Zeit:
Mittwoch, 27. April 2022,
14
bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 300
Nach der gescheiterten allgemeinen Corona-Impfpflicht setzen sich Gesundheitsexperten für eine Überprüfung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ein, die seit Mitte März gilt. Ursprünglich war die sektorale Impfpflicht in Gesundheitseinrichtungen als erster Schritt vorgesehen, gefolgt von einer allgemeinen Impfpflicht, die unlängst im Bundestag jedoch keine Mehrheit gefunden hatte. Die Experten äußerten sich am Mittwoch, 27. April 2022, in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages über Anträge der Unionsfraktion (20/687) und der AfD-Fraktion (20/699) sowie in schriftlichen Stellungnahmen.
Sachverständige: Voraussetzung ist nicht mehr erfüllt
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärte, die durchschnittliche Impfquote in Kliniken liege bei 95 Prozent. Die Krankenhäuser hätten dennoch die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht stets unterstützt, allerdings unter der Maßgabe, dass die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht zwingend folgen werde. Mit der gescheiterten Gesetzesinitiative für eine wenigstens altersbezogene Impfpflicht sei diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt. Den Beschäftigten in den Krankenhäusern sei nicht vermittelbar, warum sie zur Impfung verpflichtet würden, während die von ihnen betreuten Patienten von den Regelungen nicht erfasst seien. Daher sollte die sektorale Impfpflicht sofort ausgesetzt werden.
Ähnlich argumentierte der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Mit der Ablehnung der allgemeinen Impfpflicht gehöre die einrichtungsbezogene Impfpflicht auf den Prüfstand. Der Verband habe immer deutlich gemacht, dass ein wirksamer Schutz vulnerabler Menschen in Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe erst dann sichergestellt werden könne, wenn alle Kontaktpersonen über einen wirksamen Impfschutz verfügten. Die allgemeine Impfpflicht wäre daher als zweiter Schritt eine essentielle Folge gewesen, erklärte der bpa. Es sei kaum zu erklären, warum Mitarbeiter der Einrichtungen zu einer Impfung verpflichtet würden, wenn Angehörige und Besucher weiter ungeimpft bleiben könnten. Es stellt sich die Frage, ob nicht mildere Mittel wie Testpflichten und die Aufrechterhaltung bisheriger Schutzvorkehrungen ausreichend seien.
Caritas: Schutz vor Infektionen verbessern
Auf die grundsätzliche Bedeutung der Impfungen in der Corona-Pandemie ging der Deutsche Caritasverband ein. Auch wenn die Impfung eine mögliche Infektion durch die kursierenden Corona-Virusvarianten nicht verlässlich verhindere, schütze sie doch zuverlässig vor einer schweren Covid-Erkrankung oder gar einem tödlichen Verlauf. Es müsse nach dem Scheitern der allgemeinen Impfpflicht alles getan werden, um den Schutz vor Infektionen zu verbessern.
Zudem gelte es, den vielen Falschinformationen über die Corona-Impfung entgegenzutreten. Der Caritasverband habe die Sektor-Impfpflicht als Teil eines abgestuften Maßnahmenpaketes befürwortet. Eine einrichtungsbezogene Impfpflicht, die noch nicht einmal die pflegebedürftigen Menschen in den Einrichtungen, sondern nur das Personal umfasse, sei jedoch ungenügend zum Schutz vulnerabler Gruppen.
Städtetag fordert neue Debatte über Sektor-Impfpflicht
Der Deutsche Städtetag erklärte, die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei richtig, der rechtliche Rahmen für die Umsetzung sei jedoch schlecht. Die Regeln wiesen neben Unklarheiten eine Reihe von Inkonsistenzen auf. So könnten Betriebe mit geringer Impfquote bei den Beschäftigten mit Verweis auf erhebliche Betriebsstörungen mögliche Verbotsverfügungen durch die Gesundheitsbehörden leichter verhindern als Betriebe mit hoher Impfquote.
Mit konkreten Betretungsverboten sei zudem kaum vor den Sommermonaten zu rechnen. Damit stelle sich die Frage, ob dies mit dem Auslaufen der Impfpflicht zum Jahresende 2022 zu vereinbaren sei. Der Städtetag forderte eine neue Debatte über die Sektor-Impfpflicht und gegebenenfalls eine Verlängerung der Regelung über das Jahr 2022 hinaus.
Frank: Entscheidung von Fachkäften respektieren
Der Allgemeinmediziner Dr. Gunter Frank aus Heidelberg äußerte in der Anhörung erhebliche Vorbehalte gegen die Corona-Impfungen und warnte nachdrücklich vor häufig auftretenden, schweren Nebenwirkungen. Es sei unverantwortlich, Menschen zu einer solchen Impfung zu zwingen.
Frank sprach sich dafür aus, die einrichtungsbezogene Impfpflicht abzuschaffen. Wenn sich Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen gegen die Impfung entschieden, müsse das respektiert werden.
Union fordert einheitlichen Vollzug der Sektor-Impfpflicht
Die Unions-Fraktion fordert von der Bundesregierung eine bessere Vorbereitung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Die Umsetzung der im Dezember 2021 beschlossenen Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen werfe viele Fragen auf, die bisher nicht beantwortet seien, heißt es in ihrem Antrag (20/687). Viele Einrichtungen und Dienste befürchteten, ab dem 16. März 2022 die von ihnen betreuten Menschen nicht mehr angemessen versorgen zu können. Von der Bundesregierung werde erwartet, dass sie die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit Ländern, Kommunen und Gesundheitsämtern vorbereite.
Die Abgeordneten fordern in dem Antrag unter anderem, gemeinsam mit den Ländern für einen bundesweit möglichst einheitlichen Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zu sorgen. Dabei müssten insbesondere arbeitsrechtliche Fragen geklärt werden, falls der erforderliche Impfnachweis nicht vorgelegt werde, etwa der Vergütungsanspruch, Lohnfortzahlung, Freistellung oder Kündigung.
AfD-Fraktion fordert Verzicht auf sektorale Impfpflicht
Die AfD-Fraktion fordert den Verzicht auf die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Mit der Regelung drohe regional der Zusammenbruch des Gesundheitswesens durch Freisetzung von Beschäftigten, die für die Versorgung der vulnerablen Gruppen unersetzlich seien, heißt es in einem Antrag (20/699) der Fraktion.
Zu befürchten sei eine verstärkte Abwanderung qualifizierter Pflegekräfte in andere Berufe oder ins Ausland. Zudem werde die außerordentliche Belastung der Gesundheitsämter durch die bürokratisch aufwendigen Einzelfallprüfungen erhöht. Statt allen Beschäftigten im Gesundheitswesen den Rücken zu stärken, wirke die einrichtungsbezogene Impfpflicht wie ein Brandbeschleuniger. Die Abgeordneten fordern, die geplanten Regelungen mit Wirkung ab dem 15. März 2022 aufzuheben. (pk/27.04.2022)