Parteien sollen künftig mehr Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung bekommen: Das sind die Pläne der Großen Koalition, für die sie einen Entwurf zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (19/2509) vorgelegt hat. Damit soll die Obergenze der staatlichen Parteienfinanzierung von aktuell 165 Millionen Euro auf 190 Millionen Euro ab dem kommenden Jahr erhöht werden. Bei Experten sorgt das Vorhaben für ein ganz unterschiedliches Echo, auch was die Bewertung betrifft, ob die geplanten Neuregelungen verfassungsgemäß sind. Dies wurde am Montag, 11. Juni 2018, in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat unter Vorsitz von Andrea Lindholz (CDU/CSU) deutlich.
„Erhöhung ist möglich“
So äußerten sich Prof. Dr. Michael Brenner von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Prof. Dr. Bernd Grzeszick, Staatsrechtler aus Heidelberg, klar für den Entwurf. Das Bundesverfassungsgericht habe „verfassungsrechtliche Leitlinien“ erlassen, innerhalb derer die absolute Obergrenze der Parteienfinanzierung verändert werden könne, so Brenner. Gebe es „einschneidende Veränderungen der bestehenden Verhältnisse“, sei eine Erhöhung möglich. Diese seien gegeben – etwa durch die Notwendigkeit, Hackerangriffe abwehren, Fake News entkräften und stärker auf die Digitalisierung setzen zu müssen, entstünden den Parteien höhere Kosten. Die Aufrechterhaltung der freien demokratischen Grundordnung sollte dem Staat 190 Millionen Euro im Jahr „wert sein“.
Auch Bernd Grzeszick betonte, steigende Wahlbeteiligung und neue partizipative Instrumente, die die Parteien anwenden müssten, würden diese Erhöhung rechtfertigen. Der Entwurf sei seines Erachtens „verfassungsgemäß“.
„Ausgezeichnetes Modell“
Auch der Verwaltungswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Zeh zeigte sich zufrieden mit dem Gesetzentwurf: Das Modell der hälftigen Finanzierung der Parteien durch private Mittel, Spenden und Beiträge einerseits und staatliche Alimentation andererseits sei ein „ausgezeichnetes Modell“. Die absolute Obergrenze führe bisher dazu, dass Anstrengungen, den privaten Anteil zu erhöhen, mit einer Kappung einhergingen.
Von „Selbstbedienung“ könne keine Rede sein: Hier würden sich nicht „Parteimitglieder die Taschen füllen“, das Geld werde für die Bewältigung der „wachsenden Aufgaben“, also für Personal, Technik, Veranstaltungen und ähnliches verwendet.
„Darlegungslast wird in keiner Weise erfüllt“
Dies sieht Prof. Dr. Sophia Schönberger, Staatsrechtlerin in Konstanz, anders: Die tatsächliche Veränderung der Verhältnisse werde in dem Entwurf mitnichten klar dargelegt.
Die Darlegungslast werde „in keiner Weise erfüllt“ – so liege zum Beispiel der Verdacht nahe, dass die Digitalisierung zwar durchaus Geld koste, man aber gleichzeitig auch spare. Grundsätzlich müsse man angesichts des „Dilemmas der Entscheidung in eigener Sache“ mehr Sensibilität erwarten.
„Begründung nicht nachzuvollziehen“
Erhebliche Kritik am Verfahren insgesamt äußerten drei Sachverständige. So sagte Dr. Michael Kloß von der Ludwig-Maximilians-Universität München, die Koalition verletze offenbar die „informelle Norm“ bei einer Entscheidung über die Parteienfinanzierung Einvernehmen mit den übrigen im Parlament vertretenen Parteien herzustellen. Auch inhaltlich sei die Begründung für die Notwendigkeit, die Finanzierung zu erhöhen, nicht nachzuvollziehen.
Offenbar habe die Koalition Finanzprobleme, die die anderen Parteien nicht hätten, gleichzeitig entstehe der Eindruck, dass lediglich „ein Nehmen stattfindet“, auf eine größere – seit Langem angemahnte – Transparenz bei der Parteienfinanzierung aber verzichtet werde. Er, so Kloß, sehe den Entwurf daher „überaus kritisch“.
