12.04.2024 1. Untersuchungsausschuss — Ausschuss — hib 237/2024

Zeuge: „Das Problem war der Zugang zum Flughafen“

Berlin: (hib/CRS) Botschafter Z., der während der Evakuierungsoperation am Kabuler Flughafen als Krisenbeauftragter des Auswärtigen Amtes (AA) das Krisenreaktionszentrum (KRZ) in Berlin leitete, hat gestern vor dem 1. Untersuchungsausschuss Afghanistan berichtet, dass während der Operation nicht die Flugkapazität, sondern das Einschleusen der Ausreiseberechtigten in den Flughafen problematisch war. Der Ausschuss untersucht die Ereignisse im Zeitraum zwischen der Unterzeichnung des Doha-Abkommens zwischen den USA und den Taliban und dem Fall der afghanischen Hauptstadt Kabul.

Z, der ab dem 18. August 2021 für ca. zwei Wochen diese Aufgabe übernommen hatte und damit letztendlich die heißeste Phase der Evakuierung von Berlin aus koordinieren musste, beschrieb dem Ausschuss, vor welchen Herausforderungen er und sein Team gestanden haben.

Das erste Problem habe sich schon am frühen Morgen des 18. August gezeigt. Die sonst nicht öffentliche Telefonnummer des KRZ sei weitergegeben worden, mit dem Ergebnis, dass das Team keine Kommunikationsmöglichkeiten mehr hatte, weil zu viele Anrufe entgegengenommen werden mussten. Auch das Mailsystem sei überlastet gewesen und man habe fürchten müssen, dass es zusammenbricht. Insgesamt seien in dieser Zeit rund 55.000 E-Mails pro Tag empfangen worden.

Bei der Evakuierung habe man drei Listen gehabt. Eine Liste der deutschen Staatsangehörigen, die Priorität gehabt hätten, eine Liste der afghanischen Ortskräfte und schließlich eine der besonders Schutzbedürftigen.

Auf das Gelände des Flughafens zu kommen, sei das größte Problem gewesen. Immer wenn sie im Krisenreaktionszentrum informiert wurden, dass jemand vor einem Gate stünde, hätten sie das Team vor Ort informiert, um die Menschen einzuschleusen. Allerdings habe man auch hier priorisieren müssen, führte der Zeuge aus, weil es auch zeitintensive Fälle gegeben habe. Insgesamt habe es immer genug Flugkapazitäten gegeben, aber es sei nicht immer möglich gewesen, die Menschen in den Flughafen zu bringen.

Die erfolgreichste Aktion sei die sogenannte „Bus-Aktion“ gewesen, so der damalige Krisenbeauftragte des AA. Gemeint ist das Ausfliegen von hunderten von deutschen Staatsbürgern. Die Herausforderung sei vor allem die Lokalisierung dieser Menschen gewesen, weil 90 Prozent der deutschen Staatsbürger sich aus verschiedenen Gründen nicht in die Krisenvorsorgeliste eingetragen hätten. Am Ende hätten sie aber geschafft etwa 300 Deutsche in Afghanistan zu identifizieren, zu verorten, zu kontaktieren und herauszuholen.

„Wir haben versucht, mit den Amerikanern auf allen Ebenen zu verhandeln, um über den 31. August hinaus weiterzumachen und weiter aktiv bleiben zu können“, sagte der Zeuge und fügte hinzu: „Es hat nicht funktioniert.“ Damit sei klar gewesen, dass man die Arbeit vor Ort einstellen müsse. Die Sicherheitslage an den Toren des Flughafens hätten eine Fortsetzung ohnehin nicht erlaubt. Am 26. August habe es einen Anschlag vor dem Flughafen und kurze Zeit später eine Explosion in der Stadt gegeben. So sei das Krisenreaktionszentrum zu dem Schluss gekommen, „dass es zu riskant war, die Leute zum Flughafen zu bringen“, berichtete der Botschafter.

Die Arbeit der NGO „Kabul Luftbrücke“ lobte der ehemalige Leiter des Krisenstabs. Die Organisation habe zu Evakuierende ausfindig gemacht. Als sie jedoch mit Bussen Menschen zum Flughafen bringen und dafür aus Berlin „laissez-passer“, also Passierscheine, ausgestellt haben wollten, habe er dies verweigert, führte der Zeuge aus. Die Taliban hätten keine Busse durchgelassen, die nicht mit den Amerikaner abgestimmt gewesen seien. Es sei zu gefährlich gewesen. Unter anderen Umständen wäre er bereit gewesen, die Papiere auszustellen, betonte der Zeuge.

Nach dem Zeugen befragte der Ausschuss den damaligen Leiter der Unterabteilung Militärpolitik und Einsatz des Bundesministeriums für Verteidigung (BMVg). Der Generalmajor berichtete, dass das BMVg auf eine Anpassung des Ortskräfteverfahrens (OKV) gedrängt habe. Das Verfahren, dass sie 2013 eingesetzt hätten, sei 2020 noch funktional, institutionalisiert und fortgeschritten gewesen. Als jedoch das Ende des Einsatzes nahte, habe man das OKV weiterentwickeln. Es habe aber Meinungsunterschiede zwischen verschiedenen Ressorts gegeben.

„Das BMVg hat aber nicht locker gelassen und wir haben immer wider versucht, eine Änderung des OKV voranzutreiben“, sagte der Zeuge. Schließlich sei es im Zuge des weiteren Einsatzes auch gelungen, das OKV zu verändern, berichtete er und betonte den „Druck des Ministerentscheids“.

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