Wohngeld Plus und zweiter Heizkostenzuschuss beraten
Mit mehr Wohngeld für mehr Haushalte und einem weiteren Heizkostenzuschuss will die Bundesregierung Geringverdiener angesichts steigender Wohnkosten entlasten. Zwei dazu von ihr vorgelegte Gesetzentwürfe (20/3936, 20/3884) hat der Bundestag am Donnerstag, 13. Oktober 2022, nach rund 70-minütiger Debatte zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen überwiesen.
„Die hohen Energiepreise treffen diejenigen am härtesten, die ohnehin mit sehr wenig Geld auskommen müssen“, betonte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Mit den Maßnahmen, beide Teil des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung, setze die Koalition zielgerichtet bei den Wohnkosten an, die so stark gestiegen seien, „dass mehr Menschen unsere Unterstützung brauchen“.
Heizkostenzuschuss und Wohngelderhöhung
Konkret plant die Bundesregierung, Wohngeldempfängerinnen und -empfängern für die Heizperiode von September bis Dezember 2022 einmalig einen zweiten Heizkostenzuschuss zu zahlen: für eine Person 415 Euro, für zwei Personen 540 Euro und für jede weitere Person zusätzliche 100 Euro. Zuschussberechtigte Azubis, Schülerinnen und Schüler und Studierende sollen jeweils 345 Euro erhalten. „Damit helfen wir im bevorstehenden Winter schnell und unbürokratisch“, zeigte sich Geywitz überzeugt.
Ab dem 1. Januar 2023 soll dann das neue „Wohngeld plus“ mit deutlich höheren Zuschüssen zur Miete und einem stark ausgeweiteten Empfängerkreis greifen. Statt bisher rund 180 Euro pro Monat sollen Berechtigte fast das Doppelte bekommen, nämlich rund 370 Euro pro Monat. Die Zahl der anspruchsberechtigten Haushalte soll sich sogar verdreifachen, von 600.000 auf zwei Millionen. Darüber hinaus schlägt die Bundesregierung die Einführung einer dauerhaften Heizkostenkomponente vor, die entweder als Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete ausgezahlt werden oder – im Falle von Wohneigentum – als Belastung in die Wohngeldberechnung eingehen soll. Mit einer ebenfalls dauerhaften Klimakomponente will die Bundesregierung Mieterhöhungen wegen energetischen Gebäudesanierungen abfedern. „Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag für eine sozial gerechte Klimawende“, urteilte Geywitz.
Ministerin: Auszahlung nimmt einige Zeit in Anspruch
Die Bauministerin sprach insgesamt von einem „großen Kraftakt“ bei der Umsetzung der Reform. Die Wohngeldstellen der Kommunen würden sich schon jetzt darauf vorbereiten und ihr Ministerium stehe zur Unterstützung bereit.
Dennoch würde die Auszahlung „einige Zeit in Anspruch nehmen“, dämpfte sie die Erwartungshaltungen. Sie ging damit indirekt auf die Alarmsignale der Kommunen ein, die schon seit Wochen warnen, sie könnten die zu erwartende Antragsflut wegen des Personalnotstands in ihren Verwaltungen nicht bewältigen. Das Wohngeld könne daher für die Fülle der neuen Berechtigten kaum zum Jahresanfang 2023 an alle ausgezahlt werden.
Union moniert „handwerkliche Mängel“
Eine Sorge, die Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) teilt: „Die Kommunen wissen nicht, wo ihnen der Kopf steht.“ Es fehle an Personal, Büros und technischer Infrastruktur, außerdem drohe die von der Koalition vorgeschlagene vorläufige Auszahlung den Verwaltungsaufwand noch zu erhöhen. Schuld an dieser Situation sei die Bundesregierung, weil sie die Reform viel zu spät auf den Weg gebracht habe.
Luczak sicherte ihr dennoch im Namen der Unionsfraktion ausdrücklich deren Unterstützung für die Wohngeldnovelle zu. Doch müsse sie die nächsten Wochen nutzen, um handwerkliche Mängel am Entwurf zu beseitigen. Konkret kritisierte der CDU/CSU-Abgeordnete die Mietstufen-Definition, die für die Bemessung der maximal zu bezuschussenden Miete oder die Belastung wichtig ist. Die Klimakomponente bezeichnete Luczak zudem als „Mogelpackung“, da der energetische Zustand des Gebäudes für die Auszahlung keine Rolle spielen solle.
