Der Bundestag hat am Donnerstag, 24. Juni 2021, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Mietspiegelrechts (Mietspiegelreformgesetz, 19/26918) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (19/30933) beschlossen. AfD und FDP stimmten gegen den Gesetzentwurf, Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich. Einen Entschließungsantrag der Grünen (19/30991) zum Gesetzentwurf lehnte der Bundestag ab.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Wie es in dem Gesetzentwurf heißt, ist das Vergleichsmietensystem Aushängeschild des sozialen Mietrechts. Es gewährleiste Rechtssicherheit und den gerechten Ausgleich zwischen den Interessen von Vermietern und Mietern. Die Bedeutung der ortsüblichen Vergleichsmiete und ihres wichtigsten Abbildungsinstruments, des Mietspiegels, habe in der Praxis stetig zugenommen. Gleichzeitig seien in jüngerer Zeit qualifizierte Mietspiegel in gerichtlichen Verfahren infrage gestellt worden. Häufiger Streitpunkt sei die Frage gewesen, ob der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist.
Mit der Annahme des Gesetzentwurfs beschränkte der Bundestag die Grundsätze, nach denen qualifizierte Mietspiegel zu erstellen sind, auf das Wesentliche. Die zukünftig maßgeblichen wissenschaftlichen Grundsätze wurden in einer Mietspiegelverordnung konkretisiert. Zur Verbesserung der Bedingungen für die Erstellung qualifizierter Mietspiegel werden den Behörden Befugnisse zur Datenverarbeitung eingeräumt. Genutzt werden sollen Daten aus dem Melderegister, bei Verwaltung der Grundsteuer bekannt gewordene Daten sowie Daten aus der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus. Um Rückläufe aus den Befragungen zu erhöhen und Verzerrungen aufgrund selektiven Antwortverhaltens zu vermeiden, wurde eine Auskunftspflicht eingeführt. Um den Aufwand zu verringern, der mit dem Erstellen und Ändern von Mietspiegeln verbunden ist, wurde der Bindungszeitraum von Mietspiegeln von zwei auf drei Jahre verlängert.
Oppositionsinitiativen abgelehnt
Abgelehnt wurden zudem Vorlagen der Opposition: Die Linke forderte mit ihrem ersten abgelehnten Antrag die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels (19/28776), mit dem zweiten den Kündigungsschutz für Mieter zu verbessern (19/10284) und mit dem dritten, Kündigungen von Mietern über 70 zu verbieten (19/10283). Alle drei Anträge wurden bei Enthaltung der Grünen zurückgewiesen. Ein vierter Antrag von Bündnis 90/Die Grüne, um „Kündigungsschutz und Minderungsrecht in Zeiten der Pandemie zu verbessern“ (19/20542), wurde gegen die Stimmen der Linken und Grünen abgelehnt. Den Abstimmungen lagen Beschlussempfehlungen des Rechts- und Verbraucherschutzausschuss (19/30787, 19/31112) zugrunde.
Ein Gesetzentwurf der Grünen zur Ergänzung mietrechtlicher und gewerbemietrechtlicher Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (19/23116) wurde gegen die Stimmen der Linken und Grünen abgelehnt. Auch dieser Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zugrunde (19/31113 Buchstabe b). Außerdem wurde mit der breiten Mehrheit der übrigen Fraktionen ein Gesetzentwurf der AfD zur Einführung einer Schonfristzahlung bei ordentlichen Kündigungen von Wohnraummietverträgen und zur Bekämpfung des Mietnomadentums (19/20589) abgelehnt. Abgestimmt wurde auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (19/31113 Buchstabe a).
Darüber hinaus wurde ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Authentische Vergleichsmieten durch jahresaktuelle Mietspiegel“ (19/15264) mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. Auch dieser Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zugrunde (19/30933, 19/31106). Ein Antrag der Linken mit dem Titel „Kleingewerbe und soziale Einrichtungen vor Mietenexplosion und Verdrängung schützen“ der Fraktion Die Linke (19/16837) wurde gegen die Stimmen der Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (19/31113 Buchstabe c) abgelehnt.
Erster Antrag der Linken
Die Einführung eines bundesweiten Mietendeckels sieht der erste abgelehnte Antrag der Linken (19/28776) vor. Danach sollte der Bundestag die Bundesregierung auffordern, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der bundesweit die „Mietpreisspirale stoppt“ und Mieten in angespannten Wohnungsmärkten deckelt. Es soltle unter anderem festgeschrieben werden, dass Mieterhöhungen ohne Wohnwertverbesserungen innerhalb der nächsten sechs Jahre ausgeschlossen werden. Zudem sollte die bisherige „Mietpreisbremse“ so geschärft und ausgestaltet werden, dass neue Mietverträge maximal in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete abgeschlossen werden dürfen.
