Wirtschaft

Deutschland als Standort für Biotech-Unternehmen ausbaufähig

Zeit: Mittwoch, 1. März 2023, 9 bis 10.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200

Der Wirtschaftsausschuss hat sich am Mittwoch, 1. März 2023,  in einer öffentlichen Anhörung mit dem Thema „Deutschland als Innovations-, Biotechnologie- und Pharmastandort stärken, EU-Mittel sichern, IPCEI Health beitreten“ (20/2376) beschäftigt. Grundlage der Anhörung war ein Antrag der Unionsfraktion, in dem diese fordert, Deutschland solle sich an dem EU-Vorhaben „Important Project of Common European Interest (IPCEI) Health“ zur Förderung wichtiger Innovationen in der Biotechnologie- und Pharmabranche beteiligen. Sieben Sachverständige gaben in der Anhörung eine Einschätzung zum Thema Förderung, Standort Deutschland und Zukunftsfähigkeit ab.

Prof. Dr. Berthold U. Wigger, Lehrstuhlinhaber für Finanzwissenschaft und Public Management am Karlsruher Institut für Technologie, befand, dass der Staat mit der Förderung Geld in die Hand nehme, um Probleme zu lesen, die er selbst geschaffen habe. Es sei stattdessen wichtiger, das steuerliche Umfeld zu verbessern. „Forschende Unternehmen reagieren auf Rahmenbedingungen sehr schnell. Deutschland ist zu einem Hochsteuerland geworden“, so Wigger, dies wirke nicht als Standortvorteil. Zudem solle der Staat eines nicht tun: einzelne Projekt fördern, sagte Wigger. Stattdessen müsse er die Rahmenbedingungen verbessern und das Steuersystem anpassen.  

Das Beispiel Biontech

Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin der BIO Deutschland sagte, dass selbst mit der Finanzierung für Biotech-Firmen durch das Programm „Important Project of Common European Interest (IPCEI) Health“ in Deutschland immer noch schwierig sei. Dabei wüssten alle spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie, wie wichtig die Branche ist. „Uns fehlt ein Finanzierungs-Ökosystem für junge Unternehmen und Gründungen“, so Bronsema. Man sei zwar hierzulande schon gut in der Innovationsförderung, aber die Investitionen in neue Unternehmen müssten steigen: „Wir haben bei Biontech gesehen, dass es funktioniert.“

Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie, verwies darauf, dass es sich bei IPCEI um ein europäisches Projekt handele. Es brauche bei der Forschungsförderung noch mehr Weitsicht, um zu einer größeren Unabhängigkeit zu kommen. In Deutschland müssten zudem über die Fläche hinweg die Bedingungen für die Unternehmen der Biotech-Branche verbessert werden: „Denn die Industrie geht immer dahin, wo die Standortfaktoren passen.“ Es sei deshalb notwendig, bessere Anreize zu setzen, wenn Deutschland ein starker Standort in diesem Bereich sein wolle. 

„Wir werden nie eine große Biotech-Nation“

Dr. Andreas Eckert, Geschäftsführender Gesellschafter der Eckert Wagniskapital und Frühphasenfinanzierung, war wie der Sachverständige Wigger der Meinung, dass am Steuerrecht gearbeitet werden müsse, um für die Unternehmen bessere Bedingungen zu schaffen. Er glaubte jedoch nicht, dass sich Deutschland zu einem der besten Standorte für die Pharmabranche entwickeln könne: „Wir werden nie eine große Biotech-Nation haben, da haben wir den Zug verpasst.“ Die Branche sei extrem international und reagiere sehr fluide – Unternehmen verlegten ihre Standorte sehr schnell dorthin, wo es die für die besten Bedingungen gebe. 

Dorothee Stamm, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands Medizintechnologie, kritisierte, dass der Datenschutz in Deutschland zu häufig über den Gesundheitsschutz gestellt würde. Es gebe keinen ausreichenden Zugang zu Gesundheitsdaten die wichtig seien für die Forschung und Entwicklung. Grund dafür sei die „sehr strenge Auslegung der Datenschutz-Grundverordnung“. Es stelle für die Unternehmen der Branche eine erhebliche Schwierigkeit dar, wenn beispielsweise Daten aus verschiedenen Quellen nicht miteinander kombinierbar seien. Zudem habe die Branche eine Exportquote von 66 Prozent, es brauche deshalb mehr internationale Standards, „keine deutschen oder europäischen Sonderwege“, so Stamm. 

Verhältnis von Förderung und Nutzen

Alexandra Krieger, Bereichsleiterin Controlling und Compliance bei der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, berichtete von dem hohen Potenzial der Branche. Es sei ein Trend des Aufwuchses zu beobachten, der sich in der Vergangenheit überwiegend positiv entwickelt habe und auch in schwierigen Zeiten ungebrochen sei. Um das Potenzial weiter zu steigern müssten die Prozesse in Deutschland jedoch gesteigert werden. Vieles dauere zu lange, zudem gebe es keine lückenlose Finanzierungskette, sagte Krieger. Dies führe oft dazu, dass „Keimzellen aus Deutschland in den USA groß gemacht werden.“ 

Jörg Schaaber von der Buko Pharma-Kampagne „Gesundheit - global und gerecht“ war der Meinung, dass staatliche Förderung nur gerechtfertigt ist, „wenn nützliche Produkte gefördert werden, die sonst nicht entstehen würden“. Schon die vorherige Bundesregierung habe sich als „Global Health Champion“ bezeichnet; auch weiterhin werde die Grundlagenforschung „sehr stark gefördert, so Schaaber. “Was dabei aber untergeht ist die Frage nach dem Public Investment: Wenn der Staat so viel fördert, was bekommt er dann zurück?„, fragte der Sachverständige. (emu/01.03.2023)