Parlament

SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke überreicht ersten Jahresbericht

Evelyn Zupke überreicht ein weißes DIN-A4 großes Heft mit einem Bundesadler auf der Frontseite an Yvonne Magwas

Evelyn Zupke, Bundesbeauftragte fuer die Opfer der SED-Diktatur, überreicht ihren Bericht an Yvonne Magwas (CDU/CSU), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. (© DBT/photothek/Florian Gaertner)

Die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur, Evelyn Zupke, fordert, die Unterstützung der Opfer der SED-Diktatur als „unsere gemeinsame gesamtdeutsche Verantwortung“ zu begreifen.  Evelyn Zupke hat am Mittwoch, 15. Juni 2022, ihren ersten Jahresbericht (20/2220) an Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU/CSU) überreicht. Die SED-Opferbeauftragte hatte bereits Anfang November 2021 einen ersten Zwischenbericht (20/10) dem Parlament vorgelegt, in dem sie eine Überarbeitung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze angeregt und dafür plädiert hatte, die gesundheitlichen Folgeschäden von SED-Opfern leichter anzuerkennen.

„Die SED-Opferbeauftragte setzt die richtigen Schwerpunkte und legt den Finger in die noch immer nicht verheilten Wunden“, sagt Vizepräsidentin Magwas anlässlich der Übergabe. Für SED-Opfer bestehe aufgrund ihrer gebrochenen Berufsbiografien ein größeres Risiko von Altersarmut. Gesundheitliche Spätfolgen der politischen Verfolgung, seien es körperliche Schäden oder posttraumatische Belastungsstörungen, würden von den Ämtern zu häufig nicht anerkannt. Zudem gebe es immer noch Gerechtigkeitslücken bei der Aufnahme weiterer Opfergruppen in die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze.

Zupke: Den Worten müssen jetzt aber Taten folgen

Aus dem Zwischenbericht seien mittlerweile viele Impulse im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aufgenommen worden. „Es ist ein wichtiges Signal, dass die Politik sich der Anliegen der SED-Opfer annimmt. Den Worten müssen jetzt aber Taten folgen,“ sagte die SED-Opferbeauftragte. Der nun vorliegende erste Jahresbericht führt aus, welche konkreten Schritte folgen müssten, um die soziale Lage der Opfer zu stabilisieren, um Gerechtigkeitslücken in den Gesetzen zu schließen und die Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden zu vereinfachen. Bei der Anerkennung von Gesundheitsschäden scheitere aber die breite Mehrheit der Opfer. Seit mehr als zwanzig Jahren werde probiert, durch Änderungen und Ergänzungen der bestehenden Regelungen eine Verbesserung zu erreichen. „Bis heute ohne durchschlagenden Erfolg“, stellt die SED-Opferbeauftragte fest.

„Ich werbe daher entschieden dafür, dass wir keine Kosmetik am bestehenden Regelungsrahmen betreiben. Ich schlage vor, dass auf Grundlage klar definierter Kriterien, wie politische Haft oder Zersetzung, und definierter Krankheitsbilder der Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem heutigen Gesundheitsschaden als gegeben vorausgesetzt wird.“ Eine solche konkretisierte Vermutungsregelung wird seit Jahren erfolgreich für die durch die Auslandseinsätze körperlich und psychisch geschädigten Soldaten angewandt. Mit dieser Regelung für die SED-Opfer würden unnötige Bürokratiekosten gespart und das Vertrauen der Opfer in den Rechtsstaat gestärkt werden.

Zwangsarbeit politischer Häftlinge für westdeutsche Konzerne

Außerdem unterstreicht die SED-Opferbeauftragte in ihrem Bericht die gesamtdeutsche Verantwortung für die Aufarbeitung des SED-Unrechts und die Unterstützung der Opfer. Dabei hätten nicht nur die Fluchtbewegungen und der Häftlingsfreikauf die Verflechtungen zwischen Ost und West aufgezeigt. Auch die Zwangsarbeit, die die politischen Häftlinge in den DDR-Gefängnissen für westdeutsche Konzerne leisten mussten, stehe eindrücklich dafür, dass die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur eben nicht nur Ostdeutschland betreffe. 

