Anhörung zum Thema „TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz“
Zeit:
Mittwoch, 16. Oktober 2024,
14.15
bis 16.15 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101
Experten sehen Nachbesserungsbedarf bei dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen (TK-Netzausbau-Beschleunigungs-Gesetz, 20/13171). Eine Reihe der zehn geladenen Sachverständigen bewertete in der Anhörung des Digitalausschusses am Mittwoch, 16. Oktober 2024, insbesondere die Differenzierung zwischen Festnetz- und Mobilfunkausbau beim „überragenden öffentlichen Interesse“ kritisch.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit dem Gesetzentwurf will die Koalition den Ausbau von Mobilfunk- und Glasfasernetzen beschleunigen und benötigte Daten besser nutzbar machen. So soll das Gigabit-Grundbuch als einheitliches Informationsportal zur „zentralen Datendrehscheibe“ im Telekommunikationsgesetz (TKG) werden, schreibt die Bundesregierung.
Der TK-Netzausbau soll bis zum Ablauf des 31. Dezember 2030 für alle Ausbauvorhaben in sämtlichen Genehmigungsverfahren „im überragenden öffentlichen Interesse“ stehen. In naturschutzrechtlichen Verfahren soll es eine Einschränkung geben: Dort liege nur die Errichtung von Mobilfunkmasten für eine unterbrechungsfreie Versorgung mit breitbandigen Telekommunikationsdiensten im überragenden öffentlichen Interesse, geht aus dem Entwurf hervor.
Sachverständige: Chance wird nicht voll genutzt
Susanne Dehmel vom Bitkom (eingeladen auf Vorschlag der SPD-Fraktion) betonte, die Chancen zur Beschleunigung des Netzausbaus würden mit dem Entwurf nicht voll genutzt. Er habe zwar richtige Ziele, schaffe aber vor allem neue Hürden und Belastungen für die Unternehmen. Das „überragende öffentliche Interesse“ für den TK-Netzausbau müsse bezüglich der naturschutzrechtlichen Prüfung uneingeschränkt und auch für den FTTH-Ausbau im Festnetz gelten, sagte Dehmel weiter. Zur geplanten Änderung beim Gigabit-Grundbuch sagte sie, dieses drohe zu einer „Datenkrake“ und zu einem Sicherheitsrisiko für den Netzbetrieb zu werden. Es entstehe dadurch mehr Bürokratie, ohne dass das Ziel der Ausbaubeschleunigung erreicht werde.
Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Fetzer von der Universität Mannheim (eingeladen auf Vorschlag der Unionsfraktion) betonte, dass der Ausbau in erster Linie privatwirtschaftlich erfolge. Die vorgesehenen Maßnahmen könnten einen Beitrag zum Erreichen des Gigabitziele der Bundesregierung leisten, es sei aber fraglich, ob sie ausreichten, so Fetzer. Es gebe nicht die eine große Maßnahme, aber kleine Stellschrauben. So sei die Weiterentwicklung beim Gigabit-Grundbuch grundsätzlich sinnvoll, um Markttransparenz und einen effizienten Netzausbau zu realisieren. Ein zu hoher bürokratischer Aufwand müsse jedoch vermieden werden. Auch Fetzer betonte zudem, das „überragende öffentliche Interesse“ solle umfassender gelten als es der aktuelle Entwurf vorsehe.
„Potenzial und Luft nach oben“
Auch Prof. Dr. Jürgen Kühling vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Immobilienrecht, Infrastrukturrecht und Informationsrecht der Universität Regensburg (eingeladen auf Vorschlag der Unionsfraktion) sah „Potenzial und Luft nach oben“. Die Begründung des Befristungsdatums 31. Dezember 2030 beim „überragenden öffentlichen Interesse“ sei kein Grund, der durchgreife: Es sei schon jetzt absehbar, dass eine Verlängerung erforderlich werde, so Kühling. Es sei besser, auf ein Ablaufdatum zu verzichten.
Er wies auch darauf hin, dass der Ausbau von Mobilfunknetzen gegenüber dem Ausbau anderer Netze bevorzugt werde, was vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Technologieneutralität problematisch sein könne.
„Verbraucherschutzgesetz und kein Beschleunigungsgesetz“
Gerrit Wernke vom Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdienste (eingeladen auf Vorschlag der FDP-Fraktion) sagte, man diskutiere über „ein Verbraucherschutzgesetz und kein Beschleunigungsgesetz“, so Wernke. Es sei nicht schlüssig, dem Festnetzbereich ein überragendes öffentliches Interesse abzusprechen und Beschleunigungen beim Glasfaserausbau nicht zu priorisieren.
Die Eingriffe erfolgten zeitlich und räumlich begrenzt, dauerhafte Beeinträchtigungen der Natur seien nicht zu befürchten, sagte der Sachverständige weiter.
„Gelungen, aber kompliziert“
Prof. Dr. Bernd Holznagel vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster (eingeladen auf Vorschlag der Vorsitzenden) bewertete den Entwurf als „durchaus gelungen, aber auch sehr kompliziert.“ Es würden verschiedene Probleme aufgegriffen, die in der Praxis entstanden seien. Dies ziehe sich wie ein roter Faden durch den Entwurf.
Holznagel verwies darauf, dass das „überragenden öffentlichen Interesse“ kein Allheilmittel sein werde und erläuterte detailliert, wann es greife.
Berücksichtigung von Verbraucherschutzbelangen
Susanne Blohm vom Verbraucherzentrale Bundesverband (eingeladen auf Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass Verbraucherschutzbelange stärker berücksichtigt werden müssten. Dies betreffe zum Beispiel das Minderungsrecht: „Verbraucher haben es relativ schwer, nachzuvollziehen, wie ihr individueller Minderungsbeitrag zustande kommt“, sagte Blohm.
Die Verbrauchzentrale schlage eine feste monatliche Entschädigungssumme von 15 Euro vor, um mit den Problemen bei der unterschiedlichen Berechnung umzugehen. Sollte es bei prozentualen Abschlägen bleiben, müsse die Bundesnetzagentur ermächtigt werden, ein einheitliches Berechnungsmodell vorzunehmen, so Blohm weiter. Auch bei der Internet-Mindestbandbreite von künftig 15 Mbit/s gebe es Anpassungsbedarf, damit diese nicht nur bis zur Hauswand, sondern auch innerhalb von Gebäuden gelte, so Blohm.
Das betonte auch Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (eingeladen auf Vorschlag der Gruppe Die Linke). Es müsse sichergestellt werden, dass alle Verbraucher über einen angemessenen Internetzugang verfügten; aktuell bestünden hier „erhebliche Defizite“, sagte Flosbach.
Anreize für weitere Investitionen gefordert
Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation (eingeladen auf Vorschlag der SPD-Fraktion) sagte, es fehlten konkrete Maßnahmen, die über Symbolpolitik hinausgingen. Sein Verband halte das politische Ausbauziel 2030 der Bundesregierung für nicht mehr erreichbar; Marktanalysen zeigten den sich verlangsamenden Ausbau.
Die Unternehmen sähen sich mit steigenden Kosten konfrontiert. Im parlamentarischen Verfahren seien grundlegende Anpassungen nötig, um Anreize für weitere Investitionen in den Ausbau zu setzen, sagte Knapp. (lbr/16.10.2024)