Impulsgeber für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit
Eine der mitgliederstärksten Parlamentariergruppen im Deutschen Bundestag pflegt die Beziehungen zu China, begleitet die Außenpolitik der Bundesregierung und setzt eigene Akzente im Umgang mit der asiatischen Großmacht. „Die Chinesen haben kein Interesse daran, noch fossile Autos zu entwickeln, sie wollen lieber gleich Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen“, bringt Dagmar Schmidt (SPD), Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe, die enorme wirtschaftliche Dynamik der Volksrepublik in den vergangenen drei Jahrzehnten auf den Punkt. „In rasender Geschwindigkeit holt China eine Entwicklung nach, für die der Westen viele Jahrzehnte und mehr gebraucht hat. Diese Zeit haben die Chinesen nicht.“
Bevölkerungsreichstes Land, Werkbank der Welt, Mitbewerber um den „Titel“ Exportweltmeister – so einige der gängigsten Attribute Chinas. Um mit dem Land der Superlative in Kontakt zu bleiben und die Beziehungen auch auf parlamentarischer Ebene zu pflegen, dazu wurde die Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe eingerichtet, die in dieser Wahlperiode 45 Abgeordnete zählt.
Großes Interesse an intensivem Austausch
Dass China längst kein klassisches Entwicklungsland mehr ist – diese Einordnung ist Dagmar Schmidt wichtig, wenn sie über die heutige asiatische Großmacht redet. Aber auch, dass Deutschland weiterhin in vielen Bereichen als Vorbild für die Volksrepublik fungiert. Die Chinesen seien aufgeschlossen und nähmen den Austausch mit Deutschland gerne an, beispielsweise im Bereich des Umweltschutzes – einen Austausch auf Augenhöhe, bei dem die Deutschen keinesfalls schulmeisterlich aufträten. Auch Deutschland könne außerdem von China noch vieles lernen.
Kein Wunder, stünden doch beide Länder vor ähnlichen Herausforderungen, wie sie beispielsweise der demografische Wandel, die Urbanisierung oder regionale wirtschaftliche Unterschiede mit sich brächten und für die in beiden Ländern Lösungen gesucht und Erfahrungen gemacht würden.
Die Delegierten des Nationalen Volkskongresses, speziell der dortigen Chinesisch-Deutschen Freundschaftsgruppe, hätten daher großes Interesse an einem intensiven Austausch, wie er unter anderem durch die Parlamentariergruppe ermöglicht wird. Umgekehrt sei auch der Bundestag an guten und intensiven Beziehungen zu China interessiert.
Schmidt: Wir wollen nachhaltige Beziehungen zu China
„Wenn wir wollen, dass die Beziehungen zu China nachhaltig sind, dann dürfen diese nicht nur im Rahmen von Regierungskonsultationen und wirtschaftlicher Zusammenarbeit stattfinden, sondern müssen auch auf parlamentarischer und zivilgesellschaftlicher Ebene gepflegt werden“, wirbt Schmidt für den Wert der Zusammenarbeit zwischen Deutschem Bundestag und Nationalem Volkskongress.
Die Deutsch-Chinesische Parlamentariergruppe zähle dabei zu den aktivsten Parlamentariergruppen im Bundestag, sagt die Politikerin. Der Nationale Volkskongress wiederum sei gerade dabei, seine Rolle unter den Verfassungsorganen in China behutsam zu stärken.
Anlaufstelle für chinesische Delegationen
Auf allen zwischenstaatlichen Ebenen Kontaktpflege betreiben und als umfassendes Dialogforum dienen – so beschreibt Schmidt das Aufgabenspektrum und Selbstverständnis der Parlamentariergruppe. Und: „Wir sehen uns als Impulsgeber für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit.“ Dazu gehöre ebenso, die gemeinsamen Regierungskonsultationen zu begleiten wie als Anlaufstelle für unterschiedliche chinesische Delegationen, Journalisten oder Blogger zu dienen.
Man sei mit einer Vielzahl von Akteuren in Kontakt, tausche sich über eine Fülle von Themen aus, die von wirtschaftlichen bis hin zu kulturellen Aspekten reichten. Um sich über aktuelle Entwicklungen in China auf dem Laufenden zu halten, führten die Abgeordneten zudem regelmäßig Expertengespräche durch und stünden in Kontakt zur chinesischen Botschaft in Berlin.
