Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 2. Juni 2022, mehrere Vorlagen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen:
Doppelbesteuerung: Deutschland und Mauritius wollen ihr Doppelbesteuerungsabkommen ändern. Dazu hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes „zu dem Protokoll vom 29. Oktober 2021 zur Änderung des Abkommens vom 7. Oktober 2011 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Mauritius zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen“ (20/1960) eingebracht. Damit sollen entsprechend den BEPS-Mindeststandards nicht nur Doppelbesteuerungen, sondern auch Nichtbesteuerungen oder reduzierte Besteuerungen vermieden werden. Das Verfahren zur Streitbeilegung werde um die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens ergänzt, heißt es in dem Gesetzentwurf, der an den Finanzausschuss überwiesen wurde.
Hauptversammlungen: Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften vorgelegt (20/2246). Mit dem Entwurf soll die aktuell geltende, am 31. August 2022 auslaufende Sonderregelung verstetigt und weiterentwickelt werden. Diese hatte es Aktiengesellschaften in der Pandemie erstmalig ermöglicht, ihre Hauptversammlungen ausschließlich virtuell – also ohne physische Präsenz der Aktionäre – abzuhalten. Durch eine Regelung im Aktiengesetz (AktG) solle es Aktiengesellschaften und verwandten Rechtsformen nun ermöglicht werden, virtuelle Hauptversammlung künftig als zusätzliche Form der Versammlung zu nutzen. Die Regierung plant jedoch, dass virtuelle Hauptversammlungen an einige zusätzliche Voraussetzungen geknüpft werden – etwa an die vollständige Bild- und Tonübertragung sowie die Sicherstellung des elektronischen Frage- und Rederechts. Die Vorlage wurde an den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen.
Haager Übereinkommen: Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 2. Juli 2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zur Änderung der Zivilprozessordnung“ (20/2164) wurde an den Rechtsausschuss überwiesen. Das Übereinkommen regelt den Angaben zufolge die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen aus weiteren Vertragsstaaten außerhalb der Europäischen Union. Es erhöhe die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit in grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, indem es die Voraussetzungen der Anerkennung und Vollstreckung und ihre Grenzen in Gestalt einheitlich geregelter Anerkennungshindernisse festlegt. Zur Durchführung des Übereinkommens sollen in erster Linie Vorschriften des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes genutzt werden. Denn dieses Gesetz enthalte bereits Durch- und Ausführungsvorschriften für vergleichbare Rechtsinstrumente. Daneben sieht der Entwurf Änderungen des autonomen Vollstreckbarerklärungsverfahren für ausländische Urteile in Paragraf 722 Zivilprozessordnung vor.
Doppelbesteuerung II: Deutschland und Mexiko wollen ihr Doppelbesteuerungsabkommen ändern. Dazu hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes „zu dem Protokoll vom 8. Oktober 2021 zur Änderung des Abkommens vom 9. Juli 2008 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Mexikanischen Staaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ vorgelegt (20/2243). Darin geht es vor allem darum, Empfehlungen des gemeinsamen Projekts von OECD und G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung in das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen zu implementieren. Unter anderem wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass Sinn und Zweck des Doppelbesteuerungsabkommens neben der Vermeidung von Doppelbesteuerung auch die Verhinderung von Steuerverkürzung oder Steuerumgehung ist. Der Entwurf wurde an den Finanzausschuss zur federführenden Beratung überwiesen.
Infektionsschutzgesetz: Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Infektionsschutzgesetz (IfSG) geändert werden. Ein vorgelegter Gesetzentwurf (20/2297) wurde zur federführenden Beratung in den Gesundheitsausschuss überwiesen. Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes soll die am 12. Januar 2021 in Kraft getretene EU-Trinkwasserrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Dazu werden die erforderlichen Rechtsverordnungsermächtigungen geschaffen, wie es im Gesetzentwurf heißt. Die EU-Trinkwasserrichtlinie muss bis zum 12. Januar 2023 in deutsches Recht umgesetzt werden, also innerhalb von zwei Jahren. Um in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) die Vorgaben der Richtlinie umsetzen zu können, ist eine Anpassung der Ermächtigungsgrundlage in Paragraf 38 IfSG erforderlich. Zu den neuen Richtlinienvorgaben, für die es bisher keine ausreichende Verordnungsermächtigung gibt, gehören den Angaben zufolge die Erweiterung der Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit sowie die Anwendung des risikobasierten Ansatzes für sicheres Trinkwasser. Ferner sollen Begriffe vereinfacht und harmonisiert sowie Unklarheiten beseitigt werden.
