Ausschüsse

Anhörung über die TK-Mindestversorgungsverordnung

Zeit: Montag, 9. Mai 2022, 14 bis 16 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900

Die in der TK-Mindestversorgungsverordnung der Bundesnetzagentur (TKMV) enthaltenen Anforderungen an Internetzugangsdienst sowie an Sprachkommunikationsdienste dürfen und werden nur Übergangsregelungen sein. Das wurde während einer Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Digitales am Montag, 9. Mai 2022, deutlich. In der Verordnung, die am 1. Juni 2022 in Kraft treten soll, sind Bandbreiten von mindestens 10,0 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) im Download beziehungsweise mindestens 1,7 Mbit/s im Upload sowie eine Latenz (Verzögerungszeit) von höchstens 150,0 Millisekunden (ms) festgelegt.

Bundesnetzagentur startet eine „dynamische Entwicklung“

Wilhelm Eschweiler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, erläuterte vor den Abgeordneten das Zustandekommen der Werte. Bei einem Gutachten seien Werte von 7,7 Mbit/s für den Download und 1,3 Mbit/s für den Upload und 150 ms für die Latenz ermittelt worden, sagte er. Um der Lebenswirklichkeit von Mehrpersonenhaushalten Rechnung zu tragen, sei ein Aufschlag auf die Werte beim Upload und beim Download um 30 Prozent erfolgt. Mit dem Festlegen der Mindestanforderungen starte die Bundesnetzagentur eine „dynamische Entwicklung“, sagte Eschweiler. „Die Festlegung ist ein erster Anfang. Die Werte werden jährlich überprüft, um sie anpassen zu können“, sagte der Vizepräsident der Bundesnetzagentur.

Cara Schwarz-Schilling, Direktorin des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK), auf dessen Gutachten die Werte beruhen, machte ebenfalls deutlich, dass es sich dabei nur um Übergangsregelungen handeln könne. „Das ist nicht das, was uns langfristig zufriedenstellt“, sagte sie. Diese Übergangsregelungen dienten aber dazu, die Lage einzelner Haushalte kurzfristig zu verbessern - „bis flächendeckende Glasfaseranschlüsse ausgerollt sind“. Die Frage sei, ob flächendeckend tatsächlich 100 Prozent ist. Sind es nur 98 Prozent brauche es Lösungen für die Haushalte, die nicht erfasst sind, sagte Schwarz-Schilling. Funklösungen könnten die Versorgung kurzfristig und übergangsweise verbessern, auch wenn sie nicht alle wünschenswerten Anforderungen bereitstellen, befand sie.

Verbesserung der Versorgungssituation bei Haushalten

Aus Sicht der Kommunalvertreter Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag und Ralph Sonnenschein vom Deutschen Städte und Gemeindebund muss das Infrastrukturziel 100 Prozent Glasfaseranschlüsse lauten – auch in Einzellagen. „Zur Erreichung dieses Ziels leistet die TKMV keinerlei Beitrag“, befand Ritgen. Das liege an der festgeschriebenen Technologieoffenheit und der enthaltenen Mindestwerte. Gleichwohl, so Ritgen, könne die Verordnung zu einer kurzfristigen Verbesserung der Versorgungssituation bei Haushalten führen, die derzeit keine oder eine sehr schlechte Internetversorgung haben.

Für Prof. Stephan Breide von der Fachhochschule Südwestfalen ist nach wie vor ungeklärt, an wen sich eine Durchsetzung der TKMV richten soll. Nach Inkraftsetzung der Verordnung, die laut Breide „ein wichtiger Schritt“ sei, müssten auch weitere Fragen gelöst werden. So etwa die der Standardisierung der Ausbautechnik. Auch müsse eine hohe Stabilität der Netze garantiert werden, „bei gleichzeitiger Erhöhung der Planungssicherheit für die am Markt tätigen Unternehmen“, sagte er. Schließlich müsse auch ein weiterentwickelter Wettbewerb etabliert werden.

Nutzung geostatischer Systeme

Für die Nutzung geostatischer Systeme sprach sich Rainer Johann Wansch vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) aus. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele der über Satellit angebotenen Anwendungen gut funktionieren“, sagte er. Als Beispiel führte er Australien an, das sich entschieden habe, weiter abgelegene Gebiete per Satellit zu versorgen. „Wenn man schnell in der Fläche und fernab der Hauptachsen Menschen versorgen will, sollte man die Satelliten nutzen“, sagte Wansch.

Lina Ehrig von der Verbraucherzentrale Bundesverband sprach sich für eine Mindestbandbreite von 30 Mit/s im Download und 3,4 Mbit/s im Upload aus. Sie kritisierte die in den Entwurf der Verordnung eingebaute Öffnungsklausel, wonach die Dienste nicht mehr „stets“ sondern nur „regelmäßig“ funktionieren müssten. Damit solle die Satellitennutzung ermöglicht werden, so Ehring. Die durch Gesetz gezogene rote Linie der Mindestanforderungen werde damit „ohne hinreichende Grundlage unterschritten“.

Praxisnahe Lösungen für Bürger

Die Bürger bräuchten praxisnahe Lösungen, die funktionieren, sagte Jürgen Grützner, Geschäftsführer beim Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten. „Ohne Geo-Satelliten werden wir keine schnelle, alternative Versorgungsmöglichkeit für die Bevölkerung haben“, betonte er. Der Satellit solle „auf gar keinen Fall“ die Standardlösung für eine Universaldienstversorgung sein, so Grützner. In bestimmten Fällen sei er aber unverzichtbar. Dem müsse die Verordnung Rechnung tragen, forderte er.

Dominik Bay, Geschäftsführer der rrbone GmbH, sagte, aus Sicht der Netzbetreiber sei eine anfänglichen Bandbreite von 50 Mbit/s im Downstream und 10 Mbit/s im Upstream „ein vertretbarer Kompromiss“. Eine Latenz von 150 ms sei am untersten Ende der erwartbaren Qualität, weshalb eine weitere Verschlechterung abzulehnen sei, so Bay. Er forderte zugleich, dem Mehrpersonenhaushalt sowie einer besseren Datengrundlage mehr Beachtung beizumessen. Die Corona-Pandemie habe dazu geführt, dass sich das Nutzerverhalten gravierend verändert habe. Privatanschlüsse würden heute durchgehend und gleichzeitig von mehr Menschen pro Haushalt als vor der Pandemie beansprucht. (hau/09.05.2022)