Nachbesserungen an Entwurf für mehr Tempo bei Planung und Genehmigung gefordert
Der Bundestag hat am Donnerstag, 19. Januar 2023, in erster Lesung den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich“ (20/5165) beraten. Nach der Debatte im Parlament überwiesen die Abgeordneten den Entwurf an die Ausschüsse. Bei den Beratungen übernimmt der Rechtsausschuss die Federführung. Ziel des Entwurfes ist es, bei bedeutsamen Infrastrukturvorhaben Verwaltungsgerichtsverfahren zu beschleunigen. Dazu sieht der Entwurf unter anderem ein Vorrangs- und Beschleunigungsgebot in der Verwaltungsgerichtsordnung vor.
In der Debatte stellten sich die Abgeordneten allesamt hinter das grundsätzliche Ziel, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Rednerinnen und Redner der Oppositionsfraktionen sahen den Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) allerdings sehr kritisch. Deutlich mehr Zustimmung kam von den Vertreterinnen und Vertretern der Koalitionsfraktionen – doch auch sie drangen teils auf Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren.
Justizminister: LNG-Tempo als Richtgeschwindigkeit
Für die Bundesregierung sagte Justizminister Buschmann, dass Deutschland mehr Tempo bei Planung und Genehmigung brauche. Diese Verfahren dauerten auch im internationalen Vergleich zu lange.
Dabei zeige das Beispiel der LNG-Terminals, dass es möglich sei. „Das LNG-Tempo muss die neue Richtgeschwindigkeit bei Planung- und Genehmigung sein“, forderte Buschmann. Der vorgelegte Gesetzentwurf sei dazu ein „erster Schritt“.
Union kritisiert Klageerwiderungsfrist
Für die CDU/CSU-Fraktion drückte Stephan Mayer die grundsätzliche Unterstützung seiner Fraktion für das übergeordnete Vorhaben aus. Allerdings sei die Beschleunigung der Gerichtsverfahren nur ein erster Schritt. Deutlich mehr Potential sei – mit einem Faktor fünf zu eins – bei Planung und Genehmigung vorhanden, sagte Mayer.
Im Detail kritisierte der Christsoziale die geplanten Neuregelungen im Gesetzentwurf, so etwa den vorgesehenen Erörterungstermin nach zwei Monaten. Die größten Bedenken habe er aber mit Blick auf die geplante Einführung einer Klageerwiderungsfrist im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und der damit verbundene Herausforderung für die öffentliche Hand, in dieser Zeitspanne alle vom Kläger angebrachten Punkte substantiiert zu erwidern.
SPD: Frage nach Priorisierung von Verfahren
Für die SPD-Fraktion sprach Kaweh Mansoori von einem mutigen, aber auch streitbarem Entwurf aus Buschmanns Haus. Die Koalition wolle „einen neuen Pragmatismus im Umgang mit Planung und Genehmigung“, betonte der Sozialdemokrat. Mit Verweis auf die lange Umsetzungsdauer von Vorhaben sagte Mansoori, dass sich das kein Industrieland der Welt leisten könne.
Einen kritischen Blick empfahl er auf die Frage, welche Verfahren künftig priorisiert werden sollen. „Überholspuren sind gut, aber wenn am Ende alle links fahren, dann ist halt trotzdem Stau“, sagte Mansoori. Er kündigte zudem Diskussionen mit den Praktikern an mit Blick auf die von Mayer genannten Punkte, früher Erörterungstermin und Klageerwiderungsfrist.
AfD fordert personelle Aufstockung der Gerichte
Für die AfD-Fraktion stelle Tobias Matthias Peterka fest, dass Deutschland ein Infrastrukturproblem habe. Es sei schon fast unwirklich, dass man vor 50 Jahren die Kernkraft in Deutschland systematisch und stringent umsetzen konnte. Heute stecke man im „Morast von Bedenken, Beklagen und Verklagen“ fest, sagte der AfD-Abgeordnete und nannte als Beispiele den Berliner Flughafen, Stuttgart 21, Hochwasserschutzmaßnahmen und Windkraftanlagen sowie Stromtrassen.
Den frühen Erörterungstermin sah Peterka ebenfalls kritisch. „Personelle Aufstockung der Gerichte wäre der Schlüssel zu echter Beschleunigung“, meinte der Abgeordnete.
