Justizminister Buschmann: Investition in die liberale Demokratie
Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 24. März 2022, in erster Lesung mit dem Etatentwurf des Bundesministeriums der Justiz auseinandergesetzt. Der Einzelplan 07 des Bundeshaushalts 2022 (20/1000) umfasst Ausgaben von 935 Millionen Euro, das sind 2,3 Prozent weniger als im Vorjahr (957,46 Milliarden Euro). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bereich „Verbraucherschutz“ in der vergangenen Wahlperiode dem Justizministerium zugeordnet war, in dieser Wahlperiode jedoch beim Bundesumweltministerium angesiedelt ist.
Minister: Angriff auf die Prinzipien der liberalen Demokratie
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann ging zu Beginn der Debatte auf den russischen Überfall auf die Ukraine ein. In der Antike und dem Mittelalter habe es geheißen: „Wenn die Waffen sprechen, schweigt das Recht.“ Das sei aber nicht mehr so, betonte der Minister und verwies unter anderem auf die Strukturermittlungen des Generalbundesanwaltes zu russischen Kriegsverbrechen. Deutschland habe eine besondere historische Verantwortung zur Aufklärung von Kriegsverbrechen. Es werde bereits Pionierarbeit geleistet, so seien die „Folterknechte Assads“ vor Gericht gestellt worden. „Wir werden auch russische Kriegsverbrecher vor Gericht stellen, wenn wir ihnen habhaft werden“, sagte der Minister. Deutschlands Entschlossenheit sollte nicht unterschätzt werden: „Wo die Waffen sprechen, schweigt das Recht eben nicht!“
Buschmann hob hervor, dass der russische Angriff auch den Prinzipien der liberalen Demokratie gelten würde. Diese müssten auch hierzulande verteidigt werden, leitete der Minister zum rechtspolitischen Programm der Bundesregierung über. Der Ampel sei die Stärkung des Respekts vor dem Individuum wichtig. Darum gehe es um die Stärkung der Bürgerrechte. Als Beispiele nannte Buschmann die Ersetzung der Vorratsdatenspeicherung, eine „grundrechtsorientierte und evidenzbasierte Sicherheitspolitik“ und die geplante „Überwachungsgesamtrechnung“. Zudem werde im Familienrecht die Selbstbestimmung gestärkt.
Mit Blick auf den im Vergleich zu den anderen Ministerien niedrigsten Etat-Ansatz sagte Buschmann, man gebe nicht viel aus, nehme aber viel ein. „Jeder Euro für das Haus des Rechts und der Freiheit ist eine gute Investition in die liberale Demokratie“, schloss Buschmann.
CDU/CSU kritisiert rechtspolitische Agenda der Regierung
Für die Unionsfraktion thematisierte Dr. Günter Krings ebenfalls zunächst den Krieg in der Ukraine. „Weder Freiheit noch Rechtsstaatlichkeit sind in Euro und Cent aufzuwiegen. Das sehen wir beim tapferen Kampf des ukrainischen Volkes gegen die russischen Invasoren.“ Krings verwies darauf, dass im Haushaltsentwurf der Ampel der Ansatz für den Generalbundesanwalt sinke. Er forderte stattdessen zusätzliche Stellen und Mittel, um russische Kriegsverbrechen dokumentieren und ihnen nachgehen zu können.
Krings kritisierte zudem die rechtspolitische Agenda der Bundesregierung. Wer die Abschaffung des Werbeverbots von Schwangerschaftsabbrüchen zu ersten Priorität mache, der müsse seinem politischen Koordinatensystem einer kritischen Überprüfung unterziehen. Der Christdemokrat sprach sich zudem inhaltlich gegen die von der Bundesregierung geplante Streichung sowie gegen die Ampel-Pläne für Kinderrechte im Grundgesetz. Die Ampel wolle damit „mehr staatlichen Einfluss bei der Kindererziehung zulasten der Eltern“. Zudem warf er der Koalition vor, „einen neuen Tiefpunkt in Sachen Qualität der Gesetzgebung“ erreicht zu haben und verwies als Beispiel auf die jüngste Änderung des Infektionsschutzgesetzes.
SPD: Wenig Spielraum für Projekte
Esther Dilcher führte in ihrer Rede für die SPD-Fraktion im Detail durch den Einzelplan des Bundesjustizministeriums. Es sei ein Verwaltungshaushalt, der „wenig Spielraum für Projekte, Förderprogramme oder zusätzliche Ausgaben“ ließe.
Heftig Kritik übte Dilcher an den Aussagen eines AfD-Abgeordneten in russischen Medien, der gesagt habe, in Deutschland gebe es keine Demokratie. „In Russland zu behaupten, in Deutschland gebe es keine Demokratie und keine Meinungsfreiheit, ist ein vernichtender Schlag ins Gesicht aller Menschen in Russland, die gegen diesen Krieg auf die Straße gehen, die sich öffentlich in Rundfunk und Fernsehen gegen diesen Krieg und für Frieden aussprechen und die mutig Widerstand leisten und damit um ihr Leben fürchten müssen“, sagte die Sozialdemokratin.
