Sport-Staatssekretär warnt vor Zuständigkeitsdebatten
Berlin: (hib/HAU) Die strikte Trennung, wonach der Bund nur für den Spitzensport und die Länder für den Breitensport zuständig sind, muss aus Sicht des für Sport zuständigen Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), Mahmut Özdemir (SPD), überwunden werden. „Wir müssen das miteinander verschränken und dürfen nicht in Zuständigkeitsdebatten verfallen“, sagte er am Mittwoch vor dem Sportausschuss anlässlich der Beratung des 15. Sportberichts der Bundesregierung (20/5900).
Özdemir blickte auch zurück auf die Zeit der Corona-Einschränkungen. Der sich daraus ergebene Bewegungsmangel habe zu Defiziten bei Kindern und Jugendlichen geführt, die jetzt spürbar seien und eine sportpolitische Herausforderung darstellten. „Wenn wir jetzt nicht bei den Kindern und Jugendlichen diese Defizite aufholen, werden wir sie weiterhin mittragen müssen“, sagte er. Vor diesem Hintergrund habe das BMI gemeinsam mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) das mit 25 Millionen Euro unterfütterte Programm „ReStart - Sport bewegt Deutschland“ aufgelegt.
Der Sport-Staatssekretär äußerte sich auch zur Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), russische und belarussischen Sportler wieder in den Sportbetrieb einzugliedern und ihnen die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen zu ermöglichen. Dies sei ein Fehler, sagte er. Die Bundesregierung stehe fest an der Seite der Ukraine. Damit aber deutschen Sportlerinnen und Sportlern aus der IOC-Entscheidung keine Nachteile entstünden, sei der BMI-Erlass zurückgenommen worden, wonach eine Teilnahme an solchen Wettkämpfen zum Ende der Bundesförderung führt.
Zum Thema Gewalt im Sport sagte Özdemir, er sei sehr froh, dass die unabhängige Ansprechstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt im Sport im Juli dieses Jahres offiziell ihre Arbeit aufnimmt. Das zukünftige Zentrum Safe Sport stehe für einen sicheren und gewaltfreien Sport in Deutschland.
Durch die Spitzensportreform, so der Staatssekretär weiter, wolle man künftig auch mehr Erfolge feiern. „Wir wollen den deutschen Spitzensport konkurrenzfähig aufstellen und erstmals in der Geschichte mit einem Sportfördergesetz die rechtlichen Rahmenbedingungen, Rollen und Zuständigkeiten festschreiben.“
Während der Coronazeit seien der Sport und seine mehr als acht Millionen engagierten Menschen in den Vereinen „zu oft vergessen worden“, sagte DOSB-Vizepräsident Jens-Peter Nettekoven. Sportvereine hätten zu den ersten gehört, die schließen mussten und zu den letzten, die wieder öffnen durften, kritisierte er. Infolge des Krieges in der Ukraine hätten die Vereine nun erneut ihre Krisenfestigkeit unter Beweis stellen müssen. „Die Herausforderung, vor der wir jetzt stehen, ist eine schnelle und machbare Dekarbonisierung des Sports“, sagte der DOSB-Vizepräsident. Er sieht den internationalen Sport aktuell als Folge des russischen Angriffskrieges vor einer Zerreißprobe. Die Diskussion um die Visaerteilung für russische und belarussischen Sportler für Wettkämpfe in Deutschland bezeichnete er als einen „Bruch mit der Maxime der Autonomie des Sports“.
Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), kam zu der Einschätzung, dass der paralympische Leistungssport eine beeindruckende Entwicklung genommen habe. Leider sei immer wieder festzustellen, „dass über die Leistungen unserer Athletinnen und Athleten unzureichend berichtet wird“. Als ein weiteres Problem für den Behindertensport benannte Beucher das Thema Hilfsmittelversorgung im Breitensport. In mehreren Fällen schon seien von der Krankenkasse Sportprothesen verweigert worden. Das dürfe im Interesse der gesetzlich verbrieften Teilhabe nicht so bleiben, sagte er.
Johannes Herber, Geschäftsführer des Vereins Athleten Deutschland, sagte, der beschreibende und informative Charakter des Sportberichts führe in Teilen zu einer Aufzählung verschiedener Maßnahmen und Aktivitäten, ohne diese in einen strategischen Gesamtzusammenhang oder in eine kohärente Förderstrategie zu stellen. Um Aussagen zu Wirksamkeit und Optimierungspotenzialen der Sportpolitik im jeweiligen Berichtszeitraum treffen zu können, wären seiner Auffassung nach klarere Ziele vonnöten, „die mit messbaren Kriterien überprüft werden können“.
Aus Sicht von Professor Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln stellt der Sportbericht eine notwendige Dokumentation der Sportpolitik und Sportförderung des Bundes und eine unersetzliche Informationsbasis für Politik, öffentliche Sportverwaltung, Sportselbstverwaltung und Wissenschaft dar. Er sage aber wenig darüber aus, wo die Reise der Sportpolitik und Sportförderung des Bundes zukünftig hingehen soll, welche konkreten messbaren Ziele in welchen Zeiträumen erreicht werden sollen und weshalb.
Der Sportwissenschaftler Robin Kähler, Vorstandsvorsitzender von IAKS Deutschland (International Association for Sports and Leisure Facilities), einer Organisation die sich weltweit um die Sportstätten und Sporträume kümmert, verweis auf das Förderprogramm „Investitionspakt Sportstätten“, durch das im Berichtszeitraum 398 bauliche Maßnahmen begonnen worden seien. Dies sei ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung des Sanierungsstaus, befand er.
Staatssekretär Sandro Kirchner vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration machte als Vertreter der Sportministerkonferenz der Länder deutlich, dass die vom Bund angedachte unabhängige Sportagentur ohne finanzielle Beteiligung der Länder zu realisieren sei. Bei den Olympiastützpunkten wiederum brauche es eine auskömmliche Förderung des Bundes, sagte Kirchner, der auch in Sachen energetische Sanierung der Sportstätten den Bund in der Pflicht sieht.