Debatte über vinkulierte Anteile bei Startups
Zeit:
Mittwoch, 11. Oktober 2023,
13
bis 15 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 400
Der Startup-Verband hat im Rahmen einer Anhörung des Finanzausschusses zum Entwurf für das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) der Bundesregierung (20/8292) am Mittwoch, 11. Oktober 2023, seine Forderung erneuert, vinkulierte Anteile bei der Lösung der sogenannten Dry-Income-Problematik unbedingt zu berücksichtigen. „Wir fordern keine Steuervergünstigungen“, erklärte Christian Miele, als Vorstandsvorsitzender des Startup-Verbandes Sachverständiger in der Anhörung auf Vorschlag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen.
Sein Verband argumentiere nicht für höhere Steuerfreibeträge auf Mitarbeiterbeteiligungen oder eine Pauschalversteuerung dieser, machte Miele deutlich. Nach Mieles Worten geht es dem Startup-Verband alleine darum, für Mitarbeiter von Startups den Steueraufschub bei der Gewährung von Mitarbeiteranteilen zu verbessern. Insbesondere will der Startup-Verband, dass auch sogenannte vinkulierte Anteile Berücksichtigung finden.
Experte befürchtet Verkomplizierung des Steuerrechts
Kritische Worte zu dieser Forderung fanden sich von Roland Ismer, Professor für Steuerrecht und Öffentliches Recht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Sachverständiger auf Vorschlag der SPD-Fraktion. Mit Blick auf die Stellungnahme des Bundesrats zu dem Gesetz, die eine Änderung des Gesetzentwurfs im Sinne des Startup-Verbandes beinhaltet, warnte Ismer bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme davor, dass die Berücksichtigung von vinkulierten Aktien „einen Bruch mit der allgemeinen Dogmatik mit sich bringen und damit das Steuerrecht verkomplizieren“ würden. Ismer weiter: „Dies gilt umso mehr, als ohnehin Ausweichgestaltungen offenstehen, bei denen es nicht auf die Vinkulierung ankommt.“
Startup-Gründer und Investor Christian Vollmann, Sachverständiger auf Vorschlag der FDP, widersprach Ismer eindringlich. Vollmann wies auf die überaus hohe Bedeutung von Kapitalbeteiliungsangeboten für Mitarbeiter hin. „Da draußen tobt ein Krieg um die besten KI-Wissenschaftler“, sagte er. Es gehe auch um Experten der Life Sciences. „Diese Leute suchen sich die Unternehmen aus“, berichtete Vollmann. Deutschland habe dabei einen klaren Standortnachteil, liege zusammen mit Belgien auf dem letztem Platz, was die Attraktivität von Mitarbeiterbeteiligung betreffe. Vollmann betonte die Notwendigkeit, vinkulierte Anteilen bei der Lösung der Dry-Income-Problematik zu berücksichtigen. Er sei an mehr als 85 Unternehmen beteiligt. „Ich habe nicht einen Fall gesehen, in dem die Anteile nicht vinkuliert wären“, berichtete er. Der Grund liege in der Möglichkeit, das Unternehmen an Investoren weiterzuveräußern.
Mögliche Ausweitung der Arbeitnehmersparzulage
Neben einer Reihe weiterer Themen behandelte die Anhörung auch eine mögliche Ausweitung der Arbeitnehmersparzulage. Dies ist derzeit im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch nicht vorgesehen. Norbert Kuhn vom Deutschen Aktieninstitut (DAI), Sachverständiger auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion, bezeichnete diese als sinnvoll, um „breite Bevölkerungsschichten am Produktivkapital zu beteiligen“ und „die Aktienanlage näher zu bringen“.
Kuhn zeigte Sympathie zum zuvor vom Sachverständigen Imser geäußerten Vorschlag, die Einkommensgrenze für die Gewährung der Arbeitnehmersparzulage auf 35.000 bis 40.000 Euro zu erhöhen. Auch die Möglichkeit, diese komplett abzuschaffen, sei diskussionswürdig. „Man sollte das auf jeden Fall weiter verfolgen, weil ein großer Teil der vermögenswirksamen Leistungen in Fonds gespart wird“, sagte er.
Ebenfalls positiv äußerte sich ein auf Vorschlag der Fraktion Die Linke als Sachverständiger geladener Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Dieser wies darauf hin, dass die Arbeitnehmer-Sparzulage immer noch Bestandteil von mehr als 1.000 Tarifverträgen sei.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Bundesregierung will Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern und zugleich Investitionen in erneuerbare Energien fördern. Dazu sollen „Regelungen im Finanzmarktrecht, Gesellschaftsrecht und Steuerrecht weiterentwickelt werden“, formuliert sie in der Problem- und Zielbeschreibung des von ihr in den Bundestags eingebrachten Entwurfs (20/8292) für ein Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz - ZuFinG). Insgesamt wird das ZuFinG laut Regierungsangaben nach seiner vollen Entfaltung ab 2026 zu jährlichen Steuermindereinnahmen von 960 Millionen Euro führen, wobei 387 Millionen Euro beim Bund, 358 Millionen Euro bei den Ländern und 215 Millionen Euro bei den Gemeinden anfallen. 2024 ist mit einem Gesamtminus von 595 Millionen Euro zu rechnen und 2025 mit 850 Millionen Euro.
