Nachbesserungsbedarf beim beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien
Zeit:
Mittwoch, 16. Oktober 2024,
11 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.200
Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich am Mittwoch, 16. Oktober 2024, in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2023/2413 in den Bereichen Windenergie an Land und Solarenergie sowie für Energiespeicheranlagen am selben Standort“ (20/12785, 20/13253) befasst. Das Ziel einer Beschleunigung des Ausbaus erneuerbaren Energien wurde von den Sachverständigen mehrheitlich geteilt, im Konkreten sehen viele aber Nachbesserungsbedarf.
Kritik an Rechtsunsicherheiten
So fürchtet der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die Gefahr von Verzögerungen, die sich durch Rechtsunsicherheiten ergeben könnten. So sagte Nabu-Vertreterin Rebekka Blessenohl, die Beschleunigungsbemühungen bei der Energiewende müssten konsequent beide Krisen - Klima und Natur - gleichermaßen berücksichtigen. Genau das sei aber bei der dem Entwurf zugrunde liegenden RED III-Richtlinie der EU nicht gelungen. Insbesondere die Regelungen zu der Gebietsauswahl und Festlegung von Schutzmaßnahmen zum Beispiel seien mit einem so großen Interpretationsspielraum versehen, dass je nach nationaler Umsetzung naturschutzfachliche praktisch keine Rolle mehr spielen würden und es zu einer eklatanten Verletzung von Verpflichtungen zum Schutz der Biodiversität kommen könne.
Bereits auf der Ebene der Richtlinie sei nicht klar bestimmt, ob sie für ihren Geltungsbereich gesonderte Umweltstandards zulässt, oder nicht - und diese Unschärfen beseitige auch der Gesetzentwurf nicht, sagte der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Tobias Leidinger. Die Klärung der daraus resultierenden Rechtsfragen werde damit auf die Vollzugsebene und die Rechtsprechung verlagert. Damit fehle die erforderliche Rechtssicherheit in einem zentralen Punkt. Rechtsprobleme dieser und anderer Art, Vollzugsprobleme und Zweckmäßigkeitsprobleme attestierte auch Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht dem Gesetzentwurf.
Neue Aufgaben für die Unteren Naturschutzbehörden
Demgegenüber hob Sabine Schlacke von der Universität Greifswald die besondere Herausforderung für Deutschland hervor, diesen jüngsten europäisch bedingten rechtlichen Beschleunigungswille auf die bereits bestehenden, deutschen Beschleunigungsmaßnahmen anzuwenden. Die Beschleunigungsgeber müssten kohärent in den laufenden Prozess der Windenergieausweisung integriert werden, damit keine Ent- statt Beschleunigung des EE-Ausbaus verursacht werde , so Schlacke. Die Beurteilung der Umsetzung der RED III-Richtlinie müsse daher auch im Hinblick auf die praktische Umsetzbarkeit durch Planungsträger erfolgen. Björn Spiegel von der Arge Netz GmbH & Co. KG nannte das Gesetz eines der schwierigsten der vergangen Jahre.
Christine Wilcken von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände kritisierte denn auch ausdrücklich, dass neue Aufgaben auf die Unteren Naturschutzbehörden und die Planungsbehörden verlagert würden, ohne dass der Aufwand realistisch benannt oder ein angemessener Ausgleich in Aussicht gestellt werde. „Wir fordern, dass der Erfüllungsaufwand auf Seiten der Kommunen im Gesetzentwurf klar benannt wird.“ Cornelia Uschtrin vom Bundesverband WindEnergie (BWE) hob hervor, dass die novellierte RED III-Richtlinie den Ausbau erneuerbarer Energien erleichtern und beschleunigen könnte - und dass dies nicht nur notwendig sei, um die Klimaziele zu erreichen, sondern vor dem Hintergrund derzeitiger Energiekrisen auch der wichtigste Weg in Richtung mehr Energiesicherheit - nicht nur national, sondern EU-weit.
Weitere Einschätzungen
Paula Hahn vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kritisierte beim Genehmigungsrecht Windenergie an Land die nicht zielgenaue Umsetzung der Richtlinie. Der BDEW plädiere dafür, die vorgegebenen Erleichterungen bei den umwelt- und verfahrensrechtlichen Prüfungen eins zu eins umzusetzen. Zudem sehe man keine Beschleunigungswirkung in der geplanten Umsetzung der RED III-Richtlinie für den Ausbau der Photovoltaik und rate von einer - von der Richtlinie auch nicht vorgeschriebenen - Umsetzung ab. Beschleunigungsgebiete bei Solarenergie böten Chancen wie Risiken, sagte Bernhard Strohmayer vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft. Aufgrund der Komplexität der Regelungen sehe aber auch er vor allem das Risiko von Überforderungen, Attentismus und Akzeptanzverlust in den Kommunen.
Carsten König vom Bundesverband Solarwirtschaft plädierte dafür, noch in dieser Legislaturperiode eine baurechtliche Privilegierung von großen Solarthermieanlagen, Batteriespeichern sowie Agri-PV-Anlagen zu beschließen. Das könne der dringend notwendige Booster für die schleppende Wärmewende sowie für den unbedingt erforderlichen Ausbau von Batteriespeichern werden. Tim Krautschneider von der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) sagte, anstelle zahlreicher Einzelbeschleunigungsgesetze für verschiedene Vorhaben erscheine ihm eine Bereinigung, Systematisierung und Kodifizierung des deutschen Anlagenzulassungsrechts erforderlich. Frank Heitmann von der Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit lehnte den Gesetzentwurf grundsätzlich ab. Es handle sich um ein Gesetz , das nicht gebraucht werde und die Bürger belaste. (mis/16.10.2024)