Zeit:
Montag, 16. Mai 2022,
9
bis 10.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 200
Die von den Koalitionsfraktionen geplanten Maßnahmen zur besseren Durchsetzung von Sanktionen gegen Russland sind von den Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag, 16. Mai 2022, überwiegend begrüßt worden. Einige Maßnahmen sollten noch konkreter gefasst werden, wurde empfohlen. Grundlage der Anhörung war ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eines ersten Gesetzes zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (20/1740), in dem es unter anderem um die Möglichkeit zur Vermögensermittlung und eine bessere Zusammenarbeit von Behörden geht. Außerdem wurde in der Anhörung der Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/1726) mit dem Titel „Schnelle und durchgreifende Reaktion des Rechtsstaats auf den Angriffskrieg Russlands ermöglichen“ behandelt.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
In der Vorlage der Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP heißt es, für den wirkungsstarken operativen Vollzug der Sanktionen sei für die jeweiligen Sanktionsbereiche die Expertise verschiedener Behörden von Bundes- und Länderebene und deren Zusammenarbeit nötig. Dafür sollen jetzt die erforderlichen Datenzugriffs- und Datenaustauschbefugnisse geschaffen werden. Außerdem soll mit dem Gesetzentwurf die Möglichkeit geschaffen werden, Vermögen zu ermitteln und Vermögensgegenstände bis zur Aufklärung der Eigentumsverhältnisse sicherzustellen.
Die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) soll in Zukunft bei der Vermögensfeststellung mitwirken und weitere Aufgaben bekommen. Außerdem enthält der Entwurf Regelungen, um Konten, Schließfächer und Wertpapierdepots von sanktionierten natürlichen Personen und von Unternehmen in Deutschland ermitteln zu können.
Antrag der CDU/CSU
Die CDU/CSU-Fraktion verlangt von der Bundesregierung einen härteren Kurs bei der Umsetzung von Sanktionsmaßnahmen gegen Russland. Daher verlangt die Unionsfraktion in einem Antrag (20/1726) unter anderem eine Offenbarungspflicht über die in Deutschland vorhandenen Vermögenswerte von sanktionierten Personen und von Organisationen. Die Möglichkeiten für den Kampf gegen Desinformationskampagnen und Sanktionsmöglichkeiten gegen russische, staatlich gesteuerte Medien und Online-Medien sollen zudem verbessert werden.
Der Staat soll außerdem die Befugnis erhalten, Auskunft über die Quelle von Vermögen zu erhalten und wer die faktische Kontrolle ausübe. Wenn nicht festgestellt werden könne, wer wirtschaftlicher Berechtigter an einem Unternehmen ist, soll es ein zivilrechtliches Geschäftsverbot geben. Außerdem fordert die CDU/CSU-Fraktion ein Verbot der Barzahlung bei Immobilienkäufen und die Einrichtung einer Geldwäscheverdachtsdatenbank, in der sämtliche Personen mit rechtskräftiger Verurteilung aufgrund von Vermögensdelikten, Steuerdelikten, Wirtschafts- oder Geldwäschestraftaten erfasst werden und die vom Notar vor jeder Immobilientransaktion abgefragt werden muss.
GdP: Grundlage hat bisher gefehlt
In der vom Ausschussvorsitzenden Alois Rainer (CDU/CSU) geleiteten Anhörung begrüßte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Regelungen zur zukünftigen Möglichkeit zur Durchführung präventiver Finanzermittlung und zum Aufspüren und zur Sicherung von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen. Diese gesetzlichen Grundlagen hätten bisher gefehlt. Die präventiven Finanzermittlungen und die Sicherung von Vermögen müssten aber deutlich umfassender geregelt werden.
Auch die Sanktionen müssen empfindlicher ausgestaltet werden. Während Vermögen auf Konten unmittelbar eingefroren werden könne und damit jede Nutzung ausgeschlossen sei, könnten eingefrorene bewegliche und unbewegliche Vermögensgegenstände wie Immobilien und Yachten weiter genutzt werden
Bedenken und Kritik
Vertreterinnen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz erhoben dagegen Bedenken gegen eine Kompetenzausweitung für die FIU. Das widerspreche dem Gebot der Normenklarheit und Normenbestimmtheit, wenn die genaue Ausgestaltung der geplanten Auswertung, deren mögliche Anlässe, die einzubeziehenden Daten und die zulässigen Zwecke völlig unklar bleiben würden.
Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit kritisierte, die Sanktionsdurchsetzung werde weitgehend privaten wirtschaftlichen Akteuren und lokalen Behörden überlassen, die oft entweder nicht in der Lage seien oder kein ausreichendes Interesse daran hätten, die häufig verwendeten komplexen Eigentümerstrukturen richtig zu interpretieren. Dies erfordere regelmäßig umfangreiche staatliche Ermittlungen. Deswegen sei die Zielrichtung des ersten Sanktionsdurchsetzungsgesetzes grundlegend zu begrüßen. Allerdings würden die neu geschaffenen Ermittlungsbefugnisse und Strukturen noch deutlich zu kurz greifen.
Die Bürgerbewegung Finanzwende begrüßte, dass das Kontenabrufverfahren ausgeweitet werden solle. Aber die Realität sei komplizierter. Es werde mit verschachtelten Firmenkonstrukten gearbeitet. Viele Finanzdienstleister würden zudem ohne Konten tätig sein.
Vorbild Italien
Prof. Dr. Arndt Sinn von der Universität Osnabrück erklärte, es müsse ein besserer Sicherstellungstatbestand geschaffen werden. Italien habe in diesem Bereich die Nase vorn. Darauf hatte die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag (20/1726) Bezug genommen, der ebenfalls Gegenstand der Anhörung war. Darin wird auf Italien verwiesen, wo Sanktionen gegen russische Oligarchen umfangreich umgesetzt würden, während insoweit in Deutschland bisher wenig geschehen sei.
So habe die Guardia di Finanza in Italien mehrere Anwesen des auf der Sanktionsliste stehenden russischen Oligarchen Arkadi Rotenberg beschlagnahmt, der in Deutschland unbehelligt geblieben sei. Auch Rechtsanwalt Prof. Dr. Viktor Winkler erklärte, Deutschland habe einen enormen Abstand zu anderen Ländern. Es gebe eine überragende Rechtspflicht gegenüber der EU zur Durchsetzung von Sanktionsmaßnahmen.
Forderung nach Ergänzung der Mitteilungspflichten
Die Deutsche Bundesbank begrüßte den Gesetzentwurf. Die Erweiterung des Informationsaustausches werde die Arbeit erleichtern. Von der FIU hieß es, man habe die Expertise, um auffällige Sachverhalte zu überprüfen. Dr. Benjamin Vogel vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht forderte eine Ergänzung der Mitteilungspflichten zur Verbesserung der Arbeit der FIU. Da müsse nachgeschärft werden.
Ein Vertreter des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Düsseldorf begrüßte den Entwurf ausdrücklich, regte aber Verbesserungen bei den Zuständigkeitsregelungen an. Wegen des Steuergeheimnisses sollte eine Öffnungsklausel in die Abgabenordnung eingefügt werden. (hle.05.2022)