AfD: Schlag ins Gesicht für alle Freunde der Freiheit
Für die AfD-Fraktion attackierte Dr. Michael Espendiller in seiner Rede vor allem die FDP mit Blick auf Corona-Politik und Impfpflicht. Auch die FDP habe in Oppositionszeiten Kritik an den Maßnahmen geäußert und sich gegen eine Impfpflicht ausgesprochen.
Er könne nachfühlen, „wie verraten, verkauft und verarscht sich ihre Wähler jetzt fühlen“, meinte der Abgeordnete. Ein Justizminister, der bei der Frage der Impfpflicht nicht die „rechtsstaatliche rote Fahne hebt“, sei „ein Schlag ins Gesicht für alle Freunde der Freiheit“.
Grüne: Internet ist kein rechtsfreies Paralleluniversum
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen drückte Bruno Hönel dem Justizminister seine Unterstützung für die geplante Streichung des in Paragraf 219a Strafgesetzbuch geregelten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche aus. „Endlich kommen wir in der gesellschaftlichen Realität des 21. Jahrhunderts an. Endliche machen wir Schluss mit diesem Unrecht 219a.“
Hönel verwies auf Vorhaben der Koalition wie dem „Digitalpakt für Justiz“. Dabei werde seine Fraktion konsequent auf Bürgerrechte und Datenschutz achten. Ein Vollzugsdefizit sah Hönel bei der Verfolgung von Hasskriminalität im Netz. Das Internet sei kein „rechtsfreies Paralleluniversum; Hass ist keine Meinung – und das werden wir Ihren rechten Trollen auch ganz, ganz deutlich machen. Darauf können Sie sich verlassen“, sagte der Grünenabgeordnete in Richtung AfD.
Linke gegen Ersatzfreiheitsstrafen
Für die Fraktion Die Linke forderte Clara Bünger die Bundesregierung auf, ihrer Ankündigung, das Strafrecht auf den Prüfstand zu stellen, auch Taten folgen zu lassen. Sie sprach sich für eine Streichung der Ersatzfreiheitsstrafen aus. 2019 hätten nach Schätzungen 51.000 Menschen in Haft gesessen, weil sie eine Geldstrafe nicht haben bezahlen können.
Das betreffe vor allem Menschen in prekären Lebensumständen. Obdachlose und Suchtkranke. Auch die Strafbarkeit des Schwarzfahrens müsse abgeschafft werden. Die Justiz müsse zudem personell besser ausgestattet werden. Zudem müsse es für alle Angeklagten eine Pflichtverteidigung geben, meinte Bünger.
FDP: Digitalisierung zu einem Erfolg machen
Für die FDP-Fraktion betonte Dr. Thorsten Lieb, dass das Vertrauen in Justiz und Rechtsstaat gerade in „herausfordernden Zeiten, in Zeiten der Krise“, besonders notwendig sei. Demokratie und Rechtsstaat seien keine „Schönwetterinstitutionen“, sie bewiesen gerade in der Krise ihren Wert.
Wie Buschmann und Krings ging Lieb auf die Rolle des Generalbundesanwalts bei der Verfolgung von Kriegsverbrechern ein. Man könne stolz darauf sein, eine solche Institution im Land zu haben, die besonders aktiv und kompetent sei, solche Sachverhalte aufzuklären und auszuermitteln. Im Rahmen der Haushalsberatungen müsse geschaut werden, ob das mit den angesetzten Mitteln erreicht werde, sagte Lieb. Wie auch Hönel ging Lieb auf den Digitalpakt für die Justiz ein. Gemeinsam müssten Bund und Länder die Digitalisierung zu einem Erfolg machen, sagte der Liberale.
Patent- und Markenamt mit hohen Einnahmen
Unter den Bundesministerien ist das Justizressort traditionell das mit dem geringsten Ausgabevolumen. Dafür kann Bundesjustizminister Buschmann mit Einnahmen von 644,78 Millionen Euro rechnen, das sind 3,2 Prozent mehr als 2021 (624,78 Millionen Euro). Damit finanziert das Ministerium seine Ausgaben zu gut zwei Dritteln selbst.
Die Einnahmen sind im Wesentlichen dem Deutschen Patent- und Markenamt, einer oberen Bundesbehörde mit Sitz in München, zu verdanken. Es erwartet Einnahmen von 455,39 Millionen Euro (2021: 440,39 Millionen Euro), und zwar vor allem Gebühren für gewerbliche Schutzrechte. Die Ausgaben der Behörde belaufen sich demgegenüber nur auf 245,24 Millionen Euro (2021: 234,14 Millionen Euro).
Bundesamt, Bundesgerichte und Generalbundesanwalt
Eine weitere nachgeordnete Behörde des Justizministeriums, das Bundesamt für Justiz, rechnet mit Ausgaben von 99,12 Millionen Euro (2021: 101,14 Millionen Euro).
Für den Bundesgerichtshof sind in den Etat 52,63 Millionen Euro eingestellt (2021: 53,56 Millionen Euro), für den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof 64,59 Millionen Euro (2021: 66,94 Millionen Euro), für das Bundesverwaltungsgericht 24,63 Millionen Euro (2021: 33,44 Millionen Euro), für den Bundesfinanzhof 20,48 Millionen Euro (2021: 23,79 Millionen Euro) und für das Bundespatentgericht 17,44 Millionen Euro (2021: 16,76 Millionen Euro). (scr/vom/24.03.2022)