Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 8. September 2022, eine Reihe von Vorlagen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen:
Afrikanischer Binnenmarkt: Die Bundesregierung soll nach dem Willen der AfD-Fraktion die ordnungspolitischen Bemühungen der afrikanischen Staaten, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu schaffen, noch stärker als bisher fördern. In einem Antrag (20/3273), der im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung federführend weiterberaten wird, schreiben die Abgeordneten, ein funktionierender afrikanischer Binnenmarkt sei Voraussetzung für eine krisenfeste Entwicklung Afrikas und für einen Rückgang der dortigen Migration. Vom Zugang zu größeren Absatzmärkten würde auch die deutsche Wirtschaft profitieren, so die Fraktion. Unter anderem will die AfD, dass die deutsche wirtschaftliche Zusammenarbeit die Verbesserung der regionalen Investitions- und Handelsstandards unterstützt sowie den Auf- und Ausbau des afrikanischen Binnenmarktes forciert und „im Interesse Deutschlands“ mitgestaltet.
Widerstandsfähigkeit in Afrika: Ein Antrag der AfD mit dem Titel „Post-Covid-19-Strategie zur Steigerung der Widerstandsfähigkeit und Erholung Afrikas durch verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit“ (20/3274) wird ebenfalls federführend im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beraten. Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, sich für einen wirtschaftlich orientierten Austausch mit den afrikanischen Staaten und der Afrikanischen Union einzusetzen. Die deutsche wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika muss nach Ansicht der Fraktion in Übereinstimmung gebracht werden mit „panafrikanischen Dynamiken“, die auf den Grundlage der afrikanischen Gesellschaften, Kulturen und Volkswirtschaften aufbauen. In Verbindung mit der deutschen Privatwirtschaft und unter Einbeziehung der afrikanischen Regierungen und der dortigen Privatwirtschaft müsse die Transformation der afrikanischen Volkswirtschaften forciert und „im Interesse Deutschlands“ mitgestaltet werden, heißt es in dem Antrag. Die wirtschaftlichen Chancen einer solchen Entwicklung seien zu nutzen, um Afrika auch für die deutsche Wirtschaft als Absatzmarkt für Technologietransfer zu erschließen.
Entwicklungszusammenarbeit: Die AfD-Fraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag (20/3269) auf, dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ in der Entwicklungszusammenarbeit „uneingeschränkte und absolute Geltung zu verschaffen“. Ein vorausschauender entwicklungspolitischer Ansatz muss nach Ansicht der AfD im Hinblick auf künftige Krisen vor allem die kontinentale und regionale Wertschöpfung der Partnerländer stärken. Sich nur auf die Lieferketten zu fokussieren, würde hingegen die Auswirkungen derartiger Krisen verstärken, heißt es in dem Antrag. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit verzettele sich „mit unzähligen staatlichen, politischen, privaten und kirchlichen Akteuren und Projekten“ und gehe damit an den Erfordernissen resilienter Entwicklungspolitik vorbei. Vielmehr würden dadurch neue Abhängigkeiten geschaffen. Die Fraktion befürwortet laut Antrag wirtschaftliche Anreize, welche nur durch eine „nach marktwirtschaftlichen Prinzipien ausgestaltete Entwicklungszusammenarbeit“ angeregt werden könnten. Gefordert wird eine afrikapolitische Strategie mit dem Fokus auf deutschen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen, die auch die Interessen der Partnerstaaten angemessen berücksichtigen solle. Der Antrag wird im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beraten.
Tarifermäßigung für Landwirte: Ein Antrag der AfD-Fraktion zur Tarifermäßigung bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft wurde zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss überwiesen (20/2535). Darin spricht sich die Fraktion dafür aus, dass Tarifermäßigungen, die eigentlich Ende dieses Jahres auslaufen würde, bis 2031 weiterhin zur Anwendung kommen. Wie die Fraktion erläutert, haben Landwirte die Möglichkeit, sich zwischen dem Regeltarif und einem für sie gegebenenfalls günstigeren Sondertarif bei der Einkommensteuer zu entscheiden. Diese Möglichkeit habe sich als Instrument des landwirtschaftlichen Risikomanagements etabliert und bewährt. Landwirten werde damit die Chance auf ein höheres Einkommen eröffnet.
Solidaritätszuschlag: Die AfD-Fraktion fordert, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen. Das geht aus einem Antrag hervor, der federführend im Finanzausschuss beraten wird (20/2536). Der Solidaritätszuschlag sei im Jahr 1995 eingeführt worden, um den damals in einer schwierigen Haushaltslage befindlichen Bund bei der Finanzierung des Aufbaus Ost zu unterstützen. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 mangele es dem Solidaritätszuschlag jedoch an einer verfassungsrechtlichen Legitimation.
