Aussprache zur Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus
Der Bundestag hat am Donnerstag, 20. Mai 2021, in erster Lesung über vier Gesetzentwürfe beraten, die die Bundesregierung zur Umsetzung der Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vorgelegt hat. Zu den Vorlagen gehört ein Gesetzentwurf zum Übereinkommen vom 27. Januar 2021 zur Änderung des Vertrags vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (19/29645) sowie ein Gesetzentwurf zum Übereinkommen vom 27. Januar 2021 zur Änderung des Übereinkommens vom 21. Mai 2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge (19/29566).
Teil des Gesetzespakets ist zudem ein Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des ESM-Finanzierungsgesetzes (19/29586) sowie ein Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes und anderer Gesetze (19/29572). Alle vier Gesetzentwürfe wurden nach der Debatte in den federführenden Haushaltsausschuss überwiesen.
Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung
Wie die Bundesregierung in ihrem Entwurf (19/29645) schreibt, hat sich der ESM als „dauerhafter Krisenbewältigungsmechanismus“ im Nachgang zu der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise bewährt. Zweck sei es, Finanzmittel zu mobilisieren und diese für in finanzielle Schwierigkeiten geratene Mitgliedstaaten der Eurozone unter strikten Auflagen durch verschiedene Finanzierungsinstrumente als Unterstützung zur Verfügung zu stellen, wenn dies unabdingbar sei, um die Stabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt zu wahren.
Das von der Bundesrepublik am 27. Januar 2021 unterzeichnete Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Änderungsübereinkommen) entwickle den ESM als Krisenbewältigungsinstrument auf verschiedenen Ebenen fort, heißt es in dem Entwurf weiter. Ziel sei es, Gefahren für die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt effektiver abwenden zu können. Durch das Vertragsgesetz sollen die von deutscher Seite erforderlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten des ESM-Änderungsübereinkommens geschaffen werden.
Wesentliche Elemente der ESM-Reform
Zu den wesentlichen Elementen der Reform gehören dem Entwurf zufolge unter anderem die Stärkung der Wirksamkeit der vorsorglichen Finanzhilfeinstrumente für ESM-Mitglieder mit gesunden wirtschaftlichen Eckdaten, die von einem negativen Schock beeinträchtigt werden können, der sich ihrer Kontrolle entzieht sowie die Einführung einer Letztsicherungsfazilität für den einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF), um die Anwendung der Abwicklungsinstrumente und die Ausübung der Abwicklungsbefugnisse des einheitlichen Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board, SRB), wie sie im Recht der Europäischen Union verankert sind, zu unterstützen.
Zudem soll der ESM befähigt werden, die makroökonomische und finanzielle Lage seiner Mitglieder, einschließlich der Tragfähigkeit ihrer öffentlichen Schulden, unabhängig von einem Antrag eines Mitglieds zu verfolgen, zu bewerten und relevante Informationen und Daten zu analysieren. Darüber hinaus sollen seine Kompetenzen durch eine Neuordnung der Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission bei der Gewährung von Finanzhilfen, bei der Programmgestaltung und -überwachung gestärkt werden ebenso wie die Schuldentragfähigkeit in der Währungsunion.
Zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung
Das Gesetz soll die von deutscher Seite erforderlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten des sogenannten IGA-Änderungsübereinkommens (IGA ist die Abkürzung für Intergovernmental Agreement) schaffen, schreibt die Bundesregierung in ihrem Entwurf (19/29566). Demnach ermögliche das IGA-Änderungsabkommen Regeln für die Vergemeinschaftung von nachträglich erhobenen Beiträgen zum SRF.
Die Änderungen dienten der „wirkungsvollen und vorgezogenen“ Einführung der gemeinsamen Letztsicherung vor Ablauf des Übergangszeitraums, indem bei der etwaigen Nutzung der Letztsicherung zur Finanzierung einer Abwicklungsmaßnahme zusätzliche Mittel für die Rückzahlung von Kreditlinien des ESM an den SRB bereitständen, so die Bundesregierung. Dabei bezeichne die Letztsicherung die Ermächtigung des ESM, dem SRB die Letztsicherungsfazilität in Form einer revolvierenden Kreditlinie zur Verfügung zu stellen. Die Rückzahlung etwaiger in Anspruch genommener Mittel im Rahmen der Letztsicherung werde vor allem durch nachträglich erhobene Beiträge gewährleistet.
Dritter Gesetzenwurf der Bundesregierung
Mit dem Gesetzentwurf (19/29586) sollen die Änderungen des ESM-Vertrags durch das ESM-Änderungsübereinkommen im Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Finanzierungsgesetz, ESMFinG) nachvollzogen und die parlamentarischen Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte entsprechend angepasst werden.
Wie die Bundesregierung schreibt, wird der Aufgabenbereich des ESM dahingehend ergänzt, dass er für den SRF die Letztsicherungsfazilität zur Verfügung stellen dürfe, was mit neuen Entscheidungsbefugnissen der ESM-Organe Gouverneursrat und Direktorium verbunden sei. Gleiches gelte unter anderem für die Veränderungen bei den bestehenden vorsorglichen ESM-Finanzhilfeinstrumenten und bei der Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission. Der Anteil Deutschlands an der Finanzierung des ESM werde durch das Änderungsübereinkommen nicht verändert. Die im ESMFinG enthaltenen Vorschriften über den finanziellen Gesamtrahmen der deutschen Beteiligung am ESM bedürften daher keiner Anpassung.
Vierter Gesetzentwurf der Bundesregierung
Wie die Bundesregierung in dem Entwurf (19/29572) schreibt, wurde mit dem ESM-Änderungsübereinkommen vereinbart, dass alle Staaten des Euro-Währungsgebiets ab 2022 ihre neuen Schuldtitel mit Umschuldungsklauseln mit einstufigem Mehrheitserfordernis ausstatten. Dies solle für die Staaten des Euro-Währungsgebiets eine Einigung zwischen dem Staat und seinen Gläubigern erleichtern beziehungsweise beschleunigen und sogenannte Hold-out-Risiken minimieren.
Bei diesem einstufigen Mehrheitserfordernis müsse bei einer anleiheübergreifenden Änderung der Emissionsbedingungen für alle betroffenen Serien gemeinsam eine Mehrheit erreicht werden, heißt es in dem Entwurf weiter. Damit entfalle im Vergleich zu den bisher verwendeten Umschuldungsklauseln das Erfordernis einer Mehrheit für jede Einzelanleihe. Um die Einführung von Umschuldungsklauseln mit einstufigem Mehrheitserfordernis im Bereich der Bundeswertpapiere rechtssicher zu ermöglichen, seien die Paragrafen 4a bis 4k des Bundesschuldenwesengesetzes entsprechend den Anpassungen der zwischen den Eurostaaten vereinbarten Musterbedingungen zu ändern und zu ergänzen. (sas/irs/20.05.2021)