Bürgerinitiative: Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf „zur Änderung des Gesetzes zur Europäischen Bürgerinitiative“ (20/2241) vorgelegt, der federführend im Innenausschuss beraten wird. Damit sollen die nach der neuen EU-Verordnung über die Europäische Bürgerinitiative erforderlichen Änderungen im nationalen Recht vorgenommen werden soll. Wie die Bundesregierung ausführt, macht der Gesetzesentwurf von der Möglichkeit Gebrauch, das Mindestalter für die Unterstützung einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) vom Mindestalter für das aktive Wahlrecht bei Wahlen zum Europäischen Parlament abzukoppeln und auf 16 Jahre herabzusenken. Umgesetzt wird auch die in der Verordnung vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Kontaktstelle einzurichten, die die Organisatorengruppen bei der Einleitung einer EBI durch Informationen und sonstige Hilfestellung kostenlos unterstützen. Diese Aufgabe soll dem Bundesverwaltungsamt zugewiesen werden. Daneben wird das Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative den Angaben zufolge um einen Bußgeldtatbestand erweitert, „da die bisherige Praxis gezeigt hat, dass es hierfür aufgrund der wachsenden Online-Beteiligungen und der damit verbundenen erhöhten Missbrauchsgefahr einen Bedarf gibt“.
Personenstandsrecht: Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften vorgelegt (20/2294). Die federführende Beratung übernimmt der Innenausschuss. Mit der Vorlage, die eine Änderung des Personenstandsgesetzes und der Personenstandsverordnung vorsieht, sollen Regelungen für den elektronischen Zugang der Bürger zu den standesamtlichen Verfahren einführt werden. Wie die Bundesregierung in der Begründung ausführt, schafft der Entwurf die Grundlagen für die elektronische Kommunikation des Bürgers und von anzeigepflichtigen Einrichtungen mit dem Standesamt bei weitgehendem Verzicht auf die Vorlage urkundlicher Nachweise durch Anzeigende und Antragsteller und setzt insoweit die Vorgaben des Onlinezugangsgesetzes um. Im Wesentlichen handele es sich dabei um die Ausstellung einer Personenstandsurkunde oder eines Ehefähigkeitszeugnisses sowie um die Bearbeitung der Anmeldung einer Eheschließung oder der Anzeige einer Geburt oder eines Sterbefalls. Um die Antragsteller und Anzeigepflichtigen von der Vorlage der für die Beurkundung maßgeblichen Nachweise zu entlasten, enthält der Entwurf Vorschriften für die Durchführung eines automatisierten Abrufverfahrens für die erforderlichen Daten aus Personenstandsregistern anderer Standesämter, heißt es in der Begründung weiter. Um die elektronische Datenantwort direkt aus dem angefragten Personenstandsregister generieren zu können, sieht der Entwurf danach eine Intensivierung der elektronischen Nacherfassung der papiergebundenen Alteinträge in den elektronischen Personenstandsregistern vor. Zugleich soll künftig in den Personenstandsregistern die auf Wunsch der Betroffenen mögliche Beurkundung der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, entfallen.
Geflügelseuche: Die Unionsfraktion hat einen Gesetzentwurf für eine höhere Entschädigung im Fall von Geflügelseuchen (20/2338) vorgelegt, der federführend im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beraten wird. Darin wird gefordert, den Tierwert für Geflügel auf 110 Euro pro Tier zu erhöhen. Hintergrund ist die immer häufiger auftretende Vogelgrippe in Deutschland. Allein in den Jahren 2020/2021 sei die Gänsehaltung in Deutschland davon so stark betroffen gewesen, dass mehr als 60 Prozent der Zuchtbestände getötet werden mussten, da Geflügelpest nachgewiesen worden sei. Die Entschädigung der Tierhalter im Seuchenfall werde seit 2014 durch das Gesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen im Tiergesundheitsgesetz geregelt und basiere auf dem gemeinen Tierwert. Dort seien für den Entschädigungsfall Maximalbeträge der einzelnen Tierarten festgelegt. Im Seuchenfall werde der Wert des Tieres vom zuständigen Veterinäramt geschätzt. Übersteige der ermittelte Wert des Tieres den Höchstsatz der Entschädigung, könnten sich Tierhalter aufgrund der geringen Anzahl von Betrieben kaum gegen dieses Risiko mit einer Tierversicherung oder einer Ertragsausfallversicherung absichern.