„Durch Digitalisierung, Entbürokratisierung und Internationalisierung sollen der deutsche Finanzmarkt und der Standort Deutschland attraktiver sowohl für nationale als auch für internationale Unternehmen und Investoren werden. Aktien und börsennotierte Wertpapiere sollen als Kapitalanlage attraktiver werden, um Nachfrageseite (Anreize für Aktien als Kapitalanlage) und Angebotsseite (Erhöhung der Anzahl börsennotierter Unternehmen in Deutschland) zu stärken“, erläutert die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf. Zu den einzelnen adressierten Maßnahmen gehört unter anderem, dass offene Immobilienfonds künftig einfacher in Anlagen für erneuerbare Energien investieren dürfen. So soll „es aufsichtsrechtlich ermöglicht werden, auch Grundstücke zu erwerben, auf denen sich ausschließlich Anlagen zur Erzeugung, zum Transport und zur Speicherung von Strom, Gas oder Wärme aus erneuerbaren Energien befinden“. Die Fondsanbieter sollen diese Anlagen künftig auch selbst betreiben dürfen. Für den Betrieb von Anlagen auf bestehenden Gebäuden werde Rechtssicherheit geschaffen.
Beteiligung von Mitarbeitern am Eigenkapital ihres Arbeitgebers
Erleichtert werden soll vor allem die Beteiligung von Mitarbeitern am Eigenkapital ihres Arbeitgebers. Dazu soll der Steuerfreibetrag von derzeit 1.440 Euro auf 5.000 Euro steigen. Allein hierfür kalkuliert die Bundesregierung ab 2025 eine jährliche Haushaltswirkung von -355 Millionen Euro ein. Den Anwendungsbereich der aufgeschobenen Besteuerung will die Bundesregierung „signifikant ausweiten“. Hierzu soll die Besteuerung künftig bis zur Veräußerung der Anteile aufgeschoben werden können, wenn der Arbeitgeber die Haftung für die anfallende Lohnsteuer übernimmt. Verlust für den Haushalt: 365 Millionen Euro pro Jahr ab 2026 (2025: 255 Millionen Euro, 2024: 70 Millionen Euro). Unternehmen sollen künftig bereits mit einer Mindestmarktkapitalisierung von einer Million Euro an die Börse gehen dürfen (bisher: 1,25 Millionen Euro). Die Pflicht zu einem Emissionsbegleiter, beispielsweise einer Bank, als Mitantragsteller entfällt.
Aktienemissionen sollen künftig auch auf der Grundlage der Blockchain-Technologie möglich werden. Mit dieser Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für Kryptowerte soll Deutschland „zu einem rechtssicheren Standort für diese Zukunftstechnologie“ werden. Konkret sollen Namensaktien künftig sowohl als Zentralregisterwertpapiere als auch als Kyptowertpapiere begeben werden können. Inhaberaktien soll es weiterhin nur als Zentralregisterwertpapiere geben. Die Aufnahme von Eigenkapital soll ferner dadurch erleichtert werden, dass Unternehmen Mehrstimmrechtsaktien ausgeben dürfen. Kapitalerhöhungen sollen auch dadurch einfacher werden, dass unter anderem die Grenze beim vereinfachten Bezugsrechtsausschluss im Aktienrecht von bisher zehn Prozent des Grundkapitals auf 20 Prozent angehoben wird.
Umsatzsteuerrechtliche Regelungen für Investmentfonds sollen an Regelungen in anderen EU-Mitgliedsstaaten angeglichen werden. Das Ziel der Bundesregierung sind dabei „gleiche Wettbewerbsverhältnisse mit dem europäischen Ausland“. Hier kalkuliert die Bundesregierung 2024 mit Mindereinnahmen von 120 Millionen Euro, ab 2025 mit jährlich 140 Millionen Euro. Änderungen soll es auch im Bereich der Haftungsregelungen für Crowdfunding-Projekte geben. Entsprechende Paragraphen im Wertpapierhandelsgesetz sollen angepasst werden. Internationale Akteure sollen mit der deutschen Finanzaufsicht künftig auch auf Englisch kommunizieren können. Auch soll eine Kommunikation mit den Behörden verstärkt auf digitalem Weg ermöglicht werden. (bal/eis/11.10.2023)