Technikfolgenabschätzung

Experten betonen Not­wendigkeit von Pandemie-Frühwarnsystemen

Zeit: Mittwoch, 22. Juni 2022, 15 bis 17 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3 101

Krisen wie die Corona-Pandemie stellen Gesellschaft, Wissenschaft und Politik vor große Herausforderungen. Um auf zukünftige Krisen möglichst gut vorbereitet zu sein, braucht es Frühwarnsysteme und Resilienzstrategien. Es müsse davon ausgegangen werden, dass Krise zum Normalzustand werde, darin waren sich die Experten während des Fachgesprächs des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) einig. Am Mittwoch, 22. Juni 2022, hatten sich Experten aus Wissenschaften und Politik im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zum Thema „Resilienz von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft durch Krisenvorhersage stärken – Lehren aus der Coronakrise“ ausgetauscht.

Verlässlichen Daten und globale Absprachen

Prof. Ilona Kickbusch, Mitglied im Global Preparedness Monitoring Board (GPMB), geht davon aus, dass Pandemien in Zukunft häufiger auftreten werden. Die Corona-Pandemie habe einige Erkenntnisse darüber geliefert, wie Frühwarnsysteme konzipiert werden müssen. So komme es unter anderem bei Systemen und Reaktionen darauf an, interdisziplinär vorzugehen und nicht nur im nationalen Kontext zu denken. Auch müssen die Daten, nach dem ein Frühwarnsystem arbeitet, verlässlich sein. Ebenso wichtig sei es aber, Vertrauen in Daten und politische Abläufe zu schaffen, damit in Krisenzeiten Systeme gut funktionierten.

Die Bedeutung von Daten und globaler Absprachen betonten auch Dr. Siegfried Behrendt und Michaela Evers-Wölk vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Für das Büro für Technikfolgenabschätzung arbeiten sie aktuell an einer Studie zu einem Krisenradar. Dabei untersuchen sie, wie Frühwarnung in Deutschland aktuell funktioniert, welche Schwierigkeiten bestehen und welche Lehren sich aus der Pandemie ziehen lassen. Behrendt zeigte sich überrascht, wie wenig Kenntnis es hierzulande über Frühwarnsysteme gebe. Ein Problem liege darin, dass einer Frühwarnung nicht immer eine frühzeitige Reaktion folge.

Interaktion von Wissenschaft und Politik

Impulse für effektive Frühwarnsysteme kamen von Wissenschaftlern, die ihre aktuellen Projekte vorstellten. Prof. Christoph Lippert von der Universität Potsdam forscht zu dem Potential von „Datenverknüpfung und künstlicher Intelligenz“. In dem Projekt, das im Herbst 2021 gestartet ist, habe er unter anderem basierend auf GPS-Daten einen Kontaktindex erstellt, durch den sich beobachten lasse, wie sich die Kontakte der Menschen während der Pandemie veränderten.

Die Politikwissenschaftlerin Prof. Annette Elisabeth Töller von der FernUniversität Hagen adressierte die Interaktion von Wissenschaft und Politik. „Nicht immer wenn man politisch handeln muss, hat man schon wissenschaftliche Evidenz“ benannte sie eines der Probleme. Politische Prozesse seien sehr stark situativ gesteuert. Es sei wichtig, transparent mit der Bevölkerung zu kommunizieren, um deutlich zu machen, wie weit wissenschaftliche Expertise geht, was sie leisten kann und was nicht.

Mit der „transformativen Resilienz“, die unter anderem anpassungsfähig auf Krisen reagieren kann, beschäftigt sich Prof. Stephan Rammler vom IZT. Es müsse bei der Planung von Krisensystem auch eine gewisse Agilität mitgedacht werden.

Büro für Technikfolgen-Abschätzung

Das TAB ist eine selbstständige wissenschaftliche Einrichtung und wird seit 1990 vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) betrieben. Es berät den Deutschen Bundestag und seine Ausschüsse in Fragen des wissenschaftlichen und technischen Wandels.

Sein Projekt „Krisenradar – Resilienz von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft durch Krisenvorhersage stärken“ untersucht, wie ein kontinuierliches vorausschauendes Krisenradar gestaltet und institutionell verankert sein müsste, um ein rechtzeitiges Krisen- und Risikomanagement zu ermöglichen. (des/irs/22.06.2022)