bundesländer gäben mehr Geld aus - und niemand wisse was sich hinter dem neuen Modewort Sportfördergesetz und der „unabhängigen Agentur zur Fördermittelvergabe“ verberge.
Grüne: Gleicher Lohn für gleiche Leistung
Sportpolitik sei Gesellschaftspolitik, sagte Tina Winklmann (Bündnis90/Grüne). Die Ampelfraktionen seien dabei, Grundlegendes zu schaffen, um Athletinnen vor sexueller Gewalt zu schützen, sagte Winklmann, aber das Thema Gleichstellung im Sport müsse noch entschiedener angegangen werden: Es dürfe nicht sein, „dass Frauen weniger Geld, weniger Förderung bekommen, obwohl sie gleiche Leistung bringen“. Sie rufe die Verbände auf, aktiv zu werden: „Gleicher Lohn für gleiche Leistung – das gilt auch im Sport“.
AfD wünscht sich Olympische Spiele in Deutschland
Jörn König (AfD) nannte es ein Verdienst seiner Partei, dass erstmalig überhaupt über den Sportbericht im Bundestag geredet werde. Der Regierung warf er Schlafmützigkeit vor. Der Sport sei jahrzehntelang vernachlässigt worden. Während sich der Kulturetat seit 1992 verfünffacht habe, habe sich der des Sports nur verdreifacht, dabei machten doch eher mehr Menschen Sport als ins Theater gingen.
Die AfD würde es zudem sehr begrüßen, wenn Deutschland sich um Olympische Spiele bewerben würde, sagte König. Deutschland habe seit 1972, den Sommerspielen in München, keine Olympischen Spiele mehr ausgerichtet. Keine der großen Sportnationen und der großen Wirtschaftsnationen sei so lange - inzwischen 50 Jahre -, nicht mehr Ausrichter von Olympischen Spielen gewesen.
FDP: Dank an die Ehrenamtlichen und Engagierten
Sport stärke das Zusammenleben, sagte Philipp Hartewig (FDP). Jede Investition in den Sport sei eine Investition in Gesundheit, aber auch in Integration und Zusammenhalt.
Deutschland habe ein vielfältiges und aktives Sportleben, man müsse aber sehen, dass es zuletzt enorme Einschränkungen gegeben habe. Umso dankbarer sei er denjenigen Engagierten, die durchgehalten hätten: „Ihr habt Euch nicht unterkriegen lassen“ und „macht den Sport auch weiterhin zu etwas ganz Besonderem“, sagte Hartewig.
Linke fordert Sportministerium
Hart ins Gericht ging André Hahn (Die Linke) mit dem Sportbericht. Mit 225 Seiten sei er zwar umfangreicher als der Bericht der Vorgänger, aber nicht besser. Allzu oft verweise der Bund auf die Länder und Kommunen. Zudem sei er handwerklich schlecht gemacht, zusammengestoppelt und in Teilen widersprüchlich.
Interessant sei auch, was nicht im Bericht stehe: So verliere man nicht ein Wort darüber, dass die zunehmende Spaltung in Arm und Reich dazu führt, dass viele sich eine Vereinsmitgliedschaft nicht mehr leisten können; kein Wort darüber, dass der Organisationsgrad der Bevölkerung im Osten mit 15 Prozent nur halb so hoch ist wie im Westen – und auch kein Wort darüber, was der Klimawandel zum Beispiel für den Wintersport an Herausforderungen bedeute. Die Linke halte an ihrer Forderung fest, dass es ein eigenes Ministerium für den Sport geben müsse – oder zumindest einen eigenständigen Bereich im Kanzleramt.
Künftige Olympiabewerbungen Deutschlands
Bundessportministerin Nancy Faeser erinnert in ihrem Vorwort an den Beschluss der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vom 3. Dezember 2022, eine Grundsatzentscheidung vorzubereiten, ob, für welches Jahr und mit welchen Rahmenbedingungen sich Deutschland erneut um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele bewerben soll.
Faeser begrüßt die vom DOSB dazu verabschiedete „Roadmap“. Eine Bewerbung könne nur gelingen, wenn die Bevölkerung rechtzeitig einbezogen und sie von allen Beteiligten als „gemeinsame nationale Aufgabe“ verstanden werde. Stärkere internationale sportpolitische Impulse seien nötig, um Deutschland wieder „olympiareif“ aufzustellen.
Mit den Special Olympics World Games 2023, der Fußballeuropameisterschaft 2024 und den Rhein-Ruhr 2025 FISU World University Games setze Deutschland „neue Maßstäbe im Bereich sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit“, betont die Ministerin. Der Bund fördere diese „Leuchtturm-Veranstaltungen“ mit rund 150 Millionen Euro.
Förderung von Breiten- und Spitzensport
Darüber hinaus will die Ministerin den Breitensport mit gezielten Hilfen unterstützen, zum Beispiel mit dem Programm „Restart Germany – Sport bewegt Deutschland“, das der Bund mit 25 Millionen Euro unterstütze. Ziel sei es, „Menschen zurück in die Vereine zu bringen, das Ehrenamt im Sport zu stärken“ und die Integrationsarbeit der Vereine in Zeiten von Flucht und Vertreibung zu unterstützen.
Sie wolle aber auch die Spitzensportförderung optimieren durch einen zielgenauen Einsatz der öffentlichen Mittel und durch professionelle Verbandsstrukturen, schreibt Faeser. Der Bund werde dazu beitragen, deutsche Spitzenathletinnen und -athleten „auf dem Podium zu sehen“.
Kampf gegen sexualisierte Gewalt im Sport
In der Dopingbekämpfung will Faeser den bisherigen Kurs fortsetzen. Höchste Priorität weist sie der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt im Sport zu.
Der Bund habe sich mit den Ländern, dem organisierten Sport und anderen „relevanten Akteuren“ darauf verständigt, ein unabhängiges Zentrum für „Safe Sport“ zu schaffen, heißt es in Faesers Vorwort. Erste Maßnahme sei die Einrichtung einer unabhängigen Anlaufstelle für die Erstberatung von Betroffenen „in den ersten Monaten des Jahres 2023“. (vom/mis/30.03.2023)