„Keine heutige Vorstandsvorsitzende und kein heutiger Geschäftsführer sind dafür verantwortlich, was damals in den Gefängnissen im Auftrag westdeutscher Firmen geschah. Die aktuellen Unternehmensleitungen tragen aber Verantwortung dafür, wie die Firmen heute mit den dunklen Kapiteln der Unternehmensgeschichte umgehen. Ich setze mich dafür ein, dass die Firmen ihre historische Verantwortung annehmen und sich an der Unterstützung der SED-Opfer beteiligen“, sagt Evelyn Zupke.

Dynamisierung der monatlichen Opferrente

In ihrem Bericht verweist Zupke auf eine Studie der Brandenburger Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur aus dem Jahr 2020, nach der fast jeder zweite der in Brandenburg lebenden Betroffenen von SED-Unrecht über ein Haushaltseinkommen von weniger als 1.000 Euro verfügt. Runde 60 Prozent der Betroffenen litten zudem nach eigenen Angaben unter den körperlichen und psychischen Auswirkungen der erlittenen Repressionen. Dies zeige eindrücklich, „wie die Folgen der Diktatur bis heute bei den Betroffenen und ihren Familien fortwirken und ihr tägliches Leben beeinflussen“, schreibt die Opferbeauftragte.

Konkret fordert Zupke eine Dynamisierung der monatlichen Opferrente von aktuell 330 Euro. Aufgrund der aktuell steigenden Inflation sinke der reale Wert der vorangegangenen Erhöhung zunehmend. Deshalb müsse die Opferrente neben einer „spürbaren Erhöhung“ dynamisiert werden, um die wiederkehrende Debatte über die Angemessenheit der Opferrente, die von vielen Opfern der SED-Diktatur als belastend wahrgenommen werde, zu vermeiden. Zudem spricht sich Zupke dafür aus, den Bezug der Opferrente von der Bedürftigkeit der Bezieher zu entkoppeln. Die Opferrente diene „der Würdigung des besonderen Schicksals der politischen Häftlinge und der Opfer, die in Jugendwerkhöfen und Spezialkinderheimen untergebracht wurden“. Ebenso tritt Zupke für die Vererbbarkeit der Opferrente an Ehe- und Lebenspartner ein. In den Genuss der Opferrente sollen nach dem Willen Zupke zukünftig auch alle deutschen Staatsbürger kommen, die außerhalb der ehemaligen DDR im kommunistischen Ausland inhaftiert waren.

Keine Absenkung der Ausgleichsleistungen bei Renteneintritt

Zupke spricht sich darüber hinaus gegen die Absenkung der Ausgleichsleistungen bei Renteneintritt nach dem BerRehaG von 240 auf 180 Euro aus. Da die beruflichen Biografien der SED-Opfer in vielfacher Hinsicht gebrochen seien, hätten sie in der Regel nur Anspruch auf eine niedrige Rente. Durch die Absenkung „wird die soziale Lage der Betroffenen zusätzlich verschlechtert“, schreibt Zupke.

Zudem sei die Bedürftigkeitsgrenze für den Bezug der Ausgleichszahlungen zu niedrig angesetzt und die im Gesetz angegeben Verfolgungszeiten müssten angepasst werden. „Viele Betroffene sind durch einen mehrmonatigen Arbeitsplatzverlust oder eine Haft in ihrer Erwerbsbiografie massiv geschädigt, ohne dass die vom Gesetzgeber vorgesehene Verfolgungszeit von drei Jahren vorliegt.“ Die SED-Opferbeauftragte wirbt dafür, auch bei der Ausgleichsleistung eine Dynamisierung zu prüfen. (eis/aw/16.06.2022)