Streit über Grundrechte und Corona-Auflagen
Die vom Bundestag in der Corona-Krise beschlossenen Freiheiten für Geimpfte und Genesene werden fraktionsübergreifend begrüßt, von Teilen der Opposition aber als zu spät und nicht ausreichend gewertet. In einer von der FDP-Fraktion verlangten Aktuellen Stunde zum Thema „Freiheiten für Geimpfte und Genesene umgehend wiederherstellen“ kritisierten am Donnerstag, 6. Mai 2021, im Bundestag insbesondere Redner von FDP, AfD und der Linken das Krisenmanagement der Bundesregierung und forderten, die Grundrechte der Bürger nicht länger einzuschränken. Vertreter der Regierungsfraktionen und der Grünen mahnten indes, die Infektionsgefahr nicht zu unterschätzen und die jetzt erreichten Erfolge nicht zu gefährden.
FDP: Freiheitseinschränkung kein Beitrag zur Pandemiebekämpfung
Dr. Marco Buschmann (FDP) forderte die Bundesregierung auf, von der Politik der Härte und Schärfe Abstand zu nehmen und den Bürgern wieder mehr Freiheiten zu gewähren. Er kritisierte, obwohl die sogenannte Bundesnotbremse schon viele Grundrechtseingriffe vorsehe, gehe das manchen Koalitionspolitikern noch nicht weit genug.
Buschmann verwies auf die hohe Bedeutung der in der Verfassung verankerten Grundrechte und betonte: „Nicht die Bürger schulden dem Staat eine Begründung für ihre Freiheit, sondern es ist der Staat, der den Bürgern eine Begründung für jeden einzelnen Grundrechtseingriff schuldet.“
Buschmann räumte ein, dass die Pandemie eine „schwere Gefahr“ darstelle. Es gebe daher vernünftige Einschränkungen. Aber dass Geimpften und Genesenen bisher manche Freiheiten vorenthalten worden seien, gehöre nicht dazu. Es sei schon länger klar gewesen, dass von diesen Menschen keine Gefahr ausgehe. „Ihre Freiheitseinschränkung ist daher kein Beitrag zur Pandemiebekämpfung.“
CDU/CSU: Mehr Geschwindigkeit geht nicht
Karin Maag (CDU/CSU) entgegnete, die FDP überlasse es gerne der Koalition, die harten Maßnahmen zu verkünden, die jedoch richtig und notwendig gewesen seien. So habe die Notbremse dazu beigetragen, die Inzidenzwerte deutlich zu senken. „Die rückläufigen Zahlen gehen genau auf diese Notbremse zurück.“ Mit der jetzt beschlossenen Verordnung würden Freiheitsrechte für Geimpfte und Genesene wiederhergestellt. Die Verordnung sei „rechtlich einwandfrei“ und sehr schnell beraten und beschlossen worden: „Mehr Geschwindigkeit geht nicht.“
Maag erinnerte daran, welche Lebensqualität mit den Freiheiten für Geimpfte und Genesene insbesondere für ältere Leute verbunden sei. So könnten nun Bewohner in Senioreneinrichtungen wieder etwas zusammen unternehmen. Sie räumte ein, dass den Jüngeren in der Pandemie weiterhin viel zugemutet werde und appellierte an die Bürger, noch Geduld zu haben, bis in Kürze ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung stehe. Die Lage sei inzwischen sehr ermutigend.
AfD: Ausgangssperren nicht nachvollziehbar
Detlev Spangenberg (AfD) zeichnete ein ganz anderes Bild der Lage und warf der Bundesregierung vor, in der Corona-Krise selbstherrlich vorzugehen. Die Grundrechte der Bürger seien aber nicht verhandelbar. Die Corona-Tests wiesen teils hohe Fehlerquoten auf, die Inzidenzwerte würden willkürlich festgelegt. Beim Impfen gebe es ein ständiges Hin und Her der Anwendungen, etwa den Impfstoff von AstraZeneca betreffend.
Spangenberg fügte hinzu, die Ausgangssperren seien nicht nachvollziehbar, auch nicht die Verbote für Gartenlokale. Was die neuen Freiheiten angehe, stelle sich außerdem die Frage, wie das überprüft werden solle, insbesondere im privaten Umfeld.
SPD: Es gibt eine klare Perspektive
Dirk Wiese (SPD) verwies auf die schnelle Reaktion des Gesetzgebers nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zu Geimpften und Genesenen. Die jüngsten Zahlen der Impfkampagne seien zudem erfreulich, sagte er. „Es gibt eine klare Perspektive.“
Gleichwohl sei die Situation nach wie vor nicht einfach. Die Inzidenzzahlen seien immer noch hoch. Wiese warnte vor einer allzu schnellen Öffnung und verwies auf negative Beispiele im Ausland wie etwa in Indien. Dort sei nach Fortschritten zu früh gelockert worden. „Wir wollen die positiven Signale nicht durch Komplettlockerungen gefährden.“
Grüne: Vierte Welle muss verhindert werden
Auch Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) mahnte zur Vorsicht. Es gehe nicht um Härte, sondern um Konsequenz. Wenn Einschränkungen nicht mehr nötig seien, müssten sie aufgehoben werden. Noch befinde sich Deutschland aber mitten in der dritten Corona-Welle, die Intensivstationen seien immer noch voll, und etwa jeder zehnte Corona-Betroffene leide an Spätfolgen, dem sogenannten Long-Covid.
Wenn jetzt zu schnell gelockert würde, hätte das Virus die besten Bedingungen, um Mutationen zu entwickeln. Eine vierte Welle müsse unbedingt verhindert werden. Wenn alsbald auch Kinder geimpft werden könnten, sei das ein Meilenstein: „Wir müssen die Kinder mehr in den Blick nehmen.“
Linke: Grundrechte für alle wieder herstellen
Dr. Gregor Gysi (Die Linke) forderte, die Grundrechte für alle so schnell wie möglich wieder herzustellen. „Grundrechte sind weder Privilegien noch Sonderrechte, sondern stehen jedem Bürger in unserem Land zu.“ Wenn es Einschränkungen der Grundrechte gebe, müsse es dafür schlüssige, zutreffende und verhältnismäßige Gründe im Interesse der Allgemeinheit geben. Niemandem dürfe ohne Weiteres sein Grundrecht entzogen werden. Es sei daher höchste Zeit, dass Geimpfte und Genesene ihre Grundrechte wieder wahrnehmen könnten.
Gysi wertete den aktuellen Mangel an Impfstoff-Kapazitäten als Skandal. Wenn die Bundesregierung nicht für ausreichend Impfstoff sorge, müsse sie Tests gebührenfrei bereitstellen, damit die Menschen ihre Grundrechte wahrnehmen könnten. Er forderte außerdem eine Testpflicht für Betriebe sowie Luftfilter in Großraumbüros und Schulklassen. (pk/06.05.2021)