Budgetierung für Ärzte: Die AfD-Fraktion fordert die Abschaffung der Budgetierung für Ärzte. Die niedergelassenen Ärzte hätten ein Recht, ihren Beruf uneingeschränkt auszuüben, heißt es in einem Antrag der Abgeordneten (20/2360), den der Gesundheitsausschuss federführend beraten wird. Aus Sicht der Fraktion grenzt die Bundesregierung die vertraglich zugesicherte freie Berufsausübung unzulässig und zulasten der Patienten ein. Daher müsse eine ausschließlich ökonomisch begründete Einschränkung der Therapiefreiheit des Arztes sofort außer Kraft gesetzt werden. Starre Budgetvorgaben dürften nicht über die medizinische Behandlung entscheiden. Nach Aufhebung der Budgetierung dürften Patienten nicht finanziell belastet werden, etwa durch eine Anhebung der Krankenkassenbeiträge, heißt es in dem Antrag weiter. Mehrkosten müssen anderweitig finanziert werden, etwa durch eine vollständige Steuerfinanzierung der versicherungsfremden Leistungen.
Sexuelle Gewalt: Die Linksfraktion hat einen Antrag zum Verordnungsentwurf der EU-Kommission für Regeln zur Prävention und Bekämpfung der Darstellung sexueller Gewalt an Kindern (20/2336) vorgelegt. Die Linksfraktion fordert die Bundesregierung auf, sich in den Verhandlungen auf EU-Ebene und in bilateralen Gesprächen mit anderen Mitgliedsstaaten gegen die geplante EU-Verordnung zur Festlegung von Vorschriften für die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern einzusetzen. Die Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern solle mit Maßnahmen verfolgt werden, die effektiv seien und keinen Verstoß gegen die Europäische Grundrechtecharta darstellten, heißt es in dem Antrag der Abgeordneten. Dies betreffe Methoden wie Chatkontrolle, Netzsperren, Upload-Filter oder Altersverifizierungen für Messenger. Die Vorlage wurde zur federführenden Beratung an den Innenausschuss überwiesen.
Genome Editing: Ein Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gemäß Paragraf 65a der Geschäftsordnung zu sogenannten Genome Editings (20/1650) am Menschen wird federführend im Bildungsausschuss beraten. Bei dieser jüngsten Generation gentechnischer Verfahren handle es sich um eine „innovative Methode der Biowissenschaften mit vielfältigen Nutzungsperspektiven in Medizin, Landwirtschaft und bei der industriellen Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe“, heißt es in dem Bericht. Er biete einen Überblick über die aktuellen wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten und Ziele und beschreibe den Stand der Erforschung sowie der Nutzung vor allem im Bereich der somatischen Gentherapie.
Torfnutzung: „Torfnutzung sicherstellen und Moore schützen“, lautet der Titel eines Antrags der CDU/CSU-Fraktion (20/2351), der federführend im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beraten wird. Darin schlägt die Fraktion vor, den Moorbodenschutz durch „Anreize und neue Nutzungsmöglichkeiten“ wie Torfmooskultivierung oder Paludikulturen auf bislang agrarwirtschaftlichen und wiedervernässten Flächen zu fördern. Zudem plädiert sie dafür, beim Schutz der Moore und Moorböden auf freiwillige und kooperative Ansätze zu setzen. Eingriffe in das Eigentum durch Nutzungseinschränkungen etwa müssten vollumfänglich entschädigt werden. Ferner seien Forschung und Entwicklung für die Nutzung von Torfersatzprodukten weiterhin in „enger Abstimmung mit Wissenschaft und Wirtschaft“ fortzuführen sowie Anreize zu schaffen, um Gartenbetriebe für eine Umstellung auf torfreduzierte Substrate zu gewinnen, heißt es in der Vorlage. Der Erhalt der Moore als Lebensraum seltener Arten und Kohlenstoffsenke stelle einen unverzichtbaren Beitrag für Klima- und Biodiversitätsschutz dar. Torf aus degenerierten Moorböden jedoch sei bis heute der wichtigste Bestandteil von Blumenerden und Kultursubstraten. Letztere würden insbesondere im Obst- und Gemüseanbau eingesetzt. Ziel müsse daher sein, den Einsatz von Torf von Gartenbaubetrieben europaweit zu senken und „Schritt für Schritt“ möglichst durch Substrate zu ersetzen.
Sport: Abgesetzt von der Tagesordnung wurde ein von der AfD-Fraktion vorgelegter Antrag mit dem Titel „Sportnation Deutschland – Stärkung des gesellschaftlichen Stellenwerts des Sports“ (20/2363). Die federführende Beratung sollte der Sportausschuss übernehmen.
(irs/23.06.2022)