Sachverständige fordern Ausbau der Energiespeicher
Zeit:
Montag, 29. Januar 2024,
14 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900
Ein Ausbau der Energiespeicher ist nach Ansicht von Sachverständigen entscheidend für den Erfolg der Energiewende. Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Montag, 29. Januar 2024, wurden verlässliche Rahmenbedingungen für den Betrieb und die Investition in Speichertechnologien gefordert. Ein der Anhörung zugrundeliegender Antrag der CDU/CSU-Fraktion (20/8525) traf auf breite Zustimmung. Die Abgeordneten fordern darin unter anderem, das Energiemarktdesign konsequent auf die Entwicklungen der Energiewende und damit auch auf den Einsatz von Energiespeichern auszurichten, um die hohen Energiesystemkosten zu senken und Effizienz in die Energiewende zu bringen. Zudem müssten regulatorische Hindernisse beseitigt werden, die die Entwicklung und den Einsatz von Speichertechniken behinderten.
Rolle der Speicher bei der Energiewende
Ohne Energiespeicher kann es aus Sicht von Urban Windelen, Bundesgeschäftsführer beim Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES), bei der Energiewende nicht weitergehen. Es brauche Speicher auf Seiten der Erzeugung, im Netz und beim Verbrauch. „Nur so kann zukünftig die Versorgung mit Energie stabil, kosteneffizient und zunehmend erneuerbar überhaupt organisiert werden“, sagte er. Die benötigen Technologien seien „gerade in Deutschland“ vorhanden. Es fehle aber ein konsistenter Rechtsrahmen für die Energiespeicherung. In der Stromspeicherstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) seien erste Schritte benannt, so Windelen. Der Bedarf gehe jedoch weit darüber hinaus.
Constanze Adolf von der Unternehmensberatung H/Advisors Deekeling Arndt betonte die Rolle von thermischen Energiespeichern für eine erfolgreiche Industrie- und Energiewende. Um die regulatorischen Hürden für thermische Speicher abzubauen, brauche es unter anderem die Abschaffung von Netzentgelten sowie die Entwicklung eines umlagebefreiten Wärmestromtarifs oder eines Wärmegarantiepreises zur Schaffung von Investitionssicherheit, „inklusive der Abschaffung der Netzentgelte und Baukostenzuschüsse“, sagte sie. Es brauche zudem schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie eine Beschleunigung der administrativen Prozesse bei der Förderung von Energiespeichern.
Netzentgeltbefreiung für alle Speichertechnologien
Für den zügigen Ausbau von Speichern muss es nach Einschätzung des Diplom-Ingenieurs für Energieanlagentechnik, Hubertus Altmann, eine Verstetigung der Netzentgeltbefreiung für alle Speichertechnologien geben. „Die sachwidrige Einordnung von Speichern als Stromverbraucher muss dauerhaft beendet werden“, betonte er. Der Bau und Ausbau von Speichern sollte Altmann zufolge vorrangig auf bereits bestehenden Industrie- und Kraftwerksstandorten erfolgen, „auch während ihrer aktiven Betriebsphase“. Die Investitionen an diesen Standorten seien ökologisch vorteilhaft und ermöglichten die Hebung von Systemeffekten im bestehenden Stromnetz.
Benedikt Deuchert von der Kyon Energy Finance GmbH wies dem zügigen und umfassenden Zubau von netzgekoppelten Großbatteriespeichern eine Schlüsselrolle zu. Der volkswirtschaftliche Nutzen sei mit etwa zwölf Milliarden Euro bis 2050 erheblich. Zudem führe ein rein marktgetriebener, subventionsfreier Zubau von Großbatteriespeichern zu einem geringeren Bedarf an konventioneller Kraftwerkskapazität. In der Stromspeicherstrategie des BMWK fänden sich positive Bekenntnisse zum Ausbau von Großspeichern, so Deuchert. „Wir sind uns aber nicht sicher, ob deren Vorteile tatsächlich gesehen werden“, fügte er hinzu.
Verbesserung der Wirtschaftlichkeit
In der Entlastung der Stromspeicher von Netzentgelten sieht Andreas Fußer, Berater für Energieunternehmen, Industriebetriebe und Umweltverbände, einen wesentlichen Punkt zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit. Deshalb müsse im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) klargestellt werden, „dass Stromspeicherung bei anschließender Rückspeisung in das öffentliche Netz keinen Letztverbrauch darstellt“. Bei der Speicherung handle es sich schließlich weder um Erzeugung noch um Letztverbrauch, sondern um eine zeitliche Verschiebung des Letztverbrauchs. Fußer verlangte zugleich den Abbau genehmigungsrechtlicher Hemmnisse. Des Weiteren plädierte er dafür, dass Stromspeicheranlagen künftig nicht nur direkt aus EE-Anlagen stammenden Strom (Grünstrom) speichern, sondern auch zugleich Strom aus dem Netz (Graustrom) ein- und ausspeichern können, ohne die Förderung für den zwischengespeicherten Grünstromanteil zu verlieren.