China als internationaler Akteur
Wie sich China als aufsteigende Großmacht in der Weltpolitik bewegt, gehört laut Schmidt zu den meistdiskutierten Fragen, mit denen sich die Abgeordneten in der Parlamentariergruppe momentan befassen. In der Außenpolitik Pekings gebe es Licht, aber auch Schatten, erklärt Schmidt. Einerseits sei die Volksrepublik in mehrere regionale Streitigkeiten mit ihren Nachbarn verwickelt, in denen Peking unnachgiebig auftrete. Andererseits engagiere sich China mehr und mehr konstruktiv in internationalen Friedensmissionen der Vereinten Nationen.
Weiterer Themenschwerpunkt der Parlamentarier sei die staatliche und das heiße vor allem die wirtschaftliche Entwicklung der Volksrepublik. Die chinesische Führung investiere strategisch in große Infrastrukturen und zukunftsträchtige Branchen wie die Elektromobilität. Es sei der Wunsch beider Seiten, die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter zu vertiefen.
„Offenheit hat sich nicht zum Besseren entwickelt“
Kritisch sieht Schmidt die zunehmende Einschränkung der Bürger- und Menschenrechte in China. Das zeige sich beispielsweise an Beschränkungen der Meinungs- ebenso wie der Reisefreiheit. „Die Offenheit hat sich nicht zum Besseren entwickelt“, resümiert Schmidt nach ihrem jüngsten China-Aufenthalt. Dies gelte für China insgesamt ebenso wie für die Sonderwirtschaftszone Hongkong, die als ehemalige britische Kronkolonie über eine Reihe vertraglich zugesicherter demokratischer Rechte verfügt.
Ein Gradmesser für die Entwicklung auf dem Gebiet der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten sei der Umgang mit Akteuren der Zivilgesellschaft. Man warte gespannt auf die Auswirkungen des neuen NGO-Gesetzes vom 1. Januar 2017, das die Arbeitsbedingungen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) neu regelt. Über die Arbeitsbedingungen von NGOs und bürgerliches Engagement hatten sich Mitglieder der Parlamentariergruppe auch auf einer Delegationsreise im Oktober 2016 mit Vertretern der Zivilgesellschaft in Hongkong informiert.
Ebenso wie die gesellschaftliche Entwicklung in China liegt den Bundestagsabgeordneten der kulturelle Austausch mit der Volksrepublik am Herzen. Auch auf diesem Gebiet engagiert sich die Parlamentariergruppe, sei es indem sich die Abgeordneten beim Treffen mit Künstlern in China einen unmittelbaren Eindruck von deren Arbeitsbedingungen verschaffen, sei es indem sie eigene Projekte anstoßen.
„Kunst wirkt in die Gesellschaft hinein“
So haben Dagmar Schmidt seitens des Deutschen Bundestages und Professor Yu Zhang, die Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsch-Chinesischen kulturellen Austausch, 2016 gemeinsam das Projekt „Kunst gemeinsam gestalten!“ ins Leben gerufen. Das auf eineinhalb Jahre angelegte Vorhaben ist eines der bisher größten deutsch-chinesischen Künstleraustausch-Projekte.
Dabei erhalten 16 junge, talentierte Künstlerinnen und Künstler verschiedener Disziplinen aus Deutschland und China die Möglichkeit Kunst und Kultur des jeweils anderen Landes kennenzulernen, zusammen zu leben, zu arbeiten und sich gegenseitig zu inspirieren. Acht chinesische Künstlerinnen und Künstler waren im Rahmen des Projekts bereits von August bis Oktober 2016 in Berlin, acht Deutsche werden im Frühjahr 2017 für zwei Monate nach Peking reisen. Schmidt ist davon überzeugt, dass Projekte wie dieses auch jenseits der Kunstszene Resonanz entfalten und zu Veränderungen führen.
„Kunst wirkt die Gesellschaft hinein“, sagt die engagierte Politikerin, die seit 2014 Vorsitzende der Parlamentariergruppe ist. Ihr China-Interesse reicht bereits länger zurück. So hat sie zuvor in ihrer hessischen Heimat den Ausbau der Beziehungen zur chinesischen Region Hunan vorangetrieben. „Uns alle verbindet das Interesse an China“, sagt Schmidt über die in ihrer Parlamentariergruppe zusammengeschlossenen Abgeordneten aller politischer Fraktionen, die sowohl ausgewiesene China-Kenner wie interessierte Newcomer umfasst. (ll/20.02.2017)