X-Vertreter berichtet Digitalausschuss über Account-Sperrung
Berlin: (hib/LBR) Der X-Account (vormals Twitter) von Julia Nawalnaja, der Witwe des in Haft verstorbenen russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny, ist nach Angaben des Unternehmens nicht willkürlich blockiert worden. Es habe eine Reihe verdächtiger technischer Signale gegeben, betonte der Unternehmensvertreter Nick Pickles (Head of Global Government Affairs) des sozialen Netzwerks X am Mittwochnachmittag im Digitalausschuss des Bundestages. Dieser hatte die Ende Februar erfolgte vorübergehende Sperrung des Kontos von Nawalnaja und die Umsetzung der europäischen Vorgaben des Digital Services Act (DSA) auf die Tagesordnung gesetzt.
Wenn Systeme zu dem Schluss kämen, dass ein Profil gegen die Regeln verstoße, handele X, betonte Pickles. Angesichts der Masse an Angriffen brauche es Verteidigungslinien, die teilweise automatisiert seien. Eine der größten Sorgen des Unternehmens sei, dass die wachsenden Möglichkeiten von Technologien mit künstlicher Intelligenz (KI) es leicht machten, eine große Anzahl von Fake Accounts zu erstellen, berichtete er. X werde daher weiterhin automatisierte Tools einsetzen müssen. Zu den konkreten Markern, die zu einer Sperrung führen, wollte sich Pickles nicht äußern. Als Beispiele nannte er etwa die IP-Adresse oder durch welches Gerät diese genutzt werde.
Pickles berichtete weiter, dass der X-Account von Julia Nawalnaja innerhalb von einer Stunde wieder freigeschaltet worden sei. X sei sich der Bedeutung des Accounts bewusst. Im Nachhinein sei eine Prozessverbesserung eingeführt worden, um die Echtheit eines Kontos zu überprüfen. Bei Konten von Prominenten soll es nun eine zweite Überprüfung geben, entscheidend sei, wie groß der Account ist. Eine Frage aus den Reihen der AfD-Fraktion, ob es eine Intervention des X-Inhabers Elon Musk bei der Entsperrung gegeben habe, verneinte Pickles.
Die Abgeordneten fragten detailliert nach Vorsorgemaßnahmen des Unternehmens, der Zunahme von Bots und Fake Accounts auf der Plattform und einem Mangel an menschlichen Content-Moderatoren. Darauf antwortete der Unternehmensvertreter, man orientiere sich an der Anzahl der Nutzer und den verfügbaren Daten zu Risiken.
Konkrete Zahlen zu Sperrungen und Entsperrungen von Accounts, auch von solchen, die sich zuvor kritisch über Musk geäußert hatten, oder zur Fehlerquote bei der menschlichen und der automatischen Content-Moderation konnten die Unternehmensvertreter nicht nennen und sicherten zu, diese nachzureichen. Auch zu der im DSA vorgesehenen Transparenzdatenbank zu Nutzerbeschwerden zu illegalen Inhalten und den im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken niedrigen Zahlen konnten die Unternehmensvertreter keine Angaben machen. Wiederholt betont wurde, X habe sich fest verpflichtet, den DSA einzuhalten.
Die Vorsitzende Tabea Rößner (Grüne) betonte, es brauche niedrigschwellige Möglichkeiten für die Nutzer, mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Jeder Nutzer könne etwa per E-Mail oder im Hilfe-Center Beschwerde gegen jede Entscheidung einlegen, entgegnete der X-Vertreter. Auf die Frage nach dem Thema Meinungsfreiheit betonte Pickles, freie Meinungsäußerung und die Sicherheit der Plattformen müssten nebeneinander bestehen können. Es sei wichtig, dass der DSA nicht zu Zensur führe.
Angesprochen auf die Themen Einflussnahme auf Agendasetting und Wahlbeeinflussung antwortete der X-Vertreter, man sei sich dieser Risiken sehr bewusst. Seit dem Israel-Hamas-Krieg habe man über 780.000 Inhalte wegen Verletzung der Richtlinien entfernt. Im Hinblick auf die anstehende Europawahl müsse auf verschiedensten Ebenen zusammengearbeitet werden, um Abhilfe zu schaffen.