Michael Ritzau vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH (BET) kritisierte ebenfalls, „das Stromspeicher letztendlich immer noch wie Erzeuger oder Verbraucher behandelt werden“. Das sei nicht richtig. Benötigt würde eine eigene Kategorie. „Wenn sich Speicher netzdienlich verhalten, gibt es keine Argumente dafür, sie mit Netzentgelten zu beaufschlagen.“ Batteriespeichern wies Ritzau künftig eine große Rolle zu. Es sei von einem Hochlauf bis über 40 Gigawatt bis 2030 auszugehen. Großbatteriespeicher könnten eine wesentliche Rolle bei der Energiewende spielen, sagte er. Abwarten müsse man, „ob der marktgetriebene Hochlauf bleibt“.
Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft
Christian Heine, Sprecher der Geschäftsführung Hamburger Energiewerke GmbH, bewertete den politischen Rahmen für Wärmespeicher als „solide gesetzt“. Daher sollte das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) bis mindestens 2030 verlängert und die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze langfristig finanziell abgesichert werden. Heine plädierte dafür, den zukünftigen Speicherbedarf für Wasserstoff in Deutschland zu ermitteln. Für einen erfolgreichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sollte neben den Aufbau der Wasserstoffherstellung und -verteilung auf der nationalen Ebene ein hinreichender Zubau von Wasserstoffspeichern an geeigneten Standorten geprüft und der erforderliche rechtliche Rahmen geschaffen werden.
Frank Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, hält eine Diskussion und Auseinandersetzung über das „fast vollständige Versagen der Wind- und Solarstromerzeugung für Versorgungsaufgaben“ für nötig. „Mit dem Beginn des umfangreichen Ausbaus an Wind- und Solarkapazitäten hätten der Netzausbau und Speicheraufbau im entsprechenden Umfang mitgedacht werden müssen“, sagte er. Die Fokussierung auf den „exzessiven Ausbau volatiler Einspeiser ohne ausreichende Betrachtung des Gesamtsystems“ habe zu hohen Preisen und gleichzeitig hohen spezifischen CO2-Emissionen im Stromsektor geführt.
Verstetigung der Stromversorgung
Thomas Seltmann vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) machte deutlich, dass die Solar- und Speicherbranche bereitstehe, sowohl die solartechnische Erzeugungsinfrastruktur als auch die notwendige Speichertechnik im erforderlichen Umfang auszubauen. Für die Solarbranche seien Batteriespeicher besonders interessant, „weil sie der ideale Partner für Photovoltaikanlagen sind, um den Tag-Nacht-Ausgleich herzustellen und damit die Stromversorgung zu verstetigen“, sagte Seltmann. Benötigt werde ein Paradigmenwechsel „weg von selektiven Ausnahmen der Speicher von bestimmten Einschränkungen hin zu einem Rechtsrahmen, der insbesondere Batteriespeichern den gleichen Vorrang einräumt, der den erneuerbaren Energieanlagen ebenfalls zugestanden wird“.
Prof. Michael Sterner von der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher Regensburg, der zugleich Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung ist, forderte Änderungen in der Regulatorik. So müssten die Genehmigungsverfahren für Pumpspeicher beschleunigt und vereinfacht werden. Bei Heimspeichern, die im Winter weitgehend nutzlos herumstünden, müsse die Beladung mit Netzstrom zugelassen werden, sagte er. Das Laden zu Zeiten mit geringen Strompreisen ermögliche mehr Flexibilität, Preisstabilität und eine bessere Integration erneuerbarer Energien. Bei Großspeichern müsse der Baukostenzuschuss abgeschafft und die Netzentgeltbefreiung verlängert werden, verlangte Sterner.
Antrag der Union
In ihrem Antrag fordern die CDU/CSU-Abgeordneten die Bundesregierung auf, „das Energiemarktdesign konsequent auf die Entwicklungen der Energiewende und damit auch auf den Einsatz von Energiespeichern auszurichten, um die hohen Energiesystemkosten zu senken und Effizienz in die Energiewende zu bringen“. Dazu brauche es verlässliche Rahmenbedingungen für den Betrieb und die Investition in Speichertechnologien, heißt es weiter.
Zudem sollten Energiespeicher als regulatorisch eigenständige Säule des Energiesystems eingeordnet werden. Dabei seien großtechnische Stromspeicher bei der Netzausbauplanung zu berücksichtigen und Hindernisse zu beseitigen, die die Entwicklung und den Einsatz von Speichertechniken behinderten – insbesondere die Belastung mit Netzentgelten, Baukostenzuschüssen und weiteren Abgaben. Zudem sollte auch die Errichtung von Speichern grundsätzlich als im überragenden Interesse liegend in den Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden. (hau/mis/29.01.2024)