Medizinische Behandlungspflege: Die AfD-Fraktion fordert eine neue Finanzierungsgrundlage für die medizinische Behandlungspflege. Da die Pflegekassen nur die gesetzlich festgelegten Pauschalbeträge je Pflegegrad zahlten, trügen Heimbewohner einen großen Teil der medizinisch verordneten behandlungspflegerischen Leistungen selbst, heißt es zur Begründung in einem Antrag der Fraktion (20/3272), der federführend im Gesundheitsausschuss beraten wird. In der häuslichen Pflege übernehme die gesetzliche Krankenkasse alle Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Die unterschiedliche Regelung führe dazu, dass stationäre Pflegeeinrichtungen deutlich weniger von den Pflegekassen für die gleichen Pflegeleistungen vergütet bekämen als im ambulanten oder häuslichen Bereich. Zugleich müssten Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen die fehlende Refinanzierung durch hohe Eigenanteile an den Heimkosten ausgleichen, obwohl auch sie Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlten. Die Abgeordneten fordern eine gesetzliche Änderung dahingehend, dass die Krankenkassen alle Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege übernehmen. Für die behandlungspflegerischen Leistungen in der ambulanten, häuslichen und vollstationären Pflege müssten dieselben Finanzierungsgrundlagen gelten.
Versorgungssicherstellung: Die AfD-Fraktion fordert in einem Antrag (20/3271), die Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus verursachten Epidemie (MedBVSV) sofort außer Kraft zu setzen. Die Verordnung ermöglicht die zentrale Beschaffung von Produkten des medizinischen Bedarfs durch die Bundesregierung zur Versorgung der Bevölkerung in der Corona-Pandemie. Zu den Produkten des medizinischen Bedarfs gehören beispielsweise Arzneimittel, Medizinprodukte, Labordiagnostika, persönliche Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel. Nach Ansicht der AfD-Fraktion ist nicht nachvollziehbar, warum die Verordnung noch Bestand hat. Ihre Grundlage, die epidemische Lage von nationaler Tragweite, sei längst ausgelaufen. Der Antrag wurde zur federführenden Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen.
Afrikanische Schweinepest: Die Fraktion der AfD fordert in einem Antrag die Bundesregierung auf, „ganzheitliche Ansätze zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest zusammenführen“ (20/3270). Darin schreiben die Abgeordneten, die Bundesregierung solle den „Zentralen Krisenstab Tierseuchen“ unterstützen, damit die ständig zu erweiternde Umzäunung der Gefährdungszonen zur Afrikanischen Schweinepest (ASP) mit ausreichend Material und mehr Personal ausgebaut werden könne. Zudem solle der Bund die entstehenden Kosten für Zaunbau, Instandhaltung sowie die Bejagung im Rahmen der Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest kofinanzieren. Außerdem seien die Bundesländer mit Bundesmitteln zur Bekämpfung der ASP stärker zu unterstützen. Die Vorlage wird federführend im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beraten.
Opfer von NS-„Euthanasie“: „Opfer von NS-'Euthanasie' und Zwangssterilisation als Verfolgte des Nationalsozialismus anerkennen – Aufarbeitung vorantreiben“, lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Die Linke (20/2429), der im Ausschuss für Kultur und Medien federführend beraten wird. In ihrem Antrag fordert Die Linke die Bundesregierung auf, den Opfern der aus politischen und volkswirtschaftlichen Gründen geplanten und vollendeten Ermordung während der NS-„Euthanasie“-Programme zwischen 1939 und 1945 in den fünf Mordzentren in Grafeneck (Baden-Württemberg), Brandenburg/Havel (Brandenburg), Bernburg (Sachsen-Anhalt), Hadamar (Hessen) und Sonnenstein (Sachsen) ein würdiges und angemessenes Gedenken zu bereiten, das auch Angehörige und Nachfahren einbezieht. Zudem müsste die Opfergruppe der Verfolgten und Ermordeten angemessen im nationalen Gedenkstättenkonzept des Bundes zu berücksichtigt werden. Darüber hinaus soll die gesellschaftspolitische Bildung über diese Opfergruppe und die damaligen Täter ausgebaut und ein digitaler Gedenk- und Informationsort mit der namentlichen Nennung der Opfer und deren Leidensgeschichte in kommentierter Weise geschaffen werden. Die Linke verweist darauf, dass die Mehrzahl der Zwangssterilisierten und „Euthanasie“-Geschädigten nach 1945 keine angemessene Wiedergutmachung für das ihnen zugefügte Leid erhalten hätten. Ihre Traumatisierung und Stigmatisierung sowie ihre gesundheitlichen Schäden würden bis heute in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen.
(ste/irs/08.09.2022)