Experten begrüßen Klarstellung zur Betriebsratsvergütung
Berlin: (hib/HAU) Die von der Bundesregierung angestrebte gesetzliche Klarstellung zur Betriebsratsvergütung durch eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (20/9469) wird von Sachverständigen begrüßt. Sowohl Arbeitgebervertreter als auch Gewerkschaftsvertreter bewerteten die Anpassung als sinnvoll, teils auch als zwingend. Hintergrund der Neuregelung ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023 zur Frage der Untreue bei Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot, das in der Praxis vermehrt zu Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung der Grundsätze zur Betriebsratsvergütung geführt hat. Der BGH hatte den Freispruch zweier VW-Vorstände aufgehoben, die wegen Untreue angeklagt waren, weil die von ihnen gewährten Arbeitsentgelte an freigestellte Betriebsräte die Zahlungen an die betriebsverfassungsrechtlich zutreffenden Vergleichsgruppen erheblich überstiegen hatten.
Laut Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratschef des Autozulieferers ZF Friedrichshafen AG, wurde das Urteil in einigen Unternehmen genutzt, um Vergütungen von Betriebsräten zu reduzieren. „Die Angriffe auf Betriebsräte, ob bewusst oder aus Unsicherheit, sind ein Angriff auf die Mitbestimmung und die Demokratie im Betrieb“, sagte er. Zudem scheine es ein Geschäftsmodell von Anwaltskanzleien geworden zu sein, erst die Unsicherheit anzufeuern und dann Beratungsleistungen anzubieten, sagte Dietrich.
Der Arbeitsrechts-Experte Professor Georg Annuß von der Universität Regensburg sprach sich klar für die Verabschiedung der vorgeschlagenen Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes aus. „Es ist dringend nötig, diesem Spuk ein Ende zu bereiten“, sagte er. Die benötigte Klarstellung könne nicht anders erreicht werden als durch den Gesetzgeber.
Professor Frank Bayreuther von der Universität Passau sprach von einem angemessenen Ausgleich zwischen dem Ehrenamtsprinzip des Betriebsverfassungsrechts und der Notwendigkeit für Unternehmen, die Vergütung ihrer Betriebsräte rechtssicher gestalten zu können. Aktuell würden sich einige Unternehmen in Folge des Urteils dazu veranlasst fühlen, eine „arbeitsgerichtliche Klärung“ herbeizuführen, indem sie Betriebsräten die Vergütung kürzen und so entsprechende Rechtsstreitigkeiten provozieren.
Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist die Änderung zwar nicht zwingend, gleichwohl aber sinnvoll, da in den Betrieben eine Verunsicherung zu konstatieren sei, wie BDA-Vertreter Roland Wolf sagte. Für die BDA sei es weiterhin zentral, dass das Betriebsratsamt ein Ehrenamt ist. „An diesem Ehrenamtsprinzip darf nicht gerüttelt werden“, sagte Wolf. Dieses wesentliche Element der Betriebsverfassung sei in dem Gesetzesentwurf gewahrt.
Isabel Eder vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) nannte die Regelung einen Beitrag zum Rechtsfrieden. Eine flächendeckende Verbesserung für Betriebsräte hätte allerdings erreicht werden können, wenn die geplanten Betriebsvereinbarungen mittels Einigungsstelle erzwingbar ausgestaltet worden wären, sagte sie. Zudem fehle es an klarstellenden Regelungen zu den Kriterien zur Bildung einer Vergleichsgruppe sowie zur Bestimmung der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung.
Johanna Wenckebach von der IG Metall unterstützte die DGB-Forderungen. Zugleich forderte sie mehr Anerkennung für die verantwortungsvollen Aufgaben, die Betriebsräte leisteten. Gerade in Zeiten von Polykrisen und des demografischen Wandels, der auch die betriebliche Interessenvertretung vor neue Herausforderungen stelle, brauche es Menschen, die sich in den Betrieben engagieren, so Wenckebach. Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten dürften da nicht abschrecken.
Für Professor Markus Stoffels von der Universität Heidelberg leistet der Entwurf einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Vergütung der Betriebsratstätigkeit und stärkt damit mittelbar auch die betriebliche Mitbestimmung als solche. Eher kritisch zu beurteilen sei, so Stoffels weiter, dass die Klärung wichtiger und praxisrelevanter Fragen in den begründenden Teil des Entwurfes verlagert werde.
Auch der Deutscher Führungskräfteverband (ULA) sieht in dem Gesetz einen geeigneten Beitrag, die Mitbestimmung und das Ehrenamt zu stützen. Die vorgeschlagenen Änderungen stellten Klarstellungen dar, „die sich auf das Wesentliche beschränken und dabei auch das Ehrenamtsprinzip aufrechterhalten“, sagte ULA-Hauptgeschäftsführer Michael Schweizer.
Professor Thomas Klebe von der Hans-Böckler Stiftung begrüßte es, dass der Entwurf die Zustimmung der Sozialpartner gefunden hat. Unbefriedigend sei aber, „dass das Verfahren zur Festlegung der Kriterien und Vergleichspersonen freiwillig ist“. Das setze auf einen gutwilligen Arbeitgeber, „den wir nicht überall haben“. Hier sei eine Chance zu mehr Rechtsfrieden vertan worden, befand Klebe.