„Eine Wertungsfrage“
Auch Dr. Heike Merten von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf äußerte Kritik: Eine Erhöhung der Parteienfinanzierung über den Preisindex hinaus sei eine „Wertungsfrage“ in den Händen des Gesetzgebers – denkbar wäre hier, auf das Votum objektiver Sachverständiger zu hören, was aber nicht getan werde.
Auch die geänderten Verhältnisse insbesondere mit Blick auf neue Beteiligungsformen müssten klar diskutiert werden. Es gehe „nicht, erst das Geld haben zu wollen“, aber dann nicht die Möglichkeiten zu schaffen.
Volksentscheide vorgeschlagen
Der Staatsrechtler Prof. Dr. Karl-Albrecht Schachtschneider warf dem Bundestag vor, immer wieder vor dem Bundesverfassungsgericht einzuknicken und forderte eine Initiative aus dem Parlament heraus zur staatlichen Parteienfinanzierung.
Dafür müsse es Volksentscheide geben, bis dahin solle die bisherige Regelung beibehalten werden. (suk/11.06.2018)
Der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (19/2509) steht am Montag, 11. Juni 2018, im Mittelpunkt einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat. Die Sitzung unter Leitung von Andrea Lindholz (CDU/CSU) beginnt um 10 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin und dauert zwei Stunden.
Die Sitzung wird live im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Obergrenze soll deutlich ausgeweitet werden
Union und SPD wollen wegen neuer technischer und inhaltlicher Anforderungen die absolute Obergrenze für die staatliche Parteienfinanzierung deutlich ausweiten. Die zulässige Grenze soll von derzeit rund 165 Millionen Euro ab 2019 auf 190 Millionen Euro angehoben werden.
Laut Parteiengesetz erhöht sich das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen Parteien höchstens ausgezahlt werden darf, um den Prozentsatz, um den sich der Preisindex der für eine Partei typischen Ausgaben im vorangegangenen Jahr erhöht hat. Die Angaben zur Entwicklung des Preisindexes werden vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellt. In diesem Jahr steigt die absolute Obergrenze um 2,2 Prozent auf rund 165,36 Millionen Euro.
„Kosten neuer Quantität und Qualität“
Dieser Inflationsausgleich reicht nach Ansicht der Fraktionen aber nicht aus. Vor allem durch die Digitalisierung der Kommunikationswege und Medien hätten sich viele neue Foren entwickelt, auf denen Parteien präsent sein müssten, um ihre Aufgabe der Mitwirkung an der politischen Willensbildung zu erfüllen.
Hinzu kämen jenseits des Inflationsausgleichs „durch Veränderung der politisch-kulturellen und der rechtlichen Rahmenbedingungen bedingte Kosten“ neuer innerparteilicher Beteiligungsinstrumente – etwa Mitglieder- statt Delegiertenparteitage oder Mitgliederentscheide – „und erhöhter Transparenz- und Rechenschaftsanforderungen“, die für alle Parteien erhebliche Kosten neuer Quantität und Qualität verursachten. (pk/07.06.2018)
Zeit: Montag, 11. Juni 2018, 10 bis 12 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900
Interessierte Besucher können sich unter Angabe ihres Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums im Sekretariat des Ausschusses anmelden (E-Mail: innenausschuss@bundestag.de). Zum Einlass muss ein Personaldokument mitgebracht werden.
Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden.
Liste der geladenen Sachverständigen
- Prof. Dr. Michael Brenner, Rechtswissenschaftliche Fakultät Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Prof. Dr. Bernd Grzeszick, LL.M. (Cambridge), Institut für Staatsrecht, Verfassungslehre und Rechtsphilosophie, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Internationales Öffentliches Recht, Allgemeine Staatslehre und Rechtsphilosophie, Universität Heidelberg
- Dr. Michael Koß, Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft, Ludwig-Maximilians-Universität München
- Dr. Heike Merten, Institut für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
- Prof. Dr. Sophie Schönberger, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Medienrecht, Kunst- und Kulturrecht, Universität Konstanz
- Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
- Prof. Dr. Wolfgang Zeh