Linke nennt Entwurf „unzureichend“
Auch Caren Lay, deren Fraktion Die Linke sich seit langem für eine Reform des Wohngeldes einsetzt, kritisierte den Entwurf als „unzureichend und Stückwerk“. Dass die Bundesregierung eine Wohnkostenbelastung von 40 Prozent zum Maßstab für den Anspruch auf Wohngeld mache, sei „völlig inakzeptabel“. Niemand in Deutschland solle mehr als 30 Prozent seines Einkommens für Wohnen ausgeben müssen, das gehöre zu den „Grundfesten unseres Sozialstaats“.
Die Mietstufen-Systematik führe außerdem dazu, dass 187 Gemeinden künftig herabgestuft würden, was ein Absenken der Zuschüsse statt einen Anstieg zufolge habe. Sie forderte die Koalition auf, die Marktmieten zum Maßstab für die Berechnung zu machen.
AfD kritisiert „selbst verschuldete Knappheit“
Roger Beckamp (AfD) warf der Bundesregierung vor, die hohen Preise für Wohnen, Bauen und Energie durch eine „selbst verschuldete Knappheit“ in beiden Bereichen maßgeblich verursacht zu haben.
Indem sie immer mehr Anreize für die Flucht von „Millionen Menschen“ nach Deutschland setze, werde der Wohnraum hierzulande immer knapper und teurer. „Früher brauchte die Mittelschicht kein Wohngeld“, urteilte Beckamp, der die Ampel-Koalition aufforderte, Deutschland zu einer „Wüste für Menschen zu machen, die nicht schutzbedürftig sind“.
Abgeordnete: Symptom- statt Ursachen-Bekämpfung
Dass ein höheres Wohngeld nur die Symptom bekämpft, aber nicht die Ursachen der immer höheren Wohnkosten, thematisierten auch zahlreiche andere Redner in der Debatte, wenngleich mit gänzlich anderem Fokus als der AfD-Abgeordnete Beckamp. Lay sieht die Gründe in „Mietenwahnsinn und Spekulation“ durch große private Konzerne. Statt denen „am Ende des Tages noch das Geld hinterher zu schmeißen“, müsste unter anderem ein bundesweiter Mietendeckel eingeführt werden.
SPD: Vorschläge ernst nehmen und anpacken
Verena Hubertz (SPD) verwies auf die gestern vorgestellten Ergebnisse des von Geywitz initiierten „Bündnisses für bezahlbares Wohnen“ und sicherte zu, die Bundesregierung werde die 47 Seiten mit Vorschlägen sehr ernst nehmen und anpacken. „Wir gehen ran an die Wurzeln des Problems.“
Grüne für mehr Sozialwohnungen
„Mit dem Wohngeld finanzieren indirekt auch die viel zu hohen Mieten in unserem Land“, erklärte auch Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen).
Die zugrundeliegenden Probleme ließen sich nur mit mehr Sozialwohnungen, einer Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit, Wohnungstauschprogrammen und einer energetischen Ertüchtigung der Gebäude lösen.
FDP: Kommunen bei Auszahlung unterstützen
Daniel Föst (FDP), der seine Fraktion als „bekennende Fans des Wohngeldes“ bezeichnete, stellte klar, dass der Staat „nicht auf Dauer einen großen Teil der Gesellschaft beim Bauen und Wohnen subventionieren kann“. Die Baukosten müssten sinken, die Genehmigungsverfahren schneller werden, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Wichtig sei zudem, die Kommunen bei der Auszahlung des Wohngeldes zu unterstützen. Der Entwurf sehe dafür Abschlagszahlungen und digitale Anträge vor.
Vier Milliarden Euro für Wohngeld
Unklar ist noch, wer das neue Wohngeld – die Bundesregierung beziffert die Kosten auf knapp vier Milliarden Euro – bezahlen soll. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen sich Bund und Länder diese je zur Hälfte teilen. Die Länder wollen hingegen, dass der Bund die kompletten Kosten übernimmt. Eine Lösung ist bislang nicht in Sicht.
Klar ist bisher nur, dass der Bund die auf etwa 550 Millionen Euro bezifferten Ausgaben für den zweiten Heizkostenzuschuss übernimmt. Mit dieser Einmalzahlung befasst sich der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am Montag, dem 17. Oktober 2022, im Rahmen einer Expertenanhörung. (joh/13.10.2022)