Auswärtiges

Ver­hältnis des Wes­tens gegenüber Russland erörtert

Die Haltung des Westens gegenüber Russland war am Donnerstag, 17. Februar 2022, Thema im Bundestag. Einen erstmals im Plenum erörterten Antrag der CDU/CSU mit dem Titel „Russlands Politik mit der Geschlossenheit des Westens entgegentretenlehnten alle übrigen Fraktionen ab (20/692). Zwei weitere Oppositionsvorlagen der AfD und der Linksfraktion überwies das Plenum zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuss (20/703, 20/677).

CDU/CSU kritisiert „schweren Fehler“ des Kanzlers

Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) konstatierte in der vorangegangenen Debatte mit Blick auf die Ukraine, dass das Modell einer parlamentarischen Demokratie mit freier Presse und freien Gerichten von der russischen Führung offensichtlich als Bedrohung angesehen werde. An der freien Entscheidung des Landes für eine Nato-Mitgliedschaft dürfe nicht gerüttelt werden. „Wir dürfen uns von Russland nicht vorschreiben lassen, wer sich unserem defensiven Verteidigungsbündnis anschließt.“

Wadephul kritisierte darüber hinaus, dass der Bundeskanzler in dieser Krise lange klare Worte habe vermissen lassen. So habe es Olaf Scholz (SPD) bei seinem Besuch in Washington US-Präsident Joe Biden überlassen, die Gaspipeline Nord Stream 2 ausdrücklich als Teil eines möglichen Sanktionspakets gegen Russland zu bezeichnen. „Ein schwerer Fehler“, befand Wadephul.

SPD: Es braucht Geduld für Diplomatie 

Dr. Ralf Stegner (SPD) wies Vorwürfe der Union zurück, die Bundesregierung fahre in der Russlandpolitik einen „Schlingerkurs“. Russland müsste bei einer militärischen Eskalation einen hohen Preis zahlen, aber bevor es überhaupt dazu komme, brauche es Geduld für die Diplomatie – und die finde nicht in Interviews, sondern hinter verschlossener Tür statt. „Wer die nächsten fünf Züge ankündigt, verliert am Ende die Partie“.

Stegner wandte sich nicht gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, plädierte in diesem Punkt aber für Pragmatismus. Diese Entscheidung stehe auf absehbare Zeit nicht auf der Tagesordnung.

AfD gegen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine

Dr. Alexander Gauland (AfD) sprach sich gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine aus. Einem Land mag die freie Wahl eines Bündnisses völkerrechtlich zustehen, aber es gehe auch darum, einen „Platz in der Staatenordnung mit Klugheit“ zu behaupten. „Eine gesicherte Existenz zwischen den Fronten ist heilsamer als ein unendlicher Konflikt.“

Es müsse darum gehen, eine Lösung zu finden, die für Russland annehmbar, für die Ukraine akzeptabel sei. Dies könnte ein neutraler Status sein, sagte Gauland und verwies auf das Beispiel Finnlands und Österreichs. 

Grüne: Krise ist Ergebnis russischer Aggression

Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) unterstrich, dass diese Krise nicht von der Ukraine oder der Nato ausgelöst wurde, sondern das Ergebnis russischer Aggression sei. Es gehe der russischen Führung darum, unter Androhung militärischer Gewalt geopolitische Einflusssphären über die Köpfe der Osteuropäer hinweg zu schaffen.

Die Bundesregierung habe in aller Klarheit deutlich gemacht, dass auf eine weitere russische militärische Eskalation sehr harte Sanktionen folgen würden: „Der Kreml müsste eine solche Attacke bitter bereuen.“

FDP wirft Russland Denken in Einflusssphären vor

Auch Ulrich Lechte (FDP) warf der russischen Führung ein Denken in Einflusssphären vor, das mit der regelbasierten internationalen Ordnung der Gegenwart nichts zu tun habe. Es erinnere an eine Zeit, als es noch die Sowjetunion gab und Moskau anderen Ländern den Kurs diktierte. „Diese Zeiten sind vorbei, herzlich willkommen im 21. Jahrhundert“.