Wie die Fraktion in dem Antrag schrieb, haben die Maßnahmen des Bundes den starken Anstieg der Mieten bisher nicht aufgehalten. Die bisherige „Mietpreisbremse“ enthalte zahlreiche Ausnahmen, gelte nicht flächendeckend und lasse beim Abschluss von neuen Mietverträgen Preise bis zu zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmieten zu. In bestehenden Mietverhältnissen erlaube die bisherige Kappungsgrenzenverordnung selbst auf angespannten Wohnungsmärkten Mieterhöhungen von 15 Prozent in drei Jahren und sei somit nicht geeignet, die Mietenexplosion zu stoppen. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Berliner Mietendeckel liege es nun am Bund, für einen Mietenstopp und einen Mietendeckel in angespannten Wohnungsmärkten zu sorgen, um den „weiteren Anstieg der Mieten“ und den „Verlust bezahlbaren Wohnraums“ zu verhindern.
Zweiter Antrag der Linken
Die Linke forderte in ihrem zweiten abgelehnten Antrag (19/10283) von der Bundesregierung die Vorlage eines Gesetzentwurfs, der eine Kündigung wegen Eigenbedarfs für Mieter, die das 70. Lebensjahr vollendet haben, bei vertragsgemäßen Gebrauch ausschließt. In der Begründung hieß es, ältere Menschen seien von Mietenexplosion und Wohnungslosigkeit besonders betroffen. Aufgrund der oft niedrigen Rente, die mit dem Mietenanstieg nicht Schritt halte, hätten viele ältere Mieterinnen und Mieter kaum die Chance, ihre Mieten zu bezahlen. Eine neue, bezahlbare Wohnung zu finden, sei in vielen Städten nahezu aussichtslos.
Im fortgeschrittenen Alter noch umziehen zu müssen, sei eine besondere soziale Härte, vor der Mieterinnen und Mieter besser geschützt werden müssen. Der häufigste Kündigungsgrund sei ein Eigenbedarf seitens des Vermieters, hieß es weiter in dem Antrag. Schon jetzt gelte die Kündigung für ältere, oft langjährige und fest in ihren Nachbarschaften verwurzelte Mieterinnen und Mietern als erhebliche soziale Härte, die im Einzelfall eine Aufhebung der Kündigung erlaube. Um den Betroffenen den oft langfristigen, aufreibenden und mit persönlichen Risiken verbundenen Klageweg zu ersparen, müsse der Gesetzgeber hier für Klarheit sorgen.
Dritter Antrag der Linken
Der dritte abgelehnte Antrag der Linken (19/10284) forderte die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf für einen verbesserten Kündigungsschutz für Mieter vorzulegen. Unter anderem sollte der Schutz so verbessert werden, dass die Ausgleichung eines Mietrückstandes neben der fristlosen auch die fristgemäße Kündigung unwirksam werden lässt. Eine Kündigung aufgrund eines Mietrückstands von weniger als zwei Monatsmieten sollte ausgeschlossen sein, und eine Kündigung aufgrund von Mietrückständen, die auf die Mietminderung wegen eines Mangels der Wohnung zurückzuführen sind, sollte nur bei vorsätzlichem Missbrauch des Instruments der Mietminderung möglich sein.
Zur Begründung hieß es unter anderem, Mieter würden unzureichend vor der Kündigung des Wohnraummietvertrags und einem Verlust ihrer Wohnung geschützt. Viele Gerichtsentscheidungen hätten den Kündigungsschutz zusätzlich ausgehebelt.
Vierter Antrag der Linken
Die Linksfraktion wollte Kleingewerbe und soziale Einrichtungen vor Mietsteigerungen schützen. Sie forderte von der Bundesregierung ein Gesetz, das Kündigungen ohne besonderen Grund verbietet. Außerdem müssten Schutzmechanismen für Gewerbetreibende mit befristeten Mietverträgen erarbeitet werden. Schließlich plädierten die Abgeordneten in ihrem vierten abgelehnten Antrag (19/16837) für eine Gewerbemietpreisbremse.
