Parlament

Aussprache zu den Span­nungen zwischen Russland und der Ukraine

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat die Absage der Bundesregierung zur Lieferung von Waffen in die Ukraine verteidigt. Den außenpolitischen Kurs in dieser Frage um 180 Grad zu drehen, „das sollte man schon bei vollem Bewusstsein tun“, sagte Baerbock am Donnerstag, 27. Januar 2022, in einer Vereinbarten Debatte mit dem Titel „Frieden in Europa sichern – Territoriale Integrität der Ukraine darf nicht in Frage gestellt werden“.

Ministerin: Wer redet, der schießt nicht

Vor allen Dingen dürften damit nicht Türen für Deeskalation verschlossen werden, „die sich gerade in diesem Moment so zaghaft wieder öffnen“, sagte Ministerin Baerbock mit Blick auf die Wiederaufnahme von Gesprächen wie tags zuvor im sogenannten Normandie-Format.

Deutschland unterstütze die Ukraine nach wie vor militärisch, mit der Lieferung von Schutzhelmen, dem Bau von Schutzbunkern und der Ausbildung ukrainischer Soldaten. Der diplomatische Dialog habe aber Priorität. Wer redet, der schießt nicht. Daher ist es fatal, die Wiederaufnahme von Dialog jetzt einfach so abzutun.“ Die Bundesregierung setze auch weiter darauf, die Ukraine wirtschaftlich und finanziell zu stärken.

CDU/CSU vermisst „klare“ Haltung

Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sprach mit Blick auf die massive Truppenstationierung von einem russischen „Zangenangriff auf die gesamte Ukraine“. Der russische Präsident destabilisiere seit 15 Jahren die politische Ordnung in Europa, dies unter beständiger Verletzung gemeinsamer Verträge und Vereinbarungen. Nunmehr drohe womöglich ein neuer Krieg in Teilen Europas.

Es wäre angemessen, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich in einer solchen Lage in einer Regierungserklärung geäußert hätte, befand Merz. Die Bundesregierung ließe aber eine „klare und unzweifelhafte Haltung“ vermissen. An der Entschlossenheit dürfe kein Zweifel bestehen. „Und diese Zweifel sind da“, sagte Merz. „Sie führen nicht, weder in Deutschland, noch in Europa.“

SPD: Eskalation geht von Russland aus

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil betonte hingegen, dass die Bundesregierung klar und entscheiden auftrete: „Wir benennen, von wem die Eskalation ausgeht, sie geht von Russland aus.“ Bundeskanzler Olaf Scholz habe deutlich gemacht, dass „alle Optionen“ bei einem russischen Angriff auf die Ukraine auf dem Tisch lägen.

Diese Klarheit und Konsequenz sei nötig, aber bis zu einem solchen Punkt müsse es darum gehen, das Gespräch zu suchen, um „Frieden zu organisieren“. Waffen zu liefern bedeute nicht, Friedensbemühungen zu stärken, sagte Klingbeil. „Wir liefern keine Waffen in die Ukraine.“

AfD kritisiert „Stimmungsmache“ gegen Russland

Stefan Keuter (AfD) beklagte „Stimmungsmache“ und „unsägliche Rhetorik“ gegen Russland und stellte die Frage, wem diese Eskalation nutze. Durch die EU-Sanktionen infolge der Annexion der Krim 2014 sei Russland ein Schaden in Höhe von 36 Milliarden US-Dollar entstanden und Deutschland in Höhe von 23 Milliarden US-Dollar. „Wir schneiden uns ins eigene Fleisch, das muss ein Ende haben.“

Keuter wandte sich direkt an den Botschafter der Ukraine, Andrij Melnyk, der auf der Tribüne der Debatte folgte: „Die Forderung nach Waffen können wir Deutsche nicht erfüllen“, sagte Keuter. „Ihre unsägliche Kriegstreiberei kann ich nur verurteilen.“

FDP: Nicht die Nato bedroht Russland

Alexander Graf Lambsdorff (FDP) signalisierte die Bereitschaft, russische Sicherheitsinteressen zu adressieren – nicht aber der russischen Regierung die Schaffung einer „zweite Wirklichkeit“ zuzugestehen. „Nicht die Nato bedroht Russland. Auch nicht die Ukraine.“

Es seien nicht Nato-Soldaten, die in anderen Ländern gegen den Willen der dortigen Regierungen stünden, sondern russische Soldaten wie im Falle Moldawiens, Georgiens und der Ukraine. „Die russische Seite wäre erheblich glaubwürdiger, wenn Präsident Putin den Rückzug dieser Truppen anordnen würde.“

Linke verweist auf Sicherheitsabstand der USA

Dr. Gregor Gysi (Die Linke) verwies auf die Osterweiterung der Nato ab 1999 in Mittel- und Osteuropa gegen Absprachen mit Russland im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit. Die USA würden es nicht akzeptieren, wenn russische Truppen auf Kuba oder in Venezuela stationiert würden: „Warum gestehen Sie der Atommacht USA einen Sicherheitsabstand zu und der Atommacht Russland nicht?“

Die Nato betone, keine aggressiven Absichten gegenüber Russland zu hegen. „Das mag ja sein“, sagte Gysi. „Aber wenn uns die russische Führung nicht glaubt, nützt uns das nichts.“  

Grüne: Putin fordert Frieden in ganz Europa heraus

Putin fordere aktuell den Frieden in ganz Europa heraus, sagte Robin Wagener (Bündnis 90/Die Grünen). „Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat es keine vergleichbaren Truppenkonzentrationen samt rhetorischer Drohgebärden und Kriegspropaganda mehr gegeben.“ In dieser Situation reiche eine einzige Fehleinschätzung, um einen Flächenbrand auf dem Kontinent auszulösen.

Aus Sicht des Grünen-Abgeordneten rührt die im Koalitionsvertrag vereinbarte „grundsätzliche restriktive Rüstungspolitik“ aus der Verantwortung der Geschichte und sei zugleich Ergebnis der gesellschaftspolitischen Entwicklung seit 1945. „Sie ist kein Ausdruck mangelnder Solidarität mit der Ukraine und steht auch dafür, dass wir fest an der Seite der europäischen Friedensordnung stehen.“ (ahe/27.01.2022)