Oppositionsantrag zur Inflation abgelehnt, ein weiterer überwiesen
Der Bundestag hat am Donnerstag, 7. Juli 2022, zwei Anträge der AfD-Fraktion zur Inflation in Deutschland beraten. Mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen wiesen die Abgeordneten eine Vorlage mit dem Titel „Raus aus der Stagflationsfalle – Wirtschaftliches Fitnessprogramm für Deutschland“ (20/2589) zurück. Die zweite Vorlage trägt die Überschrift „Inflation realistisch berechnen – Einführung von Warenkörben für den wöchentlichen Großeinkauf und den täglichen Einkauf“ (20/2601). Sie wurde nach der Aussprache zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Die Federführung übernimmt der Wirtschaftsausschuss.
AfD fordert schnelle Entlastung von Steuern
Steigende Energie- und Lebensmittepreise, gestörte Lieferketten und sinkende Exportzahlen – da braue sich der „perfekte Sturm zusammen“, es drohe eine Stagflation, möglicherweise sogar eine Rezession, warnte Leif-Erik Holm (AfD). Der Bundesregierung warf er vor, auf die alarmierende Lage zu langsam und nur unzureichend zu reagieren: Statt über „Windräder zu reden“, müsse man alles dransetzen, schnell die Energieversorgung zu sichern.
Dafür müsse sie nur die Kernkraftanlagen weiter laufen lassen. Um die Inflation zu bremsen, brauche es zudem eine echte und schnelle Entlastung von den viel zu hohen Steuern und Abgaben. „Temporäre Trostpflästerchen“ und „konzertierte Kaffeekränzchen“ reichten nicht.
SPD: Noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft
Takis Mehmet Ali (SPD) verteidigte die Politik der Ampelkoalition: Mit dem Entlastungspaket habe die Bundesregierung schnell auf die steigenden Preise reagiert – und die Möglichkeiten des staatlichen Handels seien noch nicht ausgeschöpft.
Über die Fixierung von Preisen, wie bestimmte Höchstpreise oder Mindestpreise und auch über die Senkung von Steuern und Abgaben könne man immer reden, so der Sozialdemokrat, „Mix“ könne sich lohnen. Ziel müsse es sein, mit präventiven Maßnahmen eine lange Rezession zu verhindern.
CDU/CSU: Neuverschuldungspolitik befeuert Inflation
Dr. Klaus Wiener (CDU/CSU) und hielt der Bundesregierung vor, mit ihrer Politik der Neuverschuldung die Inflation erst recht zu befeuern. Auch die Entlastungspakete gingen in die falsche Richtung. Richtig sei es zwar, besonders betroffene Gruppen zu entlasten – doch dabei sollte es nur darum gehen, „Belastungsspitzen“ wegzunehmen, meinte Wiener.
Die Gießkanne einzusetzen, wie es die Ampel mit Tankrabatt, 9-Euro-Ticket und Energiepauschale tue, sei eine ziellose Verschwendung.
Grüne verteidigen „zielgerichtete Investitionen“
Dieter Janecek (Bündnis 90/Die Grünen) widersprach der Kritik. Die Maßnahmen der Ampelkoalition seien „zielgerichtet“ gewesen, betonte der Abgeordnete und nannte unter anderem auch auf die Zuschüsse für Wohngeldempfänger und Bezieher von Sozialleistungen. Janecek verwies zudem darauf, dass der Grund für die steigende Inflationsrate ein „Angebotsschock“ sei – anders als in den USA sei in Deutschland die Inflation von der Preisentwicklung bei fossilen Energieträgern wie Gas, Öl und Kohle getrieben.
Um die Abhängigkeit davon zu reduzieren, forciere die Regierung jetzt den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv. Nur mit zielgerichteten Investitionen und zielgerichteten Entlastungen kämpfe man gegen die Krise – breitangelegte Steuerentlastungen, wie sie die AfD fordere, seien dagegen nicht das Richtige.
Linke moniert kurze Wirkung der Entlastungspakete
Auch Die Linke ging die AfD scharf an: Christian Görke bezichtigte die AfD, reine „Imagepflege“ zu betreiben. Die AfD sei nicht die „Partei der kleinen Leute“, so der Linken-Politiker, und ihr Antrag ein „unbestimmter Wildwuchs von Forderungen“ mit „Steuergeschenken für Reiche“.
Aber auch die Bundesregierung blieb nicht von Kritik verschont: Deren Entlastungspakete seien wie Wunderkerzen - „Einmal angezündet, schnell verbrannt“, monierte Görke. Doch die Belastungen blieben – statt nachzusteuern, kämen sogar weitere Belastungen dazu, so der Abgeordnete mit Blick auf die steigende Krankenkassenbeiträge und die neue Zuzahlungspflicht zu Corona-Schnelltests.
