Schäuble und Witek gedenken des Überfalls auf Polen vor 80 Jahren
Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble und die Präsidentin des polnischen Parlaments, Sejmmarschallin Elżbieta Witek, haben am Sonntag, 1. September 2019, gemeinsam des deutschen Überfalls auf Polen vor 80 Jahren gedacht. In einer vom Deutschen Polen-Institut ausgerichteten Gedenkveranstaltung am Anhalter Bahnhof in Berlin erinnerten Deutsche und Polen an den 1. September 1939, den Beginn des Zweiten Weltkriegs.
„Initiative aus der Mitte der Gesellschaft“
An der Ruine des Bahnhofs am Askanischen Platz möchte eine zivilgesellschaftliche Initiative ein Denkmal für die Opfer der deutschen Besatzung in Polen von 1939 bis 1945 errichten. Schäuble sagte, mit diesem Denkmal zur Würdigung polnischer Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft solle im Zentrum von Berlin ein sichtbares Zeichen errichtet werden. Die Initiative dazu komme aus der Mitte der deutschen Gesellschaft, sie werde inzwischen von mehr als 200 Bundestagsabgeordneten unterstützt.
Vor der Ruine des Anhalter Bahnhofs wurde nach den Worten Schäubles im November 1940 der sowjetische Außenminister Molotow, „einer der Architekten des für Polen so verhängnisvollen Hitler-Stalin-Paktes“, zum Besuch empfangen. „Das erinnert daran“, so der Bundestagspräsident in seiner Ansprache, „dass Polen im Zweiten Weltkrieg zweimal besetzt wurde – zuerst von Deutschland, dann von der Sowjetunion“. Das mindere die deutsche Schuld nicht, sei aber für Polen eine „Tatsache mit prägender Bedeutung bis heute“. Sie erkläre viel über die „Sicherheitsbedürfnisse unseres Nachbarn und die polnische Sicht auf Europa“: „Wir täten gut daran, in unseren Überlegungen diese polnische Perspektive stets mitzudenken“, betonte Schäuble.
Witek würdigt Deutsch-Polnisches Jugendwerk
Zuvor hatten beide Parlamentspräsidenten an einem ökumenischen Gedenkgottesdienst im Berliner Dom teilgenommen. Sejmmarschallin Elżbieta Witek sagte, vor 80 Jahren hätten die Deutschen eine weltweite Katastrophe ausgelöst mit Polen als erstem Opfer der militärischen Aggression. Witek würdigte den polnischen Widerstand und erinnerte an den Warschauer Aufstand im August 1944. Mit dem 91-jährigen Prof. Dr. Zbigniew Anthony Kruszewski nahm ein aktiver Widerstandskämpfer des Warschauer Aufstands an der Gedenkveranstaltung teil.
Witek hob besonders die Rolle des Deutsch-Polnischen Jugendwerks im Rahmen der deutsch-polnischen Annäherung und Versöhnung hervor. Während der 28 Jahre seines Bestehens hätten knapp drei Millionen junge Menschen an Austauschprogrammen und Begegnungen teilgenommen. „Das Deutsch-Polnische Jugendwerk ist eine ganz besondere Brücke zwischen den Generationen. Und die heutige Veranstaltung ist eine Klammer, die zwei Epochen zusammenheftet – die des tragischen Kriegs und der scheinbar kaum zu besiegenden deutsch-polnischen Antagonismen und die heutige Epoche der Zusammenarbeit, Freundschaft und Gemeinschaft“, sagte Witek.
Die Sejmmarschallin dankte dem Bundestagspräsidenten für dessen Engagement für die Errichtung eines Denkmals für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs in Berlin. Dies wäre nicht nur eine Geste der Versöhnung gegenüber Polen, sondern auch ein „Projekt mit großer Bedeutung für Deutschland“.
„Überwindung der Spaltung des Kontinents festigen“
Wolfgang Schäuble erinnerte an den Beitrag der Kirchen für die Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Polen. Den Hitler-Stalin-Pakt von 1939 bezeichnete er als die faktisch vierte Teilung Polens: „Wir Deutschen machen uns noch immer viel zu wenig bewusst, wie stark in Polen das Erleben des Zangenangriffs übermächtiger Nachbarn und die doppelte Diktaturerfahrung bis heute nachwirken. So wie wir auch noch immer viel zu wenig vom polnischen Widerstand im Weltkrieg wissen: von den geheimen Universitäten, dem polnischen Untergrundstaat und vom Heldenmut im Warschauer Aufstand, diesem ungebrochenen Willen und Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit.“
Im heutigen Europa falle Polen und Deutschland „als Partner und Freunde“ die Aufgabe zu, gemeinsam dazu beizutragen, die „größte Errungenschaft der europäischen Integration zu festigen: die Überwindung der Spaltung des Kontinents in Ost und West“. Schäuble zitierte den früheren polnischen Außenminister Władysław Bartoszewski: „Unsere Nachbarschaft wird im hohen Maße entscheiden, ob, wann und wie rasch der so lange künstlich geteilte Kontinent zusammenwachsen wird.“ Bartoszewskis Worte aus dem Jahr 2002 seien weiter aktuell. (vom/03.09.2019)