Die Mieten explodierten in vielen großen und mittleren Städten auch in diesem Bereich, heißt es zur Begründung. Kleine Betriebe und Sozialeinrichtungen würden „zunehmend Opfer von Verdrängung“. Das Bürgerliche Gesetzbuch kenne jedoch bisher kein spezielles Mietrecht für Gewerbe und somit keinen gesonderten Schutz für diese Zielgruppe. Die Bundesregierung schaue der Entwicklung bisher tatenlos zu.
Antrag der Grünen
Der abgelehnte Antrag der Grünen (19/24634) für „mehr Mieterschutz in Zeiten der Pandemie“ und eine bessere Unterstützung von Verbrauchern als Darlehensnehmer sah vor, erneut für einen befristeten Zeitraum die Möglichkeit der vermieterseitigen Kündigung bei mieterseitigem Covid-19-bedingten Zahlungsausfall auszuschließen und zugleich sicherzustellen, dass keine oder nur geringe Verzugszinsen für in diesem Zeitraum coronabedingt ausfallende Miete entstehen. Zwangsräumungen von Mieterinnen und Mietern von zu Wohnzwecken genutzten Räumen sollten ebenfalls zeitlich befristet ausgesetzt werden.
Für Verbraucherdarlehensverträge sollte erneut – zeitlich befristet wie die anderen Maßnahmen zunächst bis zum 30. April 2021 – gesetzlich geregelt werden, dass Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen als gestundet gelten, soweit Darlehensnehmerinnen und Darlehensnehmer aufgrund der Covid-19-Pandemie Einnahmeausfälle haben, die dazu führen, dass ihnen die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist.
Gesetzentwurf der Grünen
Mit ihrem abgelehnten Gesetzentwurf zur Ergänzung mietrechtlicher und gewerbemietrechtlicher Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (19/23116) wollten die Grünen als besonders schutzwürdig erachtete Gewerbemieterinnen und -mieter stärken, die in angespannten Gewerbemietmärkten mieten oder nach entsprechenden Räumlichkeiten suchen, wie es in der Vorlage hieß.
Der Gesetzentwurf zielte insbesondere auf Kleingewerbemieterinnen und -mieter sowie soziale oder kulturelle Zwecke verfolgende Einrichtungen in Ballungszentren ab. Er sah Kündigungsschutzvorschriften sowie ein Verlängerungsrecht für Kleingewerbemieterinnen und -mieter vor. Die im Wohnbereich geltende „Mietpreisbremse“ sollte auch für Kleingewerbemieterinnen und -mieter anwendbar sein. Daneben bedürften auch die im Bauplanungsrecht zum Schutz insbesondere von kleineren Gewerbemieterinnen und -mietern bestehenden Instrumente einer Überprüfung.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion wollte mit ihrem abgelehnten Gesetzentwurf zur Einführung einer Schonfristzahlung bei ordentlichen Kündigungen von Wohnraummietverträgen und zur Bekämpfung des Mietnomadentums (19/20589) für die Fälle der ordentlichen Kündigung von Wohnraummietverträgen durch den Vermieter die Möglichkeit einer Schonfristzahlung einführen.
Zur Zurückdrängung des Mietnomadentums sollten die Vorschriften der Zivilprozessordnung, welche die Durchführung von Räumungsklagen betreffen, im Sinne eines zügigen Verfahrens gestrafft werden. In bestimmten Fällen sollte die Pflicht des Gerichtes entfallen, vor Erlass der einstweiligen Verfügung den Gegner anzuhören.
Antrag der FDP
Die FDP-Fraktion schlug in ihrem abgelehnten Antrag (19/15264) Verbesserungen beim Mietspiegel vor. Vermieter sollten verpflichtend mitteilen, wie viel Miete sie verlangen, forderten die Abgeordneten. Teiluntervermietungen oder Werkswohnungsverträge sollten von dieser Pflicht ausgenommen werden. Eine Anonymisierung der Daten müsse sichergestellt werden.
Der Druck auf den Mietwohnungsmarkt werde erst abnehmen, wenn Angebot und Nachfrage in den Ballungsräumen in ein vernünftiges Gleichgewicht kommen, hieß es zur Begründung. Dafür müssten zuvorderst mehr Wohnungen gebaut werden. Zudem brauche es einen guten Mietspiegel – er sei der beste Schutz der Mieter vor überzogenen Forderungen der Vermieter und Garant für einen fairen Mietwohnungsmarkt. Damit der Mietspiegel diese Aufgabe besser als bisher erfüllen könne, sollte man sich bei der Erhebung von Daten nicht wie bislang auf die freiwillige Teilnahme zufällig ausgewählter Bürger verlassen, erklärten die Abgeordneten weiter. (mwo/sas/24.06.2021)