FDP betont „seriöse Finanz- und Haushaltspolitik“
Als eine Politik, die die Abhängigkeit von Russland vergrößere, bezeichnete schließlich Reinhard Houben (FDP), die Forderungen der AfD. Hier mache die Bundesregierung aber nicht mit. Ihre Antwort auf die gegenwärtige Krise sei stattdessen: der Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Diversifizierung des Einkaufs von Öl, Gas und Kohle und unterschiedlichste Metallen und Rohstoffen.
Der Blick auf die Inflationsraten gebe der Bundesregierung in ihrem Kurs recht: In Ländern wie USA, Großbritannien und auch in Russland seien die Raten höher als in Deutschland. In Deutschland sei sie sogar zuletzt gesunken. „Das zeigt, dass wir die richtigen Maßnahmen ergriffen haben.“ Was für die Zukunft zudem helfen werde, sei eine „seriöse Finanz- und Haushaltspolitik“, sagte Houben. Die Ampel werde die Schuldenbremse mit dem nächsten Haushalt wieder einhalten.
Abgelehnter Antrag der AfD
Die AfD drang auf Maßnahmen gegen die steigende Inflation. In ihrem ersten Antrag (20/2589) forderte die Fraktion ein „wirtschaftliches Fitnessprogramm“ für Deutschland, um der drohenden „Stagflationsfalle“ zu entkommen. Konkret schlugen die Abgeordneten vor, Bürger und Unternehmen von Steuern und Abgaben zu entlasten. So sollte vor allem die Energie- und Stromsteuer auf den Verbrauch von Heiz- und Kraftstoffen dauerhaft auf die „zulässigen EU-Minima“ abgesenkt werden, hieß es in der Vorlage. Aufgefordert wurde die Bundesregierung außerdem, sich auf EU-Ebene für eine Änderung der Energiesteuerrichtlinie und mittelfristig für eine Abschaffung dieser Steuer einzusetzen.
Auch auf eine Abschaffung der CO2-Abgabe drang die AfD: Hierzu sollte nach der Vorstellung der Fraktion das Brennstoffemissionshandelsgesetz außer Kraft gesetzt werden. Weitere Forderungen bezogen sich unter anderem auf die Weiternutzung von Kohle- und Kernkraftwerken, um Versorgungssicherheit und sinkende Preise zu gewährleisten, sowie die Entlastung von Unternehmen von Bürokratiekosten.
Überwiesener Antrag der AfD
In ihrem zweiten Antrag (20/2601) fordert die AfD, die Inflation realistisch zu berechnen und für diese Kalkulation Warenkörbe für den wöchentlichen Großeinkauf und den täglichen Einkauf einzuführen. „Vertrauensverlust tritt dort ein, wo der Bürger seine täglichen Beobachtungen nicht von den veröffentlichten Daten bestätigt sieht“, heißt es darin. „Ist die 'gefühlte Inflation' regelmäßig weit höher als die offiziell ausgewiesenen Zahlen, erodiert das Vertrauen in den Staat und seine Institutionen.“ Die Fraktion verweist auf die regelmäßigen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zur Inflation und zur Änderung der Energie- und Nahrungsmittelpreise. Grundlage dieser Indizes seien sogenannte Warenkörbe, die neben Gütern und Dienstleistungen des täglichen Gebrauchs auch Waren umfassen würden, die weit seltener gekauft werden, etwa Autos, Fernsehgeräte und Waschmaschinen. Der tägliche oder wöchentliche Einkauf weiche üblicherweise von der offiziellen Inflationsrate ab, die ja auf dem großen Warenkorb basiere. Indizes des täglichen oder wöchentlichen Bedarfs würden hingegen nicht veröffentlicht, schreibt die Fraktion.
Die Bundesregierung soll das Statistische Bundesamt anweisen, neben der monatlichen Veröffentlichung von Verbraucherpreisindex und Inflationsrate monatlich einen Sonderindex des täglichen Bedarfs (Mikrowarenkorb) zu veröffentlichen, der die Inflation eines täglichen Einkaufs widerspiegelt. Zusätzlich soll monatlich ein Sonderindex des wöchentlichen Bedarfs (Miniwarenkorb) veröffentlicht werden, der die Inflation eines wöchentlichen Großeinkaufs widerspiegelt, fordern die Abgeordneten. (che/sas/irs/07.07.2022)