Lechte erinnerte daran, dass Russland im Budapester Memorandum 1994 der Ukraine Sicherheit zugesagt habe. Mit der Annexion der Krim und der Intervention in der Ostukraine habe Russland diese Zusage gebrochen.

Linke: Der Nato steht kein moralisches Urteil zu 

Dr. Gregor Gysi (Die Linke) wandte sich gegen den Vorwurf, nur Russland denke stets in den alten Bahnen von Einflusssphären. „Es war doch die Nato, die die eigene Einflusssphäre deutlich erweitert hat.“

Dem westlichen Militärbündnis stehe ohnehin kein moralisches Urteil zu. Der erste „heiße Krieg“ in Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs drohe nicht in der Ukraine, diesen „ersten heißen Krieg führte die Nato gegen Serbien und zwar völkerrechtswidrig“. 

Abgelehnter Antrag der CDU/CSU

Die Unionsfraktion forderte die Bundesregierung in ihrem abgelehnten Antrag dazu auf, ihren „gefährlichen Schlingerkurs in der Russlandpolitik“ zu beenden. Dieser führt aus Sicht der Antragsteller zu Irritationen bei den Nato- und EU-Partnern sowie bei Nachbarn und befreundeten Staaten. Die Bundesregierung solle Russland „klar und unmissverständlich“ als Verursacher der angespannten Bedrohungssituation benennen und die notwendigen Konsequenzen ziehen, verlangten die CDU/CSU-Abgeordneten.

Darüber hinaus müssten die bestehenden Sanktionen gegenüber Russland so lange aufrechterhalten werden, bis Russland seine Verpflichtungen im Rahmen der Minsker Abkommen vollumfänglich umsetze und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim rückgängig mache. Ferner forderten die Antragsteller von der Regierung unter anderem, sich für die vollständige Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine auf ihrem gesamten Staatsgebiet einzusetzen und sie auf ihrem Weg zu einem modernen, demokratischen, rechtstaatlichen und wirtschaftlich starken, engen Partner von EU und Nato zu unterstützen.

Antrag der AfD

Die AfD-Fraktion setzt sich in ihrem Antrag für eine offene Debatte über die Neutralität oder Allianzfreiheit der Ukraine ein. Sie fordert die Regierung unter anderem dazu auf, sich in Gesprächen auf allen Ebenen und Gesprächsformaten für eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine einzusetzen und sich für die Wiederaufnahme der deutsch-russischen Regierungskonsultationen, die von 1998 bis 2012 stattgefunden haben, einzusetzen.

Außerdem soll in bilateralen Gesprächen mit der Russischen Föderation und der Ukraine für einen beiderseitigen Rückzug der Streitkräfte und des schweren militärischen Geräts von der gemeinsamen Grenze geworben werden.

Antrag der Linksfraktion

Die Fraktion Die Linke wiederum sich gegen den Plan der Bundesregierung, weitere Bundeswehrsoldatinnen und Bundeswehrsoldaten nach Litauen zur Aufstockung der „Enhanced Forward Presence Battlegroup“ der Nato zu entsenden. In den letzten Monaten habe sich die Verschlechterung der Sicherheitslage in Europa angesichts der Debatte um einen Nato-Beitritt der Ukraine derart beschleunigt, dass sogar offen und laut über eine Kriegsgefahr in Europa zwischen der Nato und Russland sowie zwischen der Ukraine und Russland gesprochen werde, schreiben die Abgeordneten.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf die Entsendung von weiteren 350 Soldatinnen und Soldaten nach Litauen zu verzichten und die dort bereits befindlichen 500 Soldatinnen und Soldaten abzuziehen. Sie solle zudem in der EU und in der Nato die Initiative ergreifen, um Grundlagen für einen Entspannungsprozess zwischen der Nato und Russland zu schaffen. Außerdem solle eine „souveräne und neue Sicherheitsarchitektur für Europa“ angestrebt werden. Als ersten Schritt plädieren die Abgeordneten für die Einrichtung eines „militärfreien Sicherheitskorridors zwischen den osteuropäischen Nato-Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation“. (ahe/eis/irs/17.02.2022)