Lindner: Familie mit zwei Verdienern wird um 500 Euro im Jahr entlastet
Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat vor zu hohen Erwartungen an die Möglichkeiten des Staates gewarnt, alle wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine durch Hilfsmaßnahmen abmildern zu können. „Die Mittel des Staates sind endlich“, sagte der Finanzminister am Freitag, 8. April 2022, in einer Debatte des Deutschen Bundestages über den von den Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eingebrachten Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 2022 (20/1333), der im Anschluss der Debatte an den federführenden Finanzausschuss zur weiteren Beratung überwiesen wurde. Ebenfalls an den Finanzausschuss überwiesen wurde ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Mut zu wesentlichen steuerlichen Hilfsmaßnahmen“ (20/1339).
Lindner: Die „gefühlte Inflation“ muss gedämpft werden
Nichts tun sei in dieser Lage jedoch keine Option. Daher sei es angesichts der von hoher Unsicherheit geprägten Lage ein Gebot ökonomischer Vernunft, das Wachstum in Deutschland zu stärken, Inflationsrisiken entgegenzutreten und Härten abzufedern, begründete Lindner das Maßnahmenpaket der Regierung, das einen höheren steuerlichen Grundfreibetrag, sowie Anhebungen der Arbeitnehmer- und der Pendlerpauschale vorsieht. Die „gefühlte Inflation“ müsse gedämpft werden, denn das sei ein Beitrag, gefährliche Lohn-Preis-Spiralen zu verhindern.
Die Koalition wolle die Bürger schnell und unbürokratisch entlasten. Alle geplanten Maßnahmen der Bundesregierung würden sich auf mehr als 16 Milliarden Euro im Jahr summieren. „Bei einer Familie mit zwei Erwerbstätigen ergibt sich dadurch eine Entlastung von 500 Euro im Jahr“, sagte der Minister. „Wir lassen niemanden allein“, sicherte auch Markus Herbrand (FDP) zu.
CDU/CSU geht das Paket nicht weit genug
Für Fritz Güntzler (CDU/CSU) geht das Paket angesichts der höchsten Inflation seit 40 Jahren nicht weit genug. Im Januar habe die Inflationsrate bei 4,9 Prozent gelegen, im Februar bei 5,1 Prozent und im März 7,3 Prozent. Es sei vor diesem Hintergrund „etwas wenig“, was die Koalition plane. Denn die Regierung unterstelle nur eine Inflationsrate von drei Prozent.
Demgegenüber gehe das Ifo-Institut von einer Inflationsrate von fünf bis sechs Prozent in diesem Jahr aus. Vor diesem Hintergrund kritisierte Güntzler, dass das Thema „Kalte Progression“ nicht aufgegriffen worden sei. Hier müsse die Koalition nachbessern. Und die Entfernungspauschale dürfe nicht erst ab dem 21. Kilometer angehoben werden, sondern müsse allen Pendlern zugutekommen.
SPD: Regierung setzt insgesamt 30 Milliarden Euro ein
„Wir wollen in dieser schwierigen Situation für Verhältnisse sorgen, in denen alle Menschen gut zurechtkommen können“, sagte Michael Schrodi (SPD).
Allein mit dem Steuerentlastungsgesetz würden 4,5 Milliarden Euro Entlastung auf den Weg gebracht, alle Pakete der Regierung zusammen hätten ein Volumen von über 30 Milliarden Euro.
AfD: Grundfreibetrag muss bei 12.600 Euro liegen
Kay Gottschalk (AfD) stellte fest, die Ampelkoalition komme so langsam in der Realität an und bringe wegen der Inflation Entlastungen auf den Weg. Das fordere die AfD seit langem.
Aber zur Wahrheit gehöre, dass die Erhöhung des Grundfreibetrages keine Entlastung sei, sondern die verfassungsrechtliche gebotene Freistellung des Existenzminimums. Bei einer Inflationsrate von mittlerweile 7,4 Prozent müsse der Grundfreibetrag bei 12.600 Euro liegen.
Grüne: Pendlerpauschale neu ausrichten
Sascha Müller (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die Maßnahmen der Regierung würden vor allem denjenigen zugutekommen, die die Folgen der „fossil getriebenen Inflation“ besonders hart treffen würden.
Die Wirkung der erhöhten Pendlerpauschale sah Müller unter ökologischen Aspekten diskutabel. Wohlhabende mit größerem Wagen würden mehr profitieren als Arme mit einem Kleinwagen. Er erinnerte, dass die Koalition die Pendlerpauschale ökologisch und sozial neu ausrichten wolle.
Linke kritisiert das „Entlastungspäckchen“
„Während wir hier diskutieren, steigt die Inflation und entwertet Ihre Entlastungspäckchen von der Koalition“, kritisierte Christian Görke (Die Linke). Auch er kritisierte die Anhebung der Entfernungspauschale, die vorwiegend Besserverdienenden zugutekomme.
Im Land Brandenburg mit seinen 300.000 Pendlern würde bei diesen Plänen ein Drittel durch das Raster fallen. Dass bei diesem Entlastungspaket nur auf die Erwerbstätigen gesetzt werde und Millionen von Rentnern unberücksichtigt bleiben würden, „macht nicht nur mich fassungslos“, erklärte Görke.
Gesetzentwurf der Koalition
Der an den Finanzausschuss überwiesene Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 2022 sieht eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger bis zum Jahr 2026 von rund 22,5 Milliarden Euro vor. So ist vorgesehen, den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer rückwirkend zum Jahresbeginn von derzeit 9.984 Euro um 363 Euro auf 10.347 Euro anzuheben.
Außerdem wird die bereits für die Jahre 2024 bis 2026 festgelegte Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem 21. Entfernungskilometer um drei Cent auf 0,38 Euro je vollen Entfernungskilometer auf die Jahre 2022 und 2023 ausgedehnt. Ebenfalls rückwirkend zum 1. Januar 2022 auf 1.200 Euro erhöht wird der Arbeitnehmerpauschbetrag für Werbungskosten (bisher 1.000 Euro).
Antrag der Union
Die CDU/CSU-Fraktion verlangt weitergehende Maßnahmen. In einem ebenfalls überwiesenen Antrag (20/1339) mit dem Titel „Mut zu wesentlichen steuerlichen Hilfsmaßnahmen“ fordert die Union, nicht nur den Grundfreibetrag bei der Steuer zu erhöhen, sondern den gesamten Einkommensteuertarif an die unerwartet hohe Inflation anzupassen und damit insgesamt die kalte Progression anzugleichen.
Außerdem werden steuerliche Verbesserungen für Unternehmen verlangt. So soll es eine temporäre, stark degressive „Turbo-Abschreibung“ geben, die signifikante Investitionsanreize über die bestehenden Abschreibungsmöglichkeiten hinaus schaffen soll. Der steuerliche Verlustrücktragszeitraum soll auf mindestens drei Jahre über die Krisenjahre 2020 bis 2022 hinaus dauerhaft ausgeweitet werden. Auch die Höchstbetragsgrenzen des Verlustrücktrags sollen angehoben werden. (hle/08.04.2022)