Grüne sehen in Umweltschutz kein Hindernis für „zügige Modernisierung“
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betonte Lukas Benner, dass es Planungsbeschleunigung und „Deutschlandtempo“ brauche. Dass es gehe, wenn der politische Wille vorhanden ist, habe man mit den LNG-Terminals gezeigt. Benner sprach sich aber dagegen aus, LNG nun als Vorbild für alle anderen Vorhaben zu nehmen und „beim Umweltschutz ein bisschen halblang“ zu machen. „Der Umweltschutz steht der zügigen Modernisierung dieses Landes nicht im Weg“, sagte der Abgeordnete.
Benner sprach sich für die Klageerwiderungsfrist im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz aus, liege in diesem Bereich doch ein riesiges Beschleunigungspotential. Über die Länge der Frist könne man aber diskutieren. Wie auch Sozialdemokrat Mansoori kündigte Benner an, über die Frage diskutieren zu wollen, was beschleunigt werden soll.
Linke übt Kritik an Fristverkürzungen
Für die Fraktion Die Linke sprach sich Susanne Hennig-Wellsow ebenfalls darüber aus, festzulegen, was priorisiert werden soll. Sie fragte, ob dazu der Ausbau von Autobahnen, der fossilen Infrastruktur oder Verkehrsflughäfen gehören sollten.
Es könne nicht in unserem Sinne sein, die Klimakrise schneller zu befeuern, meinte die Abgeordnete. Kritisch sah Henning-Wellsow zudem die geplanten Änderungen bei der Verkürzung des Instanzenweges sowie Fristverkürzungen.
FDP: Deutschland soll „High Performer“ werden
Für die FDP-Fraktion nannte Dr. Thorsten Lieb den Gesetzentwurf einen Baustein von vielen, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Damit könnten gerichtliche Verfahren deutlich agiler, schneller und straffer organisiert werden, meinte der Liberale.
Bei Planungs- und Genehmigungsverfahren „erstickt Deutschland geradezu in Langsamkeit“. „Wir wollen endlich High Performer werden als Bundesrepublik Deutschland“, betonte Lieb. Es sei Zeit für einen Umsetzungsturbo, so Lieb.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Verwaltungsgerichtliche Verfahren über besonders bedeutsame Infrastrukturvorhaben könnten aufgrund ihrer Komplexität und der sich in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht ergebenden Schwierigkeiten lange dauern, heißt es in dem Entwurf. Ziel sei es daher, „die Verfahrensdauer für diese Vorhaben mit einer hohen wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedeutung weiter zu reduzieren, ohne hierbei die Effektivität des Rechtsschutzes zu beeinträchtigen“.
Unter Wahrung der Rechte der Beteiligten sollen laut Bundesregierung entsprechende Vorhaben schneller umgesetzt werden können. „Die Beschleunigung der verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist sowohl angesichts der angestrebten Energiewende mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, einschließlich des erforderlichen Ausbaus der Stromnetze, als auch im Hinblick auf den erforderlichen Ausbau und die erforderliche Erneuerung der verkehrlichen Infrastruktur dringlich“, heißt es. Sie sei erforderlich, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung innerhalb der dafür verbleibenden Zeit zu erreichen, da hierfür eine schnelle Umstellung auf nachhaltige Energieversorgung und eine Anpassung der Infrastruktur unerlässlich sei.
Vorrang- und Beschleunigungsgebot vorgesehen
Vorgesehen ist unter anderem ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot, durch das eine bevorzugte Behandlung gegenüber anderen Verfahren gewährleistet werden soll. Im Rahmen eines Erörterungstermins in einem frühen Verfahrensstadium sollen zum einen die Möglichkeiten einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits ausgelotet werden, zum anderen soll, wenn es nicht zu einer solchen Beilegung kommt, ein Verfahrensplan festgelegt werden, mit dem das weitere Verfahren strukturiert wird.
Durch die Verschärfung und Ausweitung der innerprozessualen Präklusion soll der Prozessstoff begrenzt und das Verfahren damit gestrafft werden. Modifikationen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sollen zudem dazu beitragen, „dass schneller mit der Umsetzung von Vorhaben begonnen werden kann“. Daneben soll die Spezialisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bereich der infrastrukturrelevanten Verfahren weiter gefördert werden. Zudem würden energiewirtschaftliche Fachgesetze sowie das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) punktuell geändert, um auch insofern verwaltungsgerichtliche Verfahren über Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen. (scr/hau/19.01.2023)