Zeit:
Montag, 14. März 2022,
12
bis 14 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal Hybridsitzung
Der von den Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Gewährung eines einmaligen Heizkostenzuschusses (20/689) sowie ein Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Warme Wohnung statt sozialer Kälte“ (20/25), sind am Montag, 14. März 2022, bei einer öffentlichen Anhörung unter Vorsitz von Sandra Weeser (FDP) im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen auf viel Einigkeit gestoßen. Einzelne Sachverständige, darunter der Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtverbandes sowie der Vertreter des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmer, betonten am Montag die Notwenigkeit, die Höhe der Förderungen an die massiv gestiegenen Preise für Strom, Gas und Heizöl anzupassen.
Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen
Der Gesetzentwurf sieht vor, bedürftigen Bürgern einen einmaligen Heizkostenzuschuss zu gewähren. Der Entwurf entstand vor dem Hintergrund gestiegener Heizkosten und soll unter anderem an Wohngeld-Empfänger ausgezahlt werden. Anspruchsberechtigt sollen laut Entwurf außerdem „nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz Geförderte“ sowie Beziehende von Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld sein. Für Wohngeldberechtigte soll der Zuschuss 135 Euro (ein berücksichtigtes Haushaltsmitglied) beziehungsweise 175 Euro (zwei berücksichtigte Haushaltsmitglieder) betragen, für jedes weitere berücksichtigte Haushaltsmitglied kommen zusätzlich 35 Euro dazu. Für die übrigen Anspruchsberechtigten soll der Zuschuss 115 Euro betragen.
Laut Entwurf sollen von dem Zuschuss „rund 710.000 wohngeldbeziehende Haushalte, rund 370.000 nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Geförderte, rund 75.000 mit Unterhaltsbeitrag nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz Geförderte sowie rund 65.000 Personen, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld beziehen“, profitieren. Dem Bund sollen durch den Zuschuss im Jahr 2022 Mehrausgaben in Höhe von rund 189 Millionen Euro entstehen.
„Immer größere Belastungen durch Steigende Energiepreise“
Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmer (GdW), warnte in drastischen Worten vor den immer weiter steigenden Energiepreisen. Vor allem in Ost-Deutschland würde das zu immer größeren Belastungen führen. Der Durchschnittslohn der dortigen Mieter betrage 1700 Euro netto, große Teile des Wohnungsbestandes würden über Fernwärme beheizt, dort sei es seit Januar 2022 zu massiven Preissteigerungen gekommen. Gedaschko sprach sich für Beihilfen in der Größenordnung um 500 Euro pro Monat aus.
Unterstützung fand er dabei bei Dr. Andreas Aust, Referent für Sozialpolitik beim Paritätischen Wohlfahrtverband, und bei Dr. Birgit Fix, Referentin für Armutsbekämpfung, Arbeitsmarktpolitik und Überwindung sozialer Ausgrenzung beim Deutschen Caritasverband. So begrüßenswert das geplante Heizkostenzuschussgesetz auch sei, es müsse nachjustiert werden. Zum einen falle der Zuschuss zu gering aus, zum anderen sollten auch BAföG-Empfänger die Hilfen ohne Antragstellung erhalten, forderte die Caritas-Expertin. Darüber hinaus müssten Leistungen wie das Wohngeld reformiert werden, so der Paritätische, zudem sei eine dauerhafte Energiekosten- und Klimakomponente notwendig.
Forderung nach Anpassung an aktuelle Zahlen
Dr. Ralph Henger, Finanz- und Immobilienexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft, gab zu bedenken, dass die Berechnungen für das Gesetz vom November 2021 stammen, deshalb sollte es eine Anpassung an aktuelle Zahlen geben. Die hohen Großhandelspreise für Erdgas und der Ukraine-Krieg ließen weitere Steigerungen erwarten. Auch die Preisentwicklungen seit Januar 2022 seien stärker, als sie die angesetzte Trendfortschreibung für die Festsetzung der Heizkostenpauschale angezeigt habe.
Unter Anwendung des gleichen Ansatzes (Trendfortschreibung bis März 2022; danach konstante Preise) bei Berücksichtigung aktualisierter Daten ergebe sich ein Energiepreisanstieg für die drei Energieträger Erdgas, Heizöl und Fernwärme im Jahr 2022 von 40,6 Prozent gegenüber 2020. Ohne CO2-Bepreisung liege der Energiepreisanstieg bei 32,0 Prozent. Kalkuliere man die durchschnittlichen Mehrbelastungen nicht mit 20 Prozent, sondern mit 32 Prozent ein, ergebe sich ein Heizkostenzuschlag für einen 1-Personen-Haushalt in Höhe von 220 Euro, für einen 2-Personen-Haushalt in Höhe von 285 Euro und für jede weitere Person im Haushalt von weiteren 55 Euro. Hierfür sei jedoch ein zusätzliches Finanzvolumen erforderlich.
Einführung eines dauerhaften Heizkostenzuschusses
Sebastian Klöppel, Referent beim Deutschen Städtetag und Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, begrüßte das Ziel des Gesetzentwurfs zur Gewährung eines einmaligen Heizkostenzuschusses aufgrund stark gestiegener Energiekosten ausdrücklich. Eine Aktualisierung der zugrundeliegenden Daten mindestens bis Januar 2022 einschließlich aufgrund der Preisentwicklung hält er für „notwendig und angemessen“. Die grundsätzliche Problematik, dass Wohngeld und die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II und XII nicht vergleichbar seien und ein gewisser „Systembruch“ weiter bestehe, löse ein einmaliger Zuschuss nicht. Klöppel spricht sich für die Einführung eines dauerhaften Heizkostenzuschusses aus. Zudem sei auch ein aufwandsneutrales Warmmietensystem innerhalb „der Wohngeldlogik denkbar“.
Dem schloss sich die Sachverständige Elisabeth Ries, Stadträtin im Referat für Jugend, Familie und Soziales bei der Stadt Nürnberg, an. Das geplante Gesetz bringe eine kurzfristige Entlastung, aber es seien Nachbesserungen erforderlich. Zudem solle darauf geachtet werden, dass die Fördermaßnahmen möglichst niederschwellig erfolgen, eine dauerhafte Heizkostenkomponente sei für die Zukunft sinnvoll.
Vorbild „Energiescheck“
Auch Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, sprach sich für einen einmalig erhöhten Heizkostenzuschuss aus. Gleichzeitig sei aber durch den 22. BAföG-Bericht der Bundesregierung vom 22. Dezember 2021 klar, dass nach der Standard-Methode nur 11,3 Prozent der Studierenden BAföG gewährt werde, folglich auch der Heizkostenzuschuss maximal diesen Anteil der Studierenden erreiche. Diejenigen, die mit der angekündigten raschen ersten Stufe der BAföG-Reform erst im Herbst 2022 erreicht würden – insbesondere diejenigen, die jetzt knapp eine BAföG-Förderung verfehlten –, würden trotz ihrer derzeitigen knappen Finanzlage ausgeklammert.
Dieser Ansatz werde in Frankreich verfolgt: Bereits im Dezember 2021 hätten dort rund sechs Millionen Haushalte mit geringem Einkommen einen „Energiescheck“ über 100 Euro ausgezahlt erhalten. Zudem sollten den einmaligen Heizkostenzuschuss nur diejenigen BAföG-Geförderten bekommen, denen für mindestens einen Monat im Zeitraum vom 1. Oktober 2021 bis 31. März 2022 das BAföG bewilligt wurde. Deshalb sollte eine Ausweitung des Zeitraums auf die Heizsaison erwägt werden.
Antrag der Linksfraktion
Die Abgeordneten verlangen von der Bundesregierung, einen Gesetzentwurf für einen „Keiner soll frieren“-Plan vorzulegen. Dieser solle unter anderem eine Einmalzahlung von 200 Euro für von Armut bedrohte Menschen vorsehen, um diese von gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten zu entlasten. Außerdem plädiert die Fraktion dafür, bis zu einer „armutsfesten Neuausrichtung der sozialen Sicherungssysteme“ die Heizkosten von Empfängern von Hartz IV, Sozialhilfe und Altersgrundsicherung „in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten“ zu übernehmen. Die Einmalzahlung dürfe nicht auf Leistungen angerechnet werden, heißt es dazu im Antrag.
Darüber hinaus solle die Bundesregierung das Wohngeld auf Basis der Bruttowarmmiete zahlen und „um eine Komponente für Stromkosten“ erweitern, verlangen die Abgeordneten. Die Fraktion dringt außerdem auf ein gesetzliches Verbot von Strom- und Gassperren durch Energieversorger für Privathaushalte aufgrund von Zahlungsunfähigkeit sowie die alleinige Kostenübernahme von CO2-Preisen durch Vermieter